# taz.de -- Toter Asylbewerber in Dresden: Verdacht gegen Verdacht | |
> Der Eritreer Khaled Idris Bahray ist tot. Die Polizei macht schwere | |
> Fehler. Und sofort weiß jeder, wer es gewesen sein muss. Rechte wie | |
> Linke. | |
Bild: Hier wurde Khaled Idris Bahray tot aufgefunden | |
DRESDEN taz | Wenn ein Muslim stirbt, wird sein Leichnam mehrmals | |
gereinigt. Es braucht frisches Wasser ohne Seife. Die Leiche wird mit | |
ätherischem Öl gesalbt und in ein Tuch gehüllt. 41-mal wird die 112. Sure | |
des Koran gesprochen: „Er ist Allah, ein Einziger, der ewige Gott, er zeugt | |
nicht und wird nicht gezeugt, und keiner ist ihm gleich.“ | |
So wird an diesem Samstag auch Khaled Idris Bahray auf einem Friedhof in | |
Berlin-Spandau beerdigt werden. Er starb am 12. Januar, kurz vor 21 Uhr, im | |
Hinterhof einer Plattenbausiedlung in Dresden-Neuostra durch drei | |
Messerstiche in Brust und Hals. Bahray wurde 20 Jahre alt. | |
Als Bahray noch ein Kind ist, kommt sein Vater im Krieg zwischen Eritrea | |
und Äthiopien um, seine Mutter flieht mit ihm in den Norden des Sudan. Da | |
ist er fünf. Als er später selber fliehen kann, geht er mit einem Cousin | |
nach Libyen. 2014 steigen sie in ein Boot in Richtung Sizilien. Der Cousin | |
ertrinkt, Bahray kommt nach Dresden und beantragt im September Asyl. | |
Ermordet wird Bahray am Montagabend nach den Anschlägen in Frankreich. Ein | |
Montag, an dem die Pegida-Demonstranten mit ihren Anti-Islam-Bannern mehr | |
Zulauf denn je bekommen hatten. Es ist die größte fremdenfeindliche | |
Mobilisierung der Nachkriegsgeschichte. Sechs Stunden nachdem die Leiche | |
gefunden wird, verkündet ein Dresdner Polizeisprecher, es gebe „keine | |
Anhaltspunkte auf eine Fremdeinwirkung“. | |
## Nicht jetzt, nicht so | |
Auf Twitter und Facebook steigt die Empörungskurve sofort: Das gibt es | |
nicht, schreiben viele. Nicht jetzt, nicht so, nicht in Dresden. Es muss | |
ein rassistischer Mord gewesen sein. | |
Einen Tag später verschickt der Dresdner Oberstaatsanwalt eine | |
Pressemitteilung: „Der 20jährige aus Eritrea starb eines gewaltsamen Todes! | |
Die heutige Obduktion […] hat ergeben, dass er durch mehrere Messerstiche | |
in den Hals- und Brustbereich zu Tode gekommen ist.“ Das Landeskriminalamt | |
beginnt mit der Spurensicherung. Jetzt erst. | |
Für die Skeptiker wirkt es nun, als wollte die Polizei ein | |
fremdenfeindliches Verbrechen vertuschen. Reporter aus England und den USA | |
kommen in die Flüchtlings-WG, in der Khaled Idris Bahray gelebt hatte. Elf | |
Tage lang werden antirassistische Initiativen und linke Politiker dagegen | |
ankämpfen, dass etwas verheimlicht werden könnte. | |
Von Anfang an geht es um mehr als einen jungen Mann, der seine Heimat | |
verlässt, um in Deutschland besser leben zu können – und dort stirbt. Der | |
Fall kann das politische Klima eines ganzen Landes prägen. | |
Hätten die Skeptiker recht und ein Neonazi würde überführt, würde die | |
Pegida sicher mitverantwortlich gemacht. Es könnte das Ende der Montage mit | |
den Anti-Islam-Bannern bedeuten. War es ein Mord unter Migranten, würde | |
sich Pegida wieder als Opfer eines Meinungskartells präsentieren, das | |
solche Wahrheiten unterdrückt. | |
Yonas Endrias gehört zu denen, die der Polizei nicht glauben. Dafür kennt | |
er zu viele Fälle rassistischer Gewalt. Er arbeitet und forscht darüber. | |
Endrias stammt aus Eritrea, war Vizevorsitzender der Internationalen Liga | |
