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# taz.de -- Kinostart von „Exodus - Götter und Könige“: Vertrauen auf Got…
> Die Bibel ist zentraler Bestandteil neuer Blockbuster. Ridley Scotts Film
> „Exodus – Götter und Könige“ ist ein Beispiel des Revivals religiöser
> Filme.
Bild: Passend zum Weihnachtsgeschäft verkündet „Exodus“ eine fromme, aber…
Göttliche Zeichen wurden im modernen Blockbusterkino von
computergenerierten Spezialeffekten ersetzt. Diese Logik ist einleuchtend
hinsichtlich einer Kulturform, in der der Glaube längst mit dem Sehen
identisch ist. Dass das digitale Kino die perfekten technischen
Voraussetzungen für säkulare Transzendenzerfahrungen bietet, hatte bereits
James Cameron mit seinen pulsierenden, halluzinös schimmernden 3-D-Welten
in „Avatar“ gezeigt.
Noch besser allerdings funktionieren göttliche Zeichen als kathartische
Überwältigung, in jüngster Zeit wieder besonders beliebt in Form
alttestamentlicher Erlöserfantasien. Hier findet das Blockbusterkino
endlich zurück zu seiner Bestimmung als Spektakel für die Massen (auf und
vor der Leinwand).
Aus dieser Konstellation ergibt sich eine Win-win-Situation: einerseits ein
Ausweg aus der Sinnkrise des Kinos, das seine Vorreiterrolle als dominantes
Bildmedium vor allem bei jüngeren Zielgruppen eingebüßt hat. Aber auch für
eine stetig expandierende „Religiotainment“-Industrie (wie der Autor Thomas
Meyer das Phänomen in seinem Buch „Die Ironie Gottes“ nennt), die sich die
verloren geglaubte Deutungshoheit über gesellschaftlich-moralische Diskurse
mithilfe säkularer Inszenierungsstrategien langsam zurückerobert. Anders
lässt sich die jüngste Welle von, wie es die weltliche
Unterhaltungsindustrie ganz diplomatisch formuliert, „glaubensbasierten“
Filmen und Fernsehserien kaum erklären.
## Weder froh noch fromm
Höhe- und vielleicht auch schon wieder Endpunkt dieser Entwicklung ist
Ridley Scotts Bibelschinken „Exodus – Götter und Könige“, der passend z…
Weihnachtsgeschäft seine nicht ganz so frohe – geschweige denn fromme –
Botschaft verkündet. „Exodus“ ist neben der Noah-Geschichte, die in diesem
Jahr als Vorlage für den anderen großen jüdisch-christlichen Blockbuster
(unter der Regie von Darren Aronofsky) diente, die zweite prägende
Erzählung des Alten Testaments.
Die Geschichte, die im Buch aller Bücher gerade mal den Umfang eines
Drehbuchentwurfs hat, bietet zudem eine pikante politische Aktualität, die
Scott, der religiösen Ereiferung sicherlich unverdächtig (ignoriert man
einmal unausgegorenen, semirassistischen Quark wie „Königreich der
Himmel“), seinem Publikum subkutan verabreicht. Auf dem Höhepunkt der
vierzigjährigen Odyssee des hebräischen Volkes äußert Christian Bale in
einer maßgeschneiderten Rolle als Moses, gewissermaßen der Vorvater der
zionistischen Idee, Zweifel, ob die Ankunft einer ganzen „Nation von
Völkern“ im Lande Kanaan nicht Unfrieden in der Region stifte.
An einer politischen Allegorie hat Scott naturgemäß kein Interesse, aber
auch die göttlichen Zeichen sind bei ihm bloße Signaturen, die den
vertrauten Sujets des Action- und Katastrophenfilms entstammen.
Bezeichnenderweise hatte schon Aronofsky auf eine kuriose Ahnenreihe des
biblischen Helden hingewiesen. Russell Crowes Noah, erklärte er im
Frühjahr, sei ein Vorläufer der Marvel-Superhelden: ein zerrissener Mann
mit totalitären Zügen, der in seiner wahnhaften Mission, die göttliche
Schöpfung zu retten, etwas über die Stränge schlägt. Entsprechend comichaft
sah der Film dann aus: eher dazu geeignet, die Fans von Mittelerde zwischen
zwei „Hobbit“-Filmen bei Laune zu halten.
## Technologisches Interesse am biblischen Stoff
Auch in religiöser Hinsicht entzündeten sich an „Noah“ ganz grundsätzlic…
Kontroversen. Nach den Lehren des Koran ist die „Bebilderung“ des Propheten
Noah ein Sakrileg, die christliche Rechte Amerikas wiederum kritisierte die
freie Auslegung der Heiligen Schrift und forderte einen Widerruf zu Beginn
des Films, in dem die Produzenten erklärten, dass es sich lediglich um eine
Interpretation der biblischen Geschichte handele. Religiöse Sensibilitäten
sind heutzutage weitaus leichter angreifbar als noch vor fünfzig Jahren,
als Charlton Heston im Monumentalfilm Marke Hollywood widerspruchslos das
Idealbild einer abendländischen Bibel-Exegese verkörpern konnte.
Die zyklische Wiederkehr des Bibel- und Monumentalfilms ist indes kein
Zufall. Historisch gesehen entstanden diese Wellen immer an Wendepunkten
der Filmgeschichte: zunächst zu Beginn 1920er-Jahre, als sich das Kino von
der Jahrmarktsattraktion zum Erzählmedium wandelte, in den 1950er-Jahren
unter dem kommerziellen Druck des neuen Massenmediums Fernsehen und heute
als neues Testfeld für das computergenerierte Filmbild.
Scotts Interesse am biblischen Stoff ist eindeutig technologisch. Wie schon
in „Gladiator“ verbindet er eine simple Geschichte mit aufwendigen
Settings, deren Höhepunkt aber lange auf sich warten lässt. Ähnlich wie im
Klassiker „Ben Hur“ springt auch in „Exodus“ der göttliche Funke spät…
die Geschichte über. Die zehn Plagen, die Gott über die Ägypter bringt,
entfalten sich als eine Abfolge imposant in Szene gesetzter Katastrophen,
denen Scott recht unverhohlen ihren göttlichen Ursprung abspricht. So ist
etwa der blutende Nil die Folge von Alligatoren-Angriffen.
## Revival religiöser Filme
Diese prinzipiellen Zweifel gehören zum Programm der neuen
Bibel-Blockbuster; gerade bei Scott ist es mit dem Gottvertrauen nicht weit
her. So spricht Gott zu Moses nicht aus einem brennenden Dornenbusch,
sondern durch den Mund eines verzogenen Bengels, der den Ägyptern ihre
schönen Spielzeuge neidet.
Diese Säkularisierung des Bibelfilms hat handfeste ökonomische Ursachen. So
wie die Ästhetik des Bibelfilms einen Synkretismus aus Realfilm,
Comicverfilmung und Computerspiel eingegangen ist, muss sich die Geschichte
auch auf dem Weltmarkt behaupten. Unterschiedliche religiöse
Befindlichkeiten spielen da, wie der Boykott von „Noah“ in islamischen
Ländern zeigte, eine maßgebliche Rolle und können sich unter Umständen
geschäftsschädigend auswirken, wenn die Produktionskosten wie im Fall von
„Noah“ und „Exodus“ die 130 Millionen-Marke überschreiten.
Auf dem heimischen Markt sieht das etwas anders aus. Kürzlich ermittelte
der Christian News Service in einer Umfrage, dass 49 Prozent der
amerikanischen Christen derzeit ein positives Bild von Hollywood haben. Das
war nicht immer so, hat aber zweifellos mit dem Revival religiöser Filme zu
tun, wozu auch das erbauliche Nahtod-Drama „Den Himmel gibt‘s echt“ (in d…
deutschen Kinos gnadenlos untergegangen) gehört, das vom populären
Kirchenführer T. D. Jakes produziert wurde.
## Verschmelzung von Eskapismus und Ideologie
Der milliardenschwere Philip F. Anschutz mit seiner Produktionsfirma Walden
(„Die Chroniken von Narnia“, „Hüter der Erinnerung – The Giver“) zä…
Jahren zu den wichtigsten Playern in Hollywood. Vor allem aber ist der Boom
ein Grassroots-Phänomen. Heute bilden christlich-fundamentalistische
Gruppierungen informelle Netzwerke, die dafür sorgen, dass obskure
Produktionen wie „Son of God“, eine Kinoversion der Miniserie „The Bible�…
am ersten Startwochenende die zweithöchsten Einspielergebnisse erzielen.
Mit dem jüngsten Hollywood-Boom hat dieses Phänomen nur am Rande zu tun. Es
ist aber auffällig, dass laut einschlägigen Branchenblättern auch eine
Großproduktion wie „Noah“ vom Erstarken evangelikaler Gruppen profitiert.
So verzeichnete Aronofskys Film in religiös geprägten Bundesstaaten (dem
,Bible Belt‘) die meisten Zuschauer. Damit ist nicht zu erwarten, dass die
Welle von „glaubensbasierten“ Filmen in naher Zukunft abreißt. Für das Ja…
2015 sind bereits das Will Smith-Projekt „The Redemption of Cain“, das
Pietà-Biopic „Mary“ und „Last Days in the Desert“ angekündigt.
Zehn Jahre nach Mel Gibsons religiöser Wahnfantasie „Die Passion Christi“
haben der gemäßigte Mainstream und christliche Gruppen wieder gemeinsamen
Grund gefunden. Ihre Beweggründe könnten nicht unterschiedlicher sein: Die
einen erwarten spektakuläre Schauwerte, die anderen göttliche Zeichen.
Unter den Bedingungen des Blockbusterkinos kommen beide auf ihre Kosten. Im
computergenerierten Filmbild verschmelzen Eskapismus und Ideologie.
25 Dec 2014
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Bibel
Religion
Kinofilm
Kino
Superhelden
Schwerpunkt Rassismus
Kirche
Neuseeland
Film
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