| # taz.de -- Gysi will Annäherung: Die rot-rot-grüne Seifenblase | |
| > Gregor Gysi schlägt offizielle Gespräche zwischen SPD, Grünen und | |
| > Linkspartei vor – und scheitert. Die Aktion ist ein Lehrstück. | |
| Bild: Selbst den Linken in der SPD und bei den Grünen war Gysis Vorschlag nich… | |
| BERLIN taz | Gregor Gysi hat einen Stein ins Wasser geworfen – und der ist | |
| rasend schnell untergegangen, ohne allzu viele Wellen zu schlagen. Der | |
| Linkspartei-Fraktionschef hatte via Nachrichtenagentur angeregt, dass sich | |
| SPD, Grüne und Linkspartei flügelübergreifend regelmäßig treffen sollen. | |
| Eigentlich ein sinnvoller Vorschlag: Bis jetzt gibt es nur regelmäßige | |
| Meetings zwischen Linkspartei-Realos und linken Grünen und | |
| Sozialdemokraten. Dort ist man sich in vielem einig. | |
| Doch damit Rot-Rot-Grün auch nur von Ferne überhaupt denkbar wird, müssen | |
| sich auch SPD-Rechte wie Fraktionschef Thomas Oppermann und | |
| Linkspartei-Linke wie Sahra Wagenknecht verständigen können. Daran hapert | |
| es. | |
| Dennoch biss Gysi auf Granit. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kanzelte | |
| die Idee als „aberwitzig“ ab. Auch der grüne Parteichef Cem Özdemir, Fan | |
| von Schwarz-Grün, schoss scharf zurück. Das Ganze ist ein typisches | |
| Beispiel für die immer noch gestörte Kommunikation zwischen | |
| Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei. | |
| Ralf Stegner, SPD-Vizeparteichef und Kopf der SPD-Linken, schlägt zwar | |
| einen verbindlicheren Ton als Fahimi an, ist aber ebenfalls ablehnend. | |
| Gysis Vorschlag sei „eher eine PR-Aktion“, so Stegner zur taz. Es gebe | |
| „schon regelmäßige Kontakte auf alle Ebenen. Formalisierte Gespräche auf | |
| Führungsebene sind verfrüht.“ Kurzum: zu viel, zu früh. Eine offizielle | |
| Gesprächsrunde passt nicht ins SPD-Konzept. Denn eine von Parteichef Sigmar | |
| Gabriel abgesegnete rot-rot-grüne Kontaktgruppe brächte die Union auf die | |
| Palme. Vizekanzler Gabriel aber will vor allem Ruhe in der Großen | |
| Koalition. | |
| ## Misstrauen scheint allgegenwärtig | |
| Allerdings sind auch linke Grüne nur leidlich angetan von der Idee. | |
| Christian Ströbele findet Gysis Vorschlag „nicht gerade prickelnd neu“. Es | |
| gebe bereits „Gespräche zu vielen Themen“, bei den Untersuchungsausschüss… | |
| zu den NSU-Morden und der US-Abhörpraxis existiere „sogar eine gute | |
| Zusammenarbeit zwischen Grünen und Linkspartei“. Drei Jahre vor der Wahl, | |
| so Ströbele skeptisch, würden institutionalisierte Gespräche „nicht viel | |
| Sinn“ ergeben. | |
| Ähnlich klingt auch Jürgen Trittin, Ex-Frontmann der Grünen. Der Vorschlag | |
| sei im Prinzip richtig – aber nicht so. „Gysi ist lang genug im Geschäft, | |
| um zu wissen, dass daraus nichts wird, wenn er dies über die Presse | |
| lanciert“, so Trittin zur taz. Auch Linkspartei-Realos wundern sich, dass | |
| der Fraktionschef nicht erst mal persönlich bei SPD und Grünen nachfragte. | |
| Sogar die Linksparteispitze, Bernd Riexinger und Katja Kipping, erfuhr aus | |
| der Zeitung von dem Vorschlag. | |
| Kurzum: Die Aktion hätte, typisch für Gysi, noch eine Spur besser | |
| vorbereitet sein können. Trittin vermutet sogar, dass Gysi „mit seinem | |
| taktischen Manöver“ diese Ablehnung bei Sozialdemokraten und Grünen | |
| provozieren wollte. Also alles eine Finte? Das Misstrauen scheint | |
| allgegenwärtig. | |
| Nur die linke Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger verlangt – trotz | |
| Kritik an der Art von Gysis „PR-Offensive“ –, dass die Grünen entspannter | |
| auf solche Avancen reagieren „Wir sollten das Gesprächsangebot mit klaren | |
| Positionen und der nötigen Gelassenheit annehmen.“ so Bruggger. Was die | |
| junge Parlamentarierin ärgert, ist der doppelte Maßstab der Grünen. | |
