| # taz.de -- Islamische Friedhöfe in Berlin: „Die ewige Ruhe gibt es hier nic… | |
| > Immer mehr Muslime lassen sich in Berlin beerdigen. Der Platz auf den | |
| > Friedhöfen wird deswegen knapp, klagen Vertreter von Ditib. | |
| Bild: Ziemlich voll hier: islamischer Friedhof in Neukölln. | |
| taz: Frau Karaduman-Cerkes, Herr Kücük: Sind Tod, Sterben, Beerdigung | |
| Themen, über die Muslime miteinander reden? | |
| Süleyman Kücük: Der Tod ist im muslimischen Alltag ein ganz normales Thema. | |
| Es gibt ja fast täglich Sterbefälle unter uns und die Gemeinde betreut dann | |
| den weiteren Prozess. | |
| Wie sieht der aus? | |
| SK: Zunächst erfolgen die Leichenwaschung und das Totengebet, dann die | |
| Begleitung auf dem letzten Weg, zur Beerdigung. | |
| Täuscht der Eindruck, dass Muslime Friedhöfe eher meiden, als unheimliche | |
| Orte sehen? | |
| Gülhanim Karaduman-Cerkes: Ängste sehe ich eher bei Menschen, deren Glaube | |
| nicht so gefestigt ist. Als religiöser Mensch bereitet man sich vielleicht | |
| mehr auf den Tod vor, auch mit den Taten, die man hier in der Welt begeht. | |
| Man möchte ja in den Himmel kommen. | |
| SK: In islamischen Ländern sind die Friedhöfe in der Regel im Stadtzentrum | |
| und man sollte sich nicht davor scheuen, die Friedhöfe zu besuchen. Auch | |
| der Prophet hat empfohlen: Diejenigen, die an den Tag der Auferstehung | |
| glauben, sollen ihre Verstorbenen besuchen und sich ihrer annehmen. Das | |
| bedeutet auch, für die Verstorbenen zu beten – auf dem Friedhof, aber auch | |
| außerhalb. An den islamischen Feiertagen werden deshalb traditionell die | |
| Gräber der Verstorbenen aufgesucht. Und viele Menschen gehen jeden Freitag | |
| zu den Gräbern ihrer Angehörigen. | |
| GKC: Hier in Berlin ist das Problem, dass es nur zwei islamische Friedhöfe | |
| gibt, in Neukölln und in Gatow. Das bedeutet für viele Menschen weite Wege. | |
| Deshalb gehen sie vielleicht nicht so oft auf den Friedhof, wie es | |
| eigentlich sein sollte. | |
| Wie ist denn im Islam die Vorstellung vom Sterben, was passiert mit Körper | |
| und Geist? | |
| SK: Beim Tod trennt sich die Seele vom Körper und steigt empor in die | |
| Dimension, wo die Seelen gesammelt sind. Der Körper zerfällt und geht in | |
| die Erde über. Das entspricht der essenziellen islamischen Vorstellung, | |
| dass wir von der Erde kommen und wieder zu Erde werden. Deshalb gibt es zur | |
| Erdbestattung keine Alternative im Islam. Kein Leichnam darf verbrannt | |
| werden. Denn auch wenn die Seele nicht mehr im Körper ist, ist der Körper | |
| immer noch als eine Leihgabe Gottes zu verstehen. Nach dem Tod sind die | |
| nahen Angehörigen dafür verantwortlich, dass er ehrenvoll und ohne Schaden | |
| zu nehmen beerdigt wird. | |
| Dieser Ort, wo die Seelen versammelt sind: Was passiert dort? Wo ist der? | |
| SK: Die Vorstellung vom Jenseits beinhaltet, dass die Seele, nachdem sie | |
| sich vom Körper getrennt hat, sich an einem Ort befindet, den wir nicht | |
| verorten können. Es gibt im Jenseits weder unsere irdischen Koordinaten | |
| noch gibt es Zeit. Wir wissen nur, wie uns der Koran verrät, dass im | |
| Jenseits auf diejenigen, die an den Tag des Jüngsten Gerichts glauben und | |
| zu Lebzeiten gute Taten verrichteten, etwas Gutes, göttliche Gaben warten. | |
| Was das ist, wissen wir aber nicht und können es uns mit unseren | |
| diesseitigen Mitteln nicht vorstellen. | |
