# taz.de -- Kommentar USA und Kuba: Geschichte wird gemacht | |
> Ein Tag der Veränderung: Castro und Obama haben das Ende des Kalten | |
> Krieges zwischen ihren Nationen verkündet. Doch Probleme bleiben. | |
Bild: Getrennte Bilder, gemeinsame Zukunft? Barack Obama und Raúl Castro. | |
Es ist wirklich ein Stück Geschichte, das Barack Obama mit der | |
angekündigten Veränderung der Kubapolitik der USA schreibt. Der Präsident | |
ist an die Grenze dessen gegangen, was er aufgrund seiner | |
Exekutivvollmachten ausrichten kann. Eine wirkliche Normalisierung der | |
Beziehungen beider Länder bedeutet das noch nicht – dem steht noch immer | |
das Wirtschaftsembargo entgegen, und das kann nur der Kongress abschaffen. | |
Aber was Obama am Mittwoch ankündigte, ist der größte und wichtigste | |
Schritt dahin seit 1961. Hier ist er also endlich, zwei Jahre vor dem Ende | |
seiner Amtszeit, jener Präsident, den die Welt eigentlich schon seit 2009 | |
im Weißen Haus wähnte, und der doch in so vielen Fällen durch Abwesenheit | |
glänzte. Überall auf der Welt wird der Schritt Obamas begrüßt. | |
Und Obama hatte recht, als er in seiner Rede sagte, die Embargopolitik habe | |
nicht Kuba isoliert, sondern die USA selbst. Unzählige Resolutionen der | |
UN-Generalversammlung bestätigen das. Die Kubapolitik der USA forderte auch | |
die lateinamerikanische Solidarität heraus. Immer unwichtiger wurde die | |
Organisation Amerikanischer Staaten unter Einschluss, immer wichtiger die | |
neuen Regionalorganisationen unter Ausschluss der USA. Der Versuch, das | |
Ruder herumzuwerfen, bedeutet auch den Wunsch, die USA auf den Kontinent | |
wieder zu reintegrieren. | |
Nicht verwunderlich, aber umso bemerkenswerter sind die Reaktionen | |
führender Republikaner. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, John | |
Boehner, der Präsidentschaftskandidat in spe Jeb Bush und der aufstrebende | |
Senator Marco Rubio lehnten Obamas Wende sofort rundheraus ab und kündigten | |
scharfen Widerstand an. Eine eigene Vision freilich hatten sie nicht zu | |
bieten, stattdessen nur markige Sprüche. Das ist genau jene Politfolklore, | |
zu der die Kubadebatte in den USA schon seit langem verkommen ist. Nur: sie | |
ist auch ernstzunehmen. | |
## Ein Erfolg für Kuba | |
Wenn es diesen Altideologen gelingt, im Kongress die Kräfte im sich zu | |
scharen, haben sie eine gewaltige Blockademacht, die auch über die Frage | |
der Aufhebung des Wirtschaftsembargos hinausgeht. Sie könnten etwa einem | |
nominierten US-Botschafter für Kuba die Bestätigung verweigern und so die | |
volle Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen verhindern. Sie könnten in | |
Haushaltsgesetze Paragrafen einbauen, die die neue Reisefreiheit für | |
US-Amerikaner aushöhlen und dergleichen mehr. | |
Die ersten Kommentare des konservativen Propagandasenders Fox News legen | |
nahe, dass es für republikanische Politiker nicht einfach wird, diesem | |
Unsinn zu widerstehen. Denn auch das haben die letzten Jahrzehnte der | |
Kubadebatte gezeigt: Mut brauchte man in den USA nicht, um einen | |
kontraproduktiv gewordenen Status Quo aufrechtzuerhalten, sondern um ihn | |
abzuschaffen. Die Irrationalität der politischen Entscheidungsfindung in | |
den USA wurde an wenigen Punkten so deutlich wie an der Kubapolitik. | |
Für die kubanische Regierung ist diese neue Verständigung zunächst ein | |
Erfolg. Die alte Riege der historischen Führung um Staatschef Raúl Castro | |
und seinen Bruder hat fünf Jahrzehnte US-amerikanischer Aggression an der | |
Macht überstanden. Sie hat Kuba in den 1960er Jahren ins sowjetische Lager | |
geführt und dessen Zusammenbruch besser überlebt als die kubanische | |
Wirtschaft. Das US-Embargo sollte die Regierung strangulieren und hat sie | |
doch stets nur gestärkt. | |
Kubas Staatswirtschaft funktioniert schon lange nicht mehr, und das wissen | |
in Kuba alle. Es ist gerade die Kontinuität der US-Politik gewesen, die es | |
Kubas Regierung ermöglichte, Reformschritte so langsam anzugehen, dass zwar | |
immer mehr KubanerInnen perspektivlos die Insel verließen, intern aber | |
keinerlei Dynamik entstehen konnte, die das politische System der | |
Einparteiendiktatur irgendwie bedroht hätte. Eine Wende in Washington | |
bietet zwar keine Garantie dafür, dass eine solche Dynamik nun einsetzt - | |
aber es ist zumindest die größte Chance in den letzten 50 Jahren. | |
18 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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