für Menschenrechte und arbeitet jetzt als Dozent in Berlin. Er ist immer | |
etwas atemlos, so schnell spricht er. „Sie machen den gleichen Fehler wie | |
beim NSU“, sagt er jetzt. Viele Afrikaner sterben, ohne dass die Umstände | |
geklärt sind. Gerade in Sachsen vergehe „kein Tag ohne Übergriffe“. | |
## Die Annahme ist plausibel | |
In den ersten Tagen nach Bahrays Tod tauchen auch immer wieder Hinweise | |
auf, die für eine ausländerfeindliche Tat zu sprechen scheinen. Hatten | |
nicht am Abend einer Pegida-Demo Hooligans mit Messern, Schlagstöcken und | |
Elektroschockern junge Migranten in einem Einkaufszentrum angegriffen? | |
Hatte nicht drei Tage vor dem Tod Bahrays sein Sozialarbeiter von der | |
Arbeiterwohlfahrt Anzeige erstattet, weil Hakenkreuze an die Türen der | |
Flüchtlings-WG geschmiert worden waren? Waren über Bahrays Tod in | |
Pegida-nahen Foren nicht Kommentare wie „Einer weniger“ zu lesen? Und | |
hatten nicht auch der NSU 13 Jahre lang vom sächsischen Zwickau aus das | |
Land mit rechtem Terror überzogen, und die Polizei hatte weggesehen? | |
Die Annahme wirkt plausibel. | |
Dienstag, 13. Januar, 8.40 Uhr. In Am Sayad Mahmood ist eine kleine Frau | |
mit großen, braunen Augen, die schon so viele Integrationspreise bekommen | |
hat, dass sie sich einen eigenen Wikipedia-Eintrag gönnt. Sie ist | |
Sozialarbeiterin. An diesem Morgen bekommt sie einen Anruf. Ein Mitarbeiter | |
des Sozialamts ist am Telefon. Die Leiche eines Asylbewerbers sei gefunden | |
worden. Mahmood möge ihn zur Wohnung des Toten begleiten und Trost spenden. | |
Schließlich spricht sie Arabisch. | |
## Getränkt mit Blut | |
Sie habe Angst vor Blut, sagt Mahmood, als sie im Auto sitzen. Es werde | |
schon nicht so schlimm werden, sagt der Mann vom Sozialamt. Um 9.15 Uhr | |
betreten die beiden den Hof des Blocks in der Johannes-Paul-Thilman-Straße. | |
Ein unsanierter Plattenbau an einer Schnellstraße im Außenbezirk, | |
niedrigste Mieten. Ein sozialer Brennpunkt. Auch Nazis wohnen hier. | |
Bahrays Kopf liegt auf einem Betonweg, seine Füße in einem Beet, darüber | |
eine blaue Decke. Der Fundort ist getränkt mit Blut. | |
Zwei Polizisten stehen im Garten, sie tragen Handschuhe, erinnert sich | |
Mahmood. Ein Arzt füllt ein Formular aus. Die Leiche, wird die Polizei | |
später erklären, sei derart blutverschmiert gewesen, dass die Messerstiche | |
nicht zu erkennen waren. Die Fraktur des Schlüsselbeins allerdings schon. | |
Der Arzt kreuzt „unnatürlicher Tod“ an und vermerkt „Tod ohne Anwesende�… | |
und „Unterkühlung oder inneres Verbluten“. | |
„Ist er gesprungen?“, fragt Mahmood. Die Polizisten schweigen. Die Beamten | |
des Kommissariats 11, „Leben, Gesundheit“, lassen die Leiche in die | |
Rechtsmedizin bringen, die Spurensicherung fordern sie nicht an. Gegen | |
10.30 Uhr kommt der Leichenwagen. Mahmood geht mit dem Mann vom Amt in die | |
WG von Khaled Idris Bahray. | |
In vier Räumen wohnten acht Asylbewerber aus Eritrea, alle um die zwanzig, | |
alle sind erst kürzlich nach Deutschland gekommen, keiner kann Deutsch. | |
„Sie standen unter Schock“, sagt Mahmood. Genau wie sie selbst. „Eigentli… | |
hätten wir gemeinsam im Koran lesen sollen, aber das habe ich völlig | |
vergessen.“ | |
Bahray habe um 20 Uhr am Vorabend die Wohnung verlassen, sagen seine | |
Mitbewohner. Er will zum Supermarkt, kommt aber nicht zurück. Als sie ihn | |