| Wenn es im Jenseits keine Zeit gibt – wann ist das Jüngste Gericht? Gibt es | |
| das Paradies also noch gar nicht? | |
| SK: Es gibt erst dann eine Wiederauferstehung, wenn alle Menschen gestorben | |
| sind. Was macht die Auferstehung sonst für einen Sinn, wenn da eine halbe | |
| Million Menschen noch lebten? Erst wenn alle gestorben sind, werden die | |
| Seelen zu ihren Körpern zurückgebracht. Dann werden sie auferstehen und zur | |
| Rechenschaft gezogen. | |
| In Berlin wird der Platz auf den islamischen Grabfeldern knapp – woran | |
| liegt das? | |
| GKC: Immer mehr Muslime lassen sich hier beerdigen – weil sie ihr ganzes | |
| Leben hier verbracht haben, die Familie hier ist. Man gehört zu Berlin und | |
| will sich nicht mehr in der Türkei beerdigen lassen wie noch viele der | |
| ersten Generation. Gerade weil man ja möchte, dass die Familie, die Kinder | |
| und Enkelkinder auch mal die Grabstätte besuchen können. Zum Grab meines | |
| Großvaters in Erzurum komme ich eben nur selten. Deshalb möchte ich auch, | |
| dass meine Eltern hier beerdigt werden. | |
| Möchten Ihre Eltern das auch? | |
| GKC: Da muss ich noch Überzeugungsarbeit leisten. | |
| Warum sind sie nicht überzeugt? | |
| GKC: Sie fürchten, dass wir, ihre Nachkommen, Deutschland wieder verlassen | |
| könnten – und dann hier niemand mehr ist, der sich um ihre Gräber kümmert. | |
| Für wie viele Menschen bieten die zwei Friedhöfe in Neukölln und Gatow noch | |
| Platz? | |
| GKC: Neukölln ist bereits voll, und in Gatow sind auch nicht mehr viele | |
| Plätze. Es ist höchste Eisenbahn, dass neuer Platz geschaffen wird. | |
| Hängt das damit zusammen, dass muslimische Gräber nicht nach 20 oder 30 | |
| Jahren neu belegt werden wie viele Gräber auf christlichen Friedhöfen? | |
| SK: Nein. Religiösen Vorschriften entsprechend ist das zwar so: Grabstätten | |
| muslimischer Verstorbener sind ewige Ruhestätten. Wer gestorben ist, bleibt | |
| im Grab bis zur Auferstehung. | |
| GKC: Aber diese Möglichkeit haben wir auf den Friedhöfen hier nicht. Wer | |
| hier beerdigt wird, kauft sein Grab für eine befristete Zeitspanne, wie das | |
| hier üblich ist. Die ewige Ruhe gibt es hier für Muslime nicht. | |
| Es gibt zunehmend freie Flächen auf christlichen oder ehemals christlichen | |
| Friedhöfen. Könnten die zu islamischen Friedhöfe umgewidmet werden oder | |
| gibt es religiöse Skrupel? | |
| SK: Ich persönlich halte es für keine gute Idee, wenn Menschen dort | |
| bestattet werden, wo zuvor bereits andere beerdigt wurden. | |
| Das hat aber nichts damit zu tun, dass das Christen waren? | |
| SK: Nein. Wir fänden es aber besser, wenn Muslime neue Flächen als | |
| Friedhöfe bekämen. | |
| Wollen Sie Flächen ankaufen? | |
| SK: Das überlegen wir noch. | |
| GKC: Am Columbiadamm besteht jedenfalls keine Chance zur Erweiterung. Die | |
| Idee der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, den muslimischen Friedhof | |
| auf das Tempelhofer Feld auszudehnen, ohne ihn durch eine Mauer zu sichern, | |
| ist inakzeptabel. Da könnte dann ja jeder drauf und randalieren. | |
| Während auf islamischen Friedhöfen der Platz knapp wird, sind viele | |
| christiliche Friedhöfe verwaist: Wie geht die Stadt damit um? Dies ist das | |
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| 14 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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