| # taz.de -- Großbritannien vor der Wahl: Die „grüne Woge“ | |
| > Sind die Grünen die einzig wirklich linke Partei in Großbritannien? Ihre | |
| > Mitgliedszahlen steigen. Auch, weil sie noch an soziale Gerechtigkeit | |
| > glauben. | |
| Bild: Wahlkampfplakate der Grünen in London | |
| BERLIN taz | Wenn Perdita Blickhorn im Londoner Viertel Islington Flyer der | |
| britischen Grünen verteilt, bleiben neuerdings mehr Menschen stehen: „Ich | |
| glaube, die Leute haben langsam verstanden, dass wir keine baumumarmenden | |
| Hippies sind.“ | |
| Die 18-Jährige ist vor wenigen Monaten in die Grüne Partei von England und | |
| Wales eingetreten. Die älteste grüne Partei Europas, 1972 gegründet, ist | |
| für viele zur Partei der Hoffnung geworden. Gerade bei jungen Wähler ist | |
| sie die beliebteste Partei nach den Konservativen. | |
| Die Zahl der Mitglieder hat sich binnen einem Jahr verdoppelt. Mehr als | |
| 44.000 sind es seit letzter Woche, und damit mehr als bei der | |
| rechtspopulistischen Ukip. Ein eigenes Schlagwort kursiert momentan für den | |
| Aufschwung der Grünen: green surge, die grüne Woge. Und sie scheint | |
| weiterzurollen: Ende Januar meldete der Ashcroft Poll, dass die Grünen bei | |
| 11 Prozent stehen, ein Höchststand. | |
| Neil Carter, einer der wenigen Forscher, der sich mit den Grünen befasst, | |
| hält diese Zahl für zu hoch gegriffen, räumt aber ein: „Dass so viele | |
| Menschen jetzt Mitglied werden, ist ein starkes Signal.“ Eine | |
| Mitgliedschaft sei ein deutliches politisches Bekenntnis, „stärker noch als | |
| eine bloße Stimmabgabe“, erläutert der Akademiker aus York. | |
| ## „Die einzige linke Partei Englands“ | |
| Dabei sind es weniger die Umweltthemen als die klare linke Haltung, die | |
| viele überzeugt. „Die Grünen sind die Einzigen, die noch an soziale | |
| Gerechtigkeit glauben“, findet George Houghton. | |
| Er sei eigentlich Labour-Anhänger gewesen, aber enttäuscht worden von den | |
| wechselhaften Aussagen des Parteiführers Ed Miliband, erzählt der | |
| 19-jährige Geschichtsstudent. 2012 ist er bei den Grünen Mitglied geworden. | |
| Damals lebte er in Brighton, einer Hochburg der Partei in England. 2010 kam | |
| es hier zur Sensation, als Caroline Lucas als erste Grüne ins Parlament | |
| nach Westminster gewählt wurde – dem britischen Mehrheitswahlsystem zum | |
| Trotz. | |
| „Ich kannte die Grünen vorher kaum, aber als ich sie direkt vor der Nase | |
| hatte, habe ich gemerkt, dass sie die zurzeit einzige wirklich linke Partei | |
| Englands sind“, sagt Houghton. Um in Großbritannien ins Parlament | |
| einzuziehen, benötigen Kandidaten die Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis – | |
| ähnlich der deutschen Erststimme. Die Chancen für Kandidaten kleiner | |
| Parteien sind gering, eine Zweitstimme gibt es nicht. | |
| Benali Hemdache, Jamie Pelling oder Ida Holmane, die bei den Young London | |
| Greens, der Jugendorganisation, aktiv sind, geht es wie Houghton nicht in | |
| erster Linie um Umweltthemen: Blickhorn betont: „Natürlich ist die | |
| Umweltpolitik wichtig, das ist ein Thema, das andere Parteien so nicht auf | |
| dem Schirm haben. Aber die Grünen bieten noch viel mehr.“ | |
| ## Klare ökosozialistische Position | |
| Zum Beispiel die Steigerung des Mindestlohns auf 10 Pfund (rund 13 Euro) | |
| pro Stunde, ein klares Nein zu den horrenden Studiengebühren sowie zur | |
| Privatisierung des staatlichen Gesundheitswesens. „Mir gefällt ihre | |
| eindeutige ökosozialistische Position“, erklärt Blickhorn. Houghton stimmt | |
| zu: „Gerade die wirtschaftlichen Konzepte der Partei finde ich nachhaltig | |
| und durchdacht.“ | |
| Was viele der jungen Grünen zudem eint: Fast alle haben zuvor mit anderen | |
| Parteien sympathisiert. Manche, wie Benali, waren zuvor bei den liberalen | |
| Demokraten, andere wie Pelling, Blickhorn oder Houghton haben Labour | |
| gewählt. „Es sind viele Desillusionierte, die zu uns kommen“, meint | |
| Hemdache. | |
| Noch ist unklar, inwiefern sich die „grüne Woge“ in Parlamentssitzen | |
| niederschlagen wird: „Vielleicht schaffen sie es, ein oder zwei neue Sitze | |
| dazuzugewinnen, das wäre das realistische Maximum in unserem Wahlsystem“, | |
| schätzt der Politikwissenschaftler der Uni York. | |
| 5 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Leimbach | |
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