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# taz.de -- Sachbuch über Wohnformen: Neue Häuser braucht die Welt
> Das Wohnen hat eine Geschichte. Was, wenn unsere Häuser nicht mehr
> unserem Leben entsprechen?, fragt sich Architekturkritiker Niklas Maak.
Bild: Die gute, alte DDR-Platte. Schlechte Architektur gibt's aber auch im West…
Jeder wohnt. Die meisten können sich zu diesem Zweck ein Dach über dem Kopf
leisten, sich mit Wänden umgeben und sich so vor Wetter, Blicken und
öffentlichem Leben geschützt fühlen. Doch gewohnt wird in der Regel nicht
einfach nur zweckgebunden. Ob Mietwohnung, Einfamilienhaus, Bauwagen oder
Zelt – das Zuhause ist zumindest in wohlständigen Gesellschaften immer auch
Statussymbol und identitär.
Und doch sehen die Behausungen letztlich ziemlich gleich aus. Sie bestehen
aus Wänden, die Räume zum Zwecke des Schlafens, Kochens und Aufhaltens
schaffen, die sich von Wohnung zu Wohnung lediglich in Größe und Möblierung
unterscheiden.
Ob das angesichts immer diverser werdenden sozialen Verhältnissen so sein
muss, fragt Niklas Maak, Architekturkritiker und Leiter des Kunstressorts
der FAZ, in seinem Buch „Wohnkomplex“. Er führt die Ideen europäischer,
amerikanischer und japanischer Architekten des 20. und 21. Jahrhunderts
vor, die es nie geschafft haben, Vorlagen für Schöner Wohnen zu werden.
Beim Lesen möchte man sofort die eigenen vier Wände einreißen, Nester und
Höhlen in sie reinbauen und schräge Flächen in die Wohnung einziehen, auf
denen man liegend lesen kann ohne Genick- oder Handgelenkschmerzen zu
erleiden.
## Das digitale Zeitalter hat keine Sprache in der Architektur
Die teilweise jahrzehntealten Ideen gewinnen ihre Aktualität aus einer
interessanten Beobachtung: Das neue Verhältnis von öffentlich und privat
habe in der Architektur noch keine Sprache, so Maak. Das digitale Zeitalter
habe dazu geführt, dass wir das Bett eigentlich gar nicht mehr verlassen
müssten, um das soziale Leben zu organisieren. Alle Kommunikation könne
theoretisch vom Bett aus über das Internet erledigt werden.
Wozu also brauchen wir dann noch einen weiteren Raum, der Wohnzimmer heißt,
oder einen 10 Meter langen Küchentisch und einen Herd mit 12 Kochplatten,
wenn angesichts der steigenden Zahl von Singlehaushalten höchstens zweimal
im Jahr ein paar Leute an diesem Tisch sitzen?
Und, fragt Maak weiter, ist es vielleicht auch so, dass wir vielleicht gar
nicht mehr unter Menschen sein wollen, wenn wir auf die Straße gehen, weil
wir das via Internet sowieso den ganzen Tag sind? Wollen wir draußen lieber
an intimeren Orten verweilen? Die Gestaltung öffentlicher Orte stelle
solche Fragen aber nicht. Sie werde nur noch von einem Sicherheitsbedürfnis
dominiert, die nicht zum Verweilen, sondern zum Wegrennen reizen.
Doch wegrennen wohin? Aufs Land zu ziehen sei ein Modell, das längste Zeit
funktioniert hat, meint Maak. Das Einfamilienhaus im Vorort, für das man
sich verschuldet habe und in dem man kaum noch zum Wohnen komme, weil man
seine Zeit mit Pendeln und Geldverdienen verbringe, was zum Scheitern der
Ehe und in die Insolvenz führe, habe ausgedient.
Der Trend gehe weltweit zur Landflucht. Dies und das Bevölkerungswachstum
mache die Frage des Wohnens zu einem der drängendsten gesellschaftlichen
Themen in den nächsten Jahren. Es werde nicht ausreichen, Betonregale in
Landschaften zu stellen. Zu eindeutig negativ seien die Erfahrungen mit
banlieuhafter Stadtrandbebauung in den kapitalistischen und
Plattenbausiedlungen in den sozialistischen Gesellschaften gewesen.
## Architektur, die das „Unter-sich-Sein“ überwindet
Wie sehe es aus, fragt Maak, wenn man die Ideen des offenen Hauses auf den
Maßstab eines Stadtviertels oder einer ganzen Stadt übertragen würde? Was
es brauche, seien sozial flexible, erweiterbare, kostengünstige, raum- und
ressourcensparende Wohnformen. Und diese findet Maak vor allem bei
japanischen Architekten, etwa im Modell des Moriyama House. Dieses Prinzip
liefere den Entwurf für Formen, die größere Freundeskreise,
familienübergreifende Wohncluster, Singles und Familien, Rentner und
Durchreisende sowie Obdachlose beherbergen könne. Es seien Entwürfe, die
die im Zuge der Industrialisierung und der Entwicklung des Bürgertums
entstandene Architektur des „Unter-sich-Seins“ überwinde.
Zentrale Idee in diesem Prinzip sind geteilte Flächen zwischen den sehr
viel kleineren privaten Einheiten. So würde beispielsweise aus riesigen
Apartmenthochhäusern ein hotelähnliches Wohnen werden. Was hier entstehe,
sei eine Mischform zwischen Einfamilienhaus und Großkommune und die
Aufhebung der Trennung zwischen radikalliberalem und kommunitaristischem
Lebensentwurf.
Auch wenn das, was Maak vorstellt, Architekturkennern nichts Neues erzählt,
weitet sein Buch den Blick auf das, was möglich sein könnte, wenn
städtische Baupolitik tatsächlich mehr Mut hätte, wie es ausgerechnet der
Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit in seinen Abschiedsworten
forderte.
13 Dec 2014
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Buch
Wohnen
Architektur
Bauhaus
Bauhaus
Untersuchungsausschuss
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