| # taz.de -- Misshandlungen von Kindern: Das Recht auf Leben | |
| > Derzeit werden Kinder im Grundgesetz nur als Objekt ihrer Erziehung | |
| > erwähnt. SPD, Linke und Grüne wollen das ändern – vor allem aus optischen | |
| > Gründen. | |
| Bild: Hier wohnte der zweijährige Kevin. Er starb 2006 in Bremen aufgrund schw… | |
| FREIBURG taz | Kinderrechte sollen ins Grundgesetz aufgenommen werden, das | |
| fordern SPD, Grüne und Linke. Doch würde sich dadurch im Verhältnis von | |
| Jugendämtern und Eltern wirklich etwas verändern? | |
| Derzeit heißt es im Grundgesetzartikel 6, der Ehe und Familie schützt: | |
| „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und | |
| die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die | |
| staatliche Gemeinschaft.“ | |
| Auf den ersten Blick werden hier also nur die Eltern als Inhaber von | |
| Rechten genannt. Kinder werden nur als Objekt ihrer Erziehung erwähnt. Aus | |
| diesem Befund entstand die Forderung, Kinderrechte ausdrücklich in Artikel | |
| 6 zu verankern. Für viel Druck sorgt hier das Aktionsbündnis Kinderrechte, | |
| dem unter anderem Unicef und der Deutsche Kinderschutzbund angehören. | |
| In der Folge haben ab 2012 mehrere Fraktionen im Bundestag Anträge auf | |
| Ergänzung des Grundgesetzes eingebraucht, zunächst die Linken, dann die | |
| Grünen und im April 2013 auch die SPD. Die Formulierungen ähneln sich. Im | |
| SPD-Antrag wird unter anderem folgender Satz vorgeschlagen: „Jedes Kind hat | |
| ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf | |
| gewaltfreie Erziehung und den besonderen Schutz vor Gewalt, | |
| Vernachlässigung und Ausbeutung.“ | |
| ## „Reine Symbolgesetzgebung“ | |
| Doch die CDU/CSU lehnt eine derartige Verfassungsänderung als reine | |
| „Symbolgesetzgebung“ ab. So etwas sei „nicht geeignet, das Vertrauen der | |
| Bürger in die Rechtsordnung und unsere Verfassung zu erhöhen“. | |
| Tatsächlich haben Kinder natürlich heute schon Grundrechte, denn die Rechte | |
| des Grundgesetzes, zum Beispiel das Recht auf Leben, Gesundheit oder freie | |
| Entfaltung der Persönlichkeit, sind nicht auf Erwachsene beschränkt. Damit | |
| verbunden sind auch entsprechende Schutzpflichten des Staates. | |
| Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht das Kindeswohl in | |
| seiner Rechtsprechung stets sehr betont. | |
| Das erkennen auch die Anträge auf Grundgesetzänderung an. Dort heißt es zur | |
| Begründung, man wolle die Kinderrechte „klarstellen“ oder „verdeutlichen… | |
| Die SPD will das „optische Ungleichgewicht“ beseitigen. Mit einem „Recht | |
| auf Beteiligung“ sollen zudem Garantien aus der UN-Kinderrechtskonvention | |
| aufgenommen werden, die aber in Deutschland ohnehin gilt. | |
| ## Schwesig will mehr | |
| Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ist das nicht genug. Sie ist in | |
| der aktuellen Bundesregierung die stärkste Verfechterin einer | |
| Grundgesetzänderung. Und wenn es nach ihr geht, sollen die Kinderrechte | |
| mehr sein als gut aussehende Verfassungssymbolik. „Wir erleben leider immer | |
| wieder, dass bei Misshandlungen und Vernachlässigungen am Ende doch das | |
| Elternrecht höher bewertet wird als das Kinderrecht. Hätten wir die | |
| Kinderrechte im Grundgesetz, wäre das anders.“ | |
| Schwesig hat zwar noch keinen eigenen Formulierungsvorschlag vorgelegt, | |
| aber ihr Ziel kann sie nur erreichen, wenn sie das Elternrecht schwächt und | |
| das staatliche Wächteramt stärkt. Damit steht sie jedoch im Gegensatz zum | |
| Entwurf der SPD, der eine „Verschiebung“ zwischen Elternrecht und | |
| staatlichen Eingriffsmöglichkeiten gerade ausschließen will. | |
| Berücksichtigen müsste Schwesig zudem die bisherige Rechtsprechung des | |
| Bundesverfassungsgerichts. Bei Entscheidungen, ob ein Kind aus der Familie | |
| genommen wird, wägt Karlsruhe nicht einfach Elternrecht und Kindeswohl ab. | |
| Es hat zudem auch ein Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch die | |
| eigenen Eltern postuliert. Die Richter gehen davon aus, dass in aller Regel | |
| Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen | |
| Person oder Institution. Deshalb entspreche es grundsätzlich dem | |
| Kindeswohl, wenn sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern befindet. Nur bei | |
| einer erheblichen Gefährdung spreche das Kindeswohl dafür, das Kind von | |
| seiner Familie zu trennen. | |
| 3 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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