| „Führende Realos“ hätten jahrelang ein Ende der „Ausschließeritis“ | |
| gefordert, um Schwarz-Grün zu ermöglichen. Jetzt dürfe man sich Gesprächen | |
| mit der Linkspartei „nicht verweigern“. Das zielt auf Parteichef Özdemir. | |
| ## Typisch für die rot-rot-grüne Nullkommunikation | |
| Das Verhältnis zwischen Rot-Grün und Linksfraktion hat sich normalisiert. | |
| Vor zehn Jahren herrschte noch eine Art Kontaktsperre. SPD-Abgeordnete, die | |
| mit Linksparteikollegen mal ein Bier tranken, wurden damals vom | |
| Fraktionschef wegen dieser Feindberühung zur Rede gestellt. Das ist vorbei. | |
| Auch Sahra Wagenknecht, Frontfrau des linken Flügels, trifft sich hin und | |
| wieder mit grünen Spitzenpolitikerin. Doch im Kern sind die | |
| Abgrenzungsmechanismen die gleichen wie vor zehn Jahren. | |
| „Damit Rot-Rot-Grün eine ernsthafte Möglichkeit wird, muss sich vor allem | |
| die Bundestagsfraktion der Linkspartei ändern. Bei der Europa- und | |
| Außenpolitik ist die teilweise politikunfähig“, so SPD-Mann Ralf Stegner. | |
| Da ist zweifellos etwas dran: Die Mehrheit der Linksfraktion stimmte 2014 | |
| sogar gegen die Beteiligung einer Bundeswehrfregatte an der Vernichtung | |
| syrischer Chemiewaffen. Auch Trittin kritisiert, dass Gysi die Realos bei | |
| den Linken im Regen stehen lasse, anstatt Klärungsprozesse bezüglich | |
| Sektierern anzuschieben. | |
| Dass es ohne Konfrontation mit den Fundis mit Rot-Rot-Grün nichts wird, ist | |
| richtig – aber trotzdem ist das Ganze typisch für die rot-rot-grüne | |
| Nullkommunikation. Alle verlangen immer zuerst von der Gegenseite | |
| Vorleistungen. Wenn die wie immer ausbleiben, ist das die Bestätigung, dass | |
| nichts geht. | |
| Linksparteichef Bernd Riexinger gibt sich jedenfalls not amused über das | |
| negative Echo bei SPD und Grünen. Das sei nicht „geeignet, um ein | |
| sozialökologisches Reformprojekt voranzutreiben“. Die Verantwortung, dass | |
| es für die rot-rot-grüne Annäherung finster aussieht, verortet Riexinger – | |
| kein Wunder – bei SPD und Grünen. Die SPD fahre bei TTIP „einen deutlich | |
| wirtschaftsfreundlicheren Kurs“. Es sei nicht zu erkennen, dass Gabriel & | |
| Co 2017 „ein linkes Reformprojekt anstreben“. Und die Grünen bestünden, so | |
| der Linksparteichef, offenbar aus zwei Parteien – eine wolle Schwarz-Grün, | |
| die andere eine Mitte-links-Regierung. | |
| ## Gysi: Verliebtheit in die Union benebelt das Denken von SPD und Grünen | |
| Das Problem an dieser Art Debatte ist: Eigentlich haben alle mit ihren | |
| Vorwürfen irgendwie recht. Und die Debatte dreht sich immer weiter im Kreis | |
| von Vorwurf und Gegenvorwurf. | |
| Es gibt nur sehr wenige, die Rot-Rot-Grün als Projekt denken – und über die | |
| eigenen Parteiinteressen hinaus. Dazu zählt der pragmatische | |
| Linkspartei-Innenpolitiker Jan Korte. Für Rot-Rot-Grün müssten alle drei | |
| Parteien „ihre Klientel binden“. Deswegen müsse auch die SPD in der Mitte | |
| bleiben und „dürfe nicht so werden wie die Linkspartei“, so Korte. | |
| Ralf Stegner erkennt immerhin an, dass Gysi offenbar „die Weichen Richtung | |
| Rot-Rot-Grün stellen will, bevor er abtritt“. Der Fraktionschef der | |
| Linkspartei ist nach der Ablehnung erst mal bedient. Und antwortet mit | |
| Vorwürfen. „Mir geht es darum, dass alle merken, dass ein Politikwechsel | |
| nicht an der Linkspartei scheitert, sondern an SPD und Grünen. Ihre | |
| Verliebtheit in die Union vernebelt ihr gesamtes Denken und Handeln“, so | |
| Gysi zur taz. Das klingt bitter. | |
| Für Rot-Rot-Grün braucht es offenbar einen langen Atem. Über 2017 hinaus. | |
| 6 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Astrid Geisler | |
| Stefan Reinecke | |
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