| # taz.de -- Prostitutionsgesetz in Deutschland: Sex soll Privatsache bleiben | |
| > Zum besseren Schutz von Prostituierten plant die Regierung eine | |
| > Meldepflicht. Diese verstoße gegen den Datenschutz, warnen Experten. | |
| Bild: Wer hinter diesen Fenstern arbeitet, soll dies auch in Zukunft ohne Regis… | |
| BERLIN/AMSTERDAM taz | Sind alle Huren registriert, wird es auch keine | |
| illegale Prostitution und keinen Menschenhandel mehr geben. So die Hoffnung | |
| der Bundesregierung, die Anfang Februar die Grundzüge eines neuen Gesetzes | |
| zum Schutz der Prostituierten beschlossen hat. | |
| Demnach sollen sich Prostituierte künftig alle zwei Jahre neu anmelden und | |
| den Nachweis über die Anmeldung auf Verlangen gegenüber Behörden vorlegen. | |
| Der Vorschlag erntete gemischte Reaktionen, insbesondere die | |
| Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel befürchteten eine Verdrängung | |
| ihrer Klientel in die Illegalität, wo sie nicht mehr erreichbar wäre. | |
| Diese Sichtweise untermauert nun der Koordinierungskreis gegen | |
| Menschenhandel (KOK) mit einer Expertise von DatenschutzexpertInnen. Ihrer | |
| Einschätzung zufolge wirft die Anmeldepflicht für Prostituierte erhebliche | |
| datenschutzrechtliche Probleme auf. | |
| Es handele sich bei Erhebungen über Sexarbeit nämlich um besonders | |
| „sensible Daten“ im Sinne des Artikels 8 der Datenschutzrichtlinie der EU, | |
| argumentieren die AutorInnen in der Studie, die am Dienstag veröffentlicht | |
| wird und der taz vorab vorliegt. Genauso wie Angaben über ethnische | |
| Herkunft oder politische Meinungen sind jene zur Gesundheit und eben auch | |
| zum Sexualleben durch Artikel 8 besonders geschützt. | |
| ## Ein Faltblatt hilft nicht | |
| „Wir würden doch auch nicht andere Gruppen wie Lesben oder Schwule in einer | |
| Datei registrieren, um sie vor homophoben Übergriffen zu schützen“, | |
| argumentiert die Koautorin der Studie, Bärbel Heide Uhl, gegenüber der taz. | |
| „Das hat mit Fürsorge nichts zu tun, es verstärkt nur die Stigmatisierung.�… | |
| Uhl glaubt nicht, dass man durch eine Meldepflicht die Opfer von | |
| Menschenhandel besser erreicht. „Verbrechensopfer brauchen Anonymität“, so | |
| Uhl. Betroffenen von Menschenhandel sei auch nicht durch ein Gespräch und | |
| ein Faltblatt zu helfen. Es brauche eine lange Phase des Vertrauensaufbaus, | |
| die nur Fachberatungen leisten könnten. | |
| Ausnahmen von der EU-Datenschutzrichlinie sind nur „aus Gründen eines | |
| wichtigen öffentlichen Interesses“ möglich. Eben dieses hatte der | |
| niederländische Innenminister geltend gemacht, der 2011 ebenfalls eine | |
| Meldepflicht für Prostituierte einführen wollte. Doch der niederländische | |
| Senat hatte daran im Sommer 2013 erhebliche Zweifel: mit deutlicher | