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# taz.de -- Wettbewerb Berlinale 2015: Im gelben Haus
> Die katholische Kirche bildet in Chile eine Parallelgesellschaft. Davon
> erzählt Pablo Larraín in „El Club“ im Gewand einer Kriminalstory.
Bild: Szene aus „El Club“ von Pablo Larrain.
Fünf ältere Herren und eine Dame bekommen Besuch. Sie leben in einem gelben
Haus auf einer Anhöhe an der chilenischen Küste. Das Dorf ist klein und
schrottig, der Winter feucht und kühl. So richtig hell wird es hier
hunderte Kilometer südlich von Santiago de Chile um diese Jahreszeit nicht.
Die Fischer bringen bei fahlen Licht ihren Fang ein, ein Mann trainiert
einen Windhund am Strand. Pablo Larraín dreht diesen Spielfilm
grundsätzlich in Dämmerlicht.
Der Hundetrainer ist einer der Männer aus dem gelben Haus. Zusammen mit den
anderen Bewohnern lässt er den Windhund an örtlichen Rennveranstaltungen
teilnehmen. Er gewinnt und ist in diesem eher trostlosen Ambiente Stolz und
Herz der Bewohner des gelben Hauses. Doch dann taucht ein bärtiger Mann
auf: Er ist wie die anderen in dem Haus, wie sich nun herausstellt, ein
gefallener Priester, der hier von den Kirchenoberen geparkt werden soll.
In seinem Schlepp befindet sich einer seiner ehemaligen Zöglinge, der schon
bald und in aller Öffentlichkeit vom Missbrauch durch den neu angekommenen
Pater lauthals Zeugnis gibt. Dahin ist die Ruhe. Der neu Angekommene kriegt
von einem der anderen gefallenen Priester eine Pistole in die Hand gedrückt
– und dies ist auch erst der furiose Auftakt von Pablo Larraín
Spielfilmdrama „El Club“.
Der Tod des einen Priesters wird in der Folge interne Ermittlungen durch
einen anderen nach sich ziehen. Die Kirchenbehörde wird Pater García (von
Marcelo Alonso so charismatisch wie doppelbödig männlich verkörpert) an
diesen Ort an der chilenischen Pazifikküste schicken.
Larraín wählt für seine Filmerzählung das Mittel einer
Kriminaluntersuchung, um so nach und nach hinter die Kulissen des gelben
Hauses und dessen Bewohner blicken zu lassen. Pater García wird
herausfinden, was hier und vor allem warum es geschah. Aber soll er das
wirklich, und zu welchem Zweck? Denn hier ermittelt schließlich nicht die
Polizei, kein Privatdetektiv sondern ein Jesuitenpriester – in der
Tradition bester chilenischer Parallelgesellschaft selbst.
## Skandale und Prominenz
Larraín wagt sich nach seinem für den Oscar nominierten Film „!No!“ mit �…
Club“ an ein für das konservative Chile bis heute heikles und ernstes
Thema: den Missbrauch Schutzbefohlener durch eine moralisch rückständige
katholische Kirche. Die chilenische Gesellschaft wurde und wird immer
wieder durch entsprechende Skandale erschüttert, die auf konservativer
Seite auch ihre prominentesten Mitglieder betrafen.
Larraín geht es aber weniger um die stellvertretende Anklage einiger
weniger sehr Prominenter. Es geht ihm um das Prinzip des „Clubs“, der wie
selbstverständlich und dabei komplett weltlich erscheinend, es versteht,
sich auch die abtrünnigen Einzelnen erneut einzuverleiben, um sich so nach
außen immer und immer wieder zur inneren Gemeinschaft zu verschwören.
Selbst wenn es da am Ende keinen Platz für Windhunde mehr gibt. Wie sagte
Padre García doch: „Der Hund macht dich zum Tier.“
10 Feb 2015
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Missbrauch
Katholische Kirche
Chile
Papst Franziskus
Wim Wenders
Film
Palästina
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