anrufen, ist sein Handy aus. Mahmood bietet den Eritreern eine neue Wohnung | |
an. Doch die lehnen ab. Sie mussten schon zu oft weglaufen in ihrem Leben. | |
## Soll er die Polizei als Grüner offen angreifen? | |
Valentin Lippmann ist kaum älter als die jungen Männer in der WG. Mit 24, | |
das Studium noch nicht beendet, ist er schon Fraktionsgeschäftsführer und | |
innenpolitischer Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag. Am Donnerstag, | |
drei Tage nach Bahrays Tod, muss der Polizeipräsident im Innenausschuss des | |
Landtages ihm erklären, warum die Polizei 30 Stunden gebraucht hat, um | |
anzufangen, den Tatort zu untersuchen. Polizei und rassistische Gewalt. In | |
Sachsen ein extrem aufgeladenes Thema. | |
Zu frisch sind die Erinnerungen an den NSU-Skandal. Und trotzdem: Soll | |
Lippmann es wagen, auf Konfrontation zu gehen und die Arbeit der Polizei so | |
offen zu kritisieren, wie der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck es | |
aus dem fernen Berlin getan hat? Der erstattete sogar Anzeige wegen | |
Strafvereitelung im Amt. | |
Was, wenn es am Ende gar keine rassistische Gewalttat war? | |
Eine Woche später sitzt Lippmann, blonde Haare, hellblaues Hemd, in einem | |
Café in der Dresdner Neustadt, wo er aufwuchs, und sagt: „Messerstiche zu | |
übersehen ist theoretisch möglich, das haben mir Mediziner bestätigt.“ Es | |
seien vor allem schwere Kommunikationspannen passiert. Die Polizei habe in | |
der Anspannung den Verdacht eines rassistischen Mordes eben schnell aus der | |
Welt schaffen wollen. Zu schnell. | |
## „Wir haben Angst“ | |
Längst ringen da schon alle um die Deutungshoheit über den Tod Khaled Idris | |
Bahrays. Am Samstag demonstrieren mehr als tausend Menschen in Dresden. Sie | |
bringen Blumen und Kerzen zum Jorge-Gomondai-Platz. Der Mosambikaner wurde | |
1991 von rechten Jugendlichen in einer Dresdner Straßenbahn umgebracht. | |
Auch Yonas Endrias ist da. Mit Freunden beschließt er, eine zweite | |
Obduktion von Bahrays Leichnam zu veranlassen. 3.500 Euro kostet sie. Sie | |
bitten um Spenden. Er beschafft die Vollmacht der Mutter Bahrays, sucht | |
eine Anwältin, die Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft bekommen kann. | |
Endrias will wissen, was im Totenschein steht. | |
Die Polizei nimmt DNA-Proben von den Eritreern, die mit Khaled im Haus | |
gelebt haben. Die schreiben einen offenen Brief: „Täglich haben wir mit | |
Anfeindungen, Aggressionen und tätlichen Angriffen zu tun. Wir haben Angst | |
und brauchen Hilfe. Wir wollen nicht mehr wie Tiere behandelt werden.“ Im | |
Netz empören sich Pegida-Anhänger. „Wir haben Angst“, schreibt einer. | |
„Jetzt frag’ ich mich: Und warum bleiben die dann nicht wo der Pfeffer | |
wächst?!“ | |
Dienstag, 20. Januar, 6.51 Uhr. Der Deutschlandfunk interviewt Ali Moradi, | |
den Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrats. Ausländerhass sei | |
nichts Neues in Dresden. „Aber von Woche zu Woche wird es immer schlimmer“, | |
sagt der Deutschiraner. Pegida habe die Atmosphäre vergiftet. Frauen, die | |
Kopftuch tragen, würden sich nicht mehr vor die Tür trauen. Das Misstrauen | |
gegen die Polizei sei groß. „Manche Schwarzafrikaner sagen: Das ist der | |
nächste Mord, der nicht aufgeklärt werden wird.“ | |
## Angriff auf einen Libyer | |
„Wie zu erwarten“, ist jetzt auf Facebook zu lesen, sei ein Tunesier aus | |
dem „Drogenmilieu der Asylanten“ wegen des Mords an Khaled verhaftet | |
