# taz.de -- Sandalenfilm-Remake „Ben Hur“: Unverdiente Schmähung | |
> Die Neuverfilmung von „Ben Hur“ gilt als Paradebeispiel für Hollywoods | |
> misslingende Blockbusterstrategie. Obwohl er ein solider Film ist. | |
Bild: Rasant, aber nicht so rasant wie schon einmal: Jack Huston als Ben Hur | |
Viel schlimmer, als grandios abgehängt zu werden und von allen bemitleidet | |
als Letzter über die Ziellinie zu gehen, ist es in manchen Fällen, im | |
Mittelfeld zu scheitern. „Ben Hur“, das Remake, ist so ein Fall. Es ist | |
nicht so, dass die Neuverfilmung des großen Klassikers aus den 50er Jahren, | |
von dem alle nur noch, wenn überhaupt, das „Wagenrennen“ erinnern, eine | |
peinliche Angelegenheit wäre. Nein, in diesem Kinosommer unseres | |
allgemeinen Missvergnügens kann man seine Zeit auch schlimmer vergeuden als | |
in dieser mit 123 Minuten Laufzeit recht bündig angelegten Action-Erzählung | |
über zwei Jugendfreunde aus verschiedenen Ethnien im römischen Imperium. | |
Im Übrigen wäre eine gewisse Peinlichkeit ja geradezu stofftreu, ist doch | |
die Charlton-Heston-Version voll davon, angefangen von der plakativen | |
Oberflächlichkeit, mit der die christliche Botschaft als Glasur einen | |
Technicolor-Monumental-Action-Film überzieht, bis hin zum angeblichen | |
homoerotischen Subtext, der laut einer von Koautor Gore Vidal verbreiteten | |
Anekdote rund um den nicht eingeweihten Charlton Heston inszeniert wurde. | |
Beide Punkte geht die Neuverfilmung mit geradezu postmoderner Frontalität | |
an, was ganz offenbar der kruden Mischung geschuldet ist, die entsteht, | |
wenn eine auf christliche Stoffe spezialisierte Produktionsfirma (zusammen | |
mit MGM und Paramount zeichnen die „Lightworkers Media“ verantwortlich) | |
einen russisch-kasachischen Regisseur beauftragt, den der Erfolg einer | |
russischen Fantasy-Trilogie („Wächter der Nacht“) nach Hollywood zur | |
Realisierung von B-Ware wie „Wanted“ und „Abraham Lincoln Vampirjäger“ | |
gebracht hat. | |
Jesus nämlich, in der 59er Version eine ätherische Gestalt, von der man nur | |
die wunderschöne und sehr hellhäutige Hand sah, wird hier von dem ebenfalls | |
sehr schönen und immerhin weniger hellhäutigen Brasilianer Rodrigo Santoro | |
gespielt, der sogar mehrfach ein paar der überlieferten Sätze sagen darf. | |
Was den homoerotischen Subtext zwischen den alten Freunden Judah Ben Hur | |
und Messala angeht, so wird er einfach weggelassen. | |
## Charaktere als Stichwortgeber | |
Einerseits steht das für die sture Durchsetzung von Heteronormativität, in | |
der Interpretation von Jack Huston und Toby Kebell aber kann man fast auch | |
ein bisschen überwundene Homophobie darin erkennen: Wo damals um Charlton | |
Heston herum die Männer sich physisch nie näher kamen als beim Armedrücken | |
in Gladiatorenmanier, herzen und umarmen sich bei Bekmambetow die beiden | |
Jungs, dass es eine wahre Freude ist. | |
Man könnte den ganzen Film in solchen Einerseits-andererseits-Oppositionen | |
beschreiben: Einerseits macht die neue Version die Handlung ein Stück | |
interessanter, in dem sie den Standesunterschied zwischen dem adligen Judah | |
und dem verwaisten „einfachen“ Römer Messala herausstreicht und zusätzlich | |
den Gegensatz betont, dass der eine zu den Besetzten und der andere zur | |
Besatzungsmacht gehört. | |
So „deckt“ Judah tatsächlich einen „Zealot“, einen jüdischen Partisan… | |
der ein Attentat auf Pontius Pilatus verüben will – und wird nicht wie noch | |
in der Buchvorlage und im Heston-Film nur wegen eines heruntergefallenen | |
Dachziegels zur Galeerenstrafe verurteilt. Andererseits lässt Bekmambetows | |
„Ben Hur“ diesen Autonomiekampfkonflikt, der doch so aktuell noch zu uns | |
spricht, schließlich einfach nur verpuffen. | |
Und so geht es weiter: Was eigentlich gut sein könnte, dass hier weniger | |
Figuren auftauchen, die dafür eine größere Rolle spielen dürfen wie etwa | |
Morgan Freeman als „Wagenrennstallführer“ Ilderim, verläuft ins Leere, we… | |
die Charaktere dann doch nur Stichwortgeber bleiben. | |
## Bescheidene Ambitionen | |
Selbst die um 99 Minuten reduzierte Filmlänge stellt sich als höchst | |
zwiespältiger Pluspunkt heraus: So angenehm es ist, keine ausgedehnte | |
Galeerenqual und kein melodramatisches Händeringen über das | |
Aussätzigenschicksal von Judahs Familienangehörigen sehen zu müssen, so | |
sehr fehlt den einzelnen Aspekten der Geschichte doch der Raum, | |
gewissermaßen der epische Atem, um sich zu entfalten. | |
Aber wie gesagt, all die Mängel addieren sich nicht zu einem verdorbenen | |
Kinoabend. Die Schmäh, die über den Film seit seinem misslungenen Start in | |
den US-Kinos über den Film niedergeht, hat er so nicht ganz verdient. Wofür | |
weder die Schauspieler noch der Regisseur etwas können, ist nämlich, dass | |
„Ben Hur“ nun als Paradebeispiel der misslingenden Blockbusterstrategie | |
Hollywoods herhalten muss. | |
Fast so, als sei dieses Remake nun das eine zu viel. Dabei ist, egal ob man | |
es nun Reboot oder anders nennt, der Rückgriff auf alte Stoffe eines der | |
ältesten Tricks der ganzen Kunstgeschichte. Aber vielleicht muss man mehr | |
damit wollen, als nur „aus Alt mach Neu“. | |
So scheitert Bekmambetows „Ben Hur“ letztlich gerade an der Bescheidenheit | |
seiner Ambitionen, was nirgendwo deutlicher wird als beim natürlich | |
„spektakulären“ Wagenrennen. Dass es auf diese Sequenz ankommt, betont | |
Bekmambetow noch, wenn er seinen Film mit einer kleinen Vorausschau darauf | |
beginnen lässt. Aber das Rennen selbst kann trotz hoher körpermetzelnder | |
Schnittfrequenz nicht mithalten mit der immersiven Magengrubenspannung und | |
Mittendrin-Qualität der alten, nicht umsonst legendären Fassung. | |
1 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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