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# taz.de -- Kommentar Annäherung Kuba-USA: Nach dem Feindbild
> Obamas neue Kuba-Politik ist für die USA ein Befreiungsschlag – und wirft
> für Kuba Fragen auf: Was wird aus David, wenn Goliath schrumpft?
Bild: Jahrzehnte US-amerikanischer Embargo-Politik haben auf Kuba keinen Wandel…
Als die USA noch jung waren, schrieb George Washington der neuen Nation ins
Stammbuch: „Eine Nation, die sich gegen eine andere in gewohnheitsmäßigem
Hass ergeht, wird in gewissem Sinne zum Sklaven ihrer eigenen
Feindseligkeit“, so der erste Präsident der USA in seiner Abschiedsrede.
Genau darum ging es Präsident Obama, als er diese Woche die Wiederaufnahme
diplomatischer Beziehungen zu Kuba verkündete: die USA aus einer solch
selbstverschuldeten Unfreiheit zu befreien. Denn die Kuba-Politik des
Landes ist längst von einem außenpolitischen Instrument zu einem
innenpolitischen Glaubenssatz mutiert. Dass sie keinen Wandel auf Kuba
bewirkt; dass sie die Geschäftsinteressen von US-Firmen schädigt; dass sie
die Rechte der US-Bürger beschneidet, wenn sie ihnen Besuche der Insel
verwehrt – all diese Argumente prallten an der ritualisierten Beschwörung
der Feindschaft ab.
Vielleicht musste gerade deshalb der Schritt jetzt so groß und so
symbolkräftig sein. Sicherlich, nicht abgeschafft ist das
Wirtschaftsembargo. Das haben die Hardliner per Gesetz so einbetoniert,
dass nur der US-Kongress die Sanktionen aufheben kann, nicht der Präsident.
Doch schon jede einzelne der Maßnahmen in Obamas Paket hätte Schlagzeilen
gemacht – ob der Gefangenenaustausch oder die Einrichtung von Botschaften,
die Reiseerleichterungen oder die Ankündigung, Kuba von der Liste der
Terrorunterstützer zu streichen.
Obama hat die Eskalation der Vergangenheit abgerüstet. Doch mittelfristig
ist die Herausforderung für die kubanische Regierung sehr viel größer. Denn
für die Kader an den Schalthebeln der Macht in Havanna ist die Feindschaft
zu den USA eigentlich unverzichtbar. Sie ist zentraler Baustein ihrer
Legitimation. Es darf nur eine einzige Partei geben, weil der Imperialismus
jede zweite Partei zur Zerstörung der Revolution nutzen würde.
Oppositionelle sind Söldner der USA, Abweichler eine „fünfte Kolonne“. Es
kann keinen Medienpluralismus geben, denn im Krieg mit den USA sind die
Reihen fest geschlossen zu halten.
## Für Kuba gehen die Fragen tiefer
In den USA wird die alte Garde Miamis noch eine Weile toben und die
Republikaner werden ihre Anti-Castro- und Anti-Obama-Reflexe ausleben. Doch
die Unternehmen werden auf einen neuen Markt hoffen, zwischen Idaho und
Virginia wird man andere Probleme wichtiger finden, und auch in Florida
wird die Mehrheit der „Cuban Americans“ in zwei Jahren den US-Präsidenten
nicht danach wählen, ob in Havanna eine US-Botschaft steht oder nicht.
Doch für Kuba gehen die Fragen tiefer. Sie gehen an die Identität des aus
der Revolution erwachsenen politischen Systems. Und dies zu einer Zeit, in
der Kubas Gesellschaft längst nicht mehr im Freund-Feind-Modus tickt. Man
hat Vetter, Tante oder Bruder, die in den USA leben und Geldsendungen
schicken. Man kennt das Internet, man weiß, welche Marken in Miami angesagt
sind, und man fiebert mit den kubanischstämmigen Stars der
US-Baseball-Liga.
Raúl Castro hat den Kubanern die Nachricht in seiner Generalsuniform
verlesen. Er hat die fortbestehende Wirtschaftsblockade angeprangert. Er
hat die Freilassung der in den USA inhaftierten kubanischen Agenten ins
Zentrum gerückt, nicht die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen.
Das soll Stärke zeigen, aber es ist auch Pfeifen im Wald. Was wird aus der
Logik der belagerten Festung, wenn der Feind nicht mehr belagert? Was wird
aus David, wenn der Goliath schrumpft?
Zweifelsohne kann die Regierung in Havanna einen politischen Sieg
verbuchen. Nach mehr als 50 Jahren hat die US-Regierung nachgegeben, nicht
sie. Aber vielleicht hat Obama nicht nachgegeben, sondern vielmehr die USA
aus ihrem Gefängnis versteinerter Feindschaft befreit. Havanna steht diese
Probe erst noch bevor.
20 Dec 2014
## AUTOREN
Bert Hoffmann
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