worden. Die Polizei verheimliche das nur. Die Hakenkreuze an der WG hätten | |
„Links-Extremisten“ angebracht. | |
Die Staatsanwalt dementiert: Ein Tunesier sei „nach einer | |
Auseinandersetzung“ vorläufig festgenommen. „Er hat mit dem Tötungsdelikt | |
an dem Asylbewerber aber nichts zu tun.“ | |
Gleichzeitig berichten Lokalzeitungen, dass es in der Nacht, in der Bahray | |
ermordet wurde, einen rassistischen Angriff auf einen Asylbewerber in | |
Dresden gegeben habe. Ein 27 Jahre alter Libyer wurde um 22.30 Uhr im | |
Stadtteil Mickten auf der Straße von fünf Männern in Bomberjacke | |
angesprochen. Sie forderten Zigaretten. Als er keine herausrückte, goss ihm | |
einer der Männer heiße Flüssigkeit aus einer Thermoskanne über Gesicht, | |
Schulter und Arme. Aus Angst hatte der Libyer zunächst keine Anzeige | |
erstattet. | |
Donnerstag, 22. Januar, Vormittag. Die Staatsanwaltschaft hat Bahrays | |
Leiche inzwischen freigegeben. Die Rechtsmedizin der Berliner Charité wird | |
sie am nächsten Tag untersuchen. Yonas Endrias spricht noch schneller als | |
sonst: „Sie sollen auch eine Computertomografie machen.“ So lassen sich | |
innere und postmortale Verletzungen besser feststellen. Genauso hat die | |
Gruppe um Endrias schon Verletzungen am Leichnam des Afrikaners Oury Jalloh | |
feststellen lassen, der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. | |
Amtsärzte hatten sie übersehen. | |
## Politisches Minenfeld | |
In Dresden nieselt es, über der Fassade des Zwingers hängt ein Transparent: | |
„18 Häuser voller Ausländer, unser ganzer Stolz“. Gemeint sind die Expona… | |
in den städtischen Museen. Am Montag soll Herbert Grönemeyer ein | |
Gratiskonzert vor der Frauenkirche geben, um Pegida das Publikum | |
abzuwerben. | |
Albrecht Pallas ist 34 und schon der höchste Innenpolitiker der sächsischen | |
SPD. Pallas, Vollbart, jungenhaftes Gesicht, trägt Halstuch zum Jackett und | |
war bis vor einem Jahr selbst Kommissar im Dezernat „Leben, Gesundheit“. | |
Jetzt muss er seine ehemaligen Kollegen kontrollieren. Er bewegt sich in | |
einem politischen Minenfeld. Der Mord sei „ein Schock“ gewesen, postet er | |
auf seiner Website, „für uns alle schwer zu verarbeiten“. Doch er bitte um | |
„Besonnenheit“. | |
Donnerstagnachmittag tagt im Kulturrathaus der Stadtrat, in dem Pallas auch | |
sitzt. In der Pause geht er zum Rauchen raus, es nieselt immer noch, er | |
sucht sein Feuerzeug. „Das war natürlich grottenschlecht“, sagt er über d… | |
„extrem unsensible“ Kommunikation seiner Exkollegen. Dass die Polizei erst | |
nach der Obduktion „mit dem großen Besteck“ am Tatort angerückt sei, sei | |
als Ermessensentscheidung vertretbar. „Sie hätten dann nur sagen sollen, | |
dass die Kommunikation am ersten Tag rückblickend ein Fehler war.“ Als er | |
sich die zweite Zigarette angezündet hat, nimmt ihn ein Fraktionskollege | |
zur Seite. „Weißt du, was gerade über die Ticker läuft?“ | |
## Motiv unklar | |
DNA-Analysen an einem Messer haben Übereinstimmungen mit Proben von Bahrays | |
Zimmergenossen Hassan S. ergeben, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Der 26 | |
Jahre alte Mitbewohner wurde am Morgen um 7 Uhr zum Verhör ins | |
Polizeipräsidium gebracht. Am frühen Nachmittag gesteht er die Tat. Es ist | |
unklar, ob Eifersucht oder Streit um den Haushalt das Motiv war. | |
„Das wird die Debatte um Pegida und Fremdenhass natürlich verändern“, sagt | |
Pallas. Und das könne ein Problem sein. „Denn die rechten Übergriffe in der | |
Stadt nehmen in jedem Fall zu, das registrieren wir.“ | |
Es dauert keine Stunde, da zeigt sich, wie schnell sich eine Debatte drehen | |
kann. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer verlangt von dem | |
Grünen Volker Beck eine Entschuldigung: „Dieser Vorgang und die | |
Demonstrationen zeigen, welche Stereotype und Vorurteile es gegenüber | |
Ostdeutschen gibt“, sagt Kretschmer. Auch der Flüchtlingsrat soll sich | |
entschuldigen. | |
## 1,5 Betreuerstellen | |
Donnerstag, 22. Januar, abends. Das Spike ist ein Jugendzentrum im Keller | |
der Schule für Erziehungshilfe in Dresden-Prohlis. Die Stelle, an der | |
Bahray starb, ist nur ein paar Schritte entfernt. Nach dem Mord sind die | |
Spike-Mitarbeiter zu der WG der Eritreer gegangen und haben sie eingeladen. | |
„Was die brauchten, war jemand, der mit ihnen redet“, sagt ein | |
Sozialarbeiter. „Die sitzen wochenlang in der Wohnung und schlafen den | |
ganzen Tag, ohne Kontakt zur Außenwelt.“ Etwa 200 Asylbewerber leben in | |
Prohlis, 1,5 Betreuerstellen gibt es für sie, einer ist derzeit krank. Die | |
Flüchtlinge, oft sehr jung, teils traumatisiert, sind sich selbst | |
überlassen. | |
Crystal Meth, sagen hier alle, ist in Prohlis günstig und sehr verbreitet. | |
Auch im Blut Khaled Idris Bahrays fanden sich laut Obduktionsbericht „große | |
Mengen“ Drogenrückstände. | |
Nach seinem Tod richten die Spike-Leute den Flüchtlingen einen offenen | |
Treffpunkt mit Internetcafé ein. Sie öffnen häufiger. Vergangene Woche | |
kamen die Eritreer jeden Tag hierher. Nur die Mitbewohner Bahrays fehlen | |
gerade. Sie sind noch im Polizeipräsidium. | |
## „Was willst du hier?“ | |
Abdul Mohamed und seine Freunde sitzen vor den Rechnern im Flur und schauen | |
Bollywoodvideos. Auch er ist Eritreer, 20, seit Kurzem in Dresden. Als | |
Mohamed erfährt, dass es einer ihrer Freunde war, der Bahray wohl | |
umgebracht hat, starrt er eine ganze Weile auf den Monitor mit der | |
deutschen Nachrichtenseite, die er nicht versteht. „Wir hatten die ganze | |
Zeit Angst, es könnte noch jemand getötet werden“, sagt er dann. Die Leute | |
fragen: Was willst du hier? Sie sagen: Fick dich, Nigger. „Und wenn sie | |
betrunken sind, spucken sie vor dir auf den Boden.“ Dass einer von ihnen | |
selbst der Mörder sein soll, muss er noch verarbeiten. | |
Freitag, 23. Januar. „Wir haben das zur Kenntnis genommen,“ sagt Yonas | |
Endrias. Das Ermittlungsergebnis ist jetzt in allen Medien. Bahrays Leiche | |
liegt mittlerweile auf dem Autopsietisch der Berliner Rechtsmedizin. „Es | |
war für uns klar, dass wir das trotzdem machen“, sagt Endrias. „Wir wollen | |
sicher sein, dass die Polizeiangaben stimmen.“ In zwei Wochen soll die | |
Anwältin die Akten einsehen können. | |
„Das haben wir Schlechtmenschen doch gleich gesagt, dass das ein anderer | |
Asylbewerber war und dass es um Drogen ging“, schreibt eine | |
Pegida-Anhängerin auf Facebook. Sie wollen diesmal am Sonntag | |
demonstrieren. | |
Am Freitagnachmittag kommen Bahrays Mitbewohner in Berlin an. Es fällt | |
ihnen immer noch schwer, zu glauben, was sich am Vorabend herausgestellt | |
hat. „Wir werden darüber sehr intensiv sprechen“, sagt Endrias. Wenn sie | |
Khaled Idris Bahray begraben haben. | |
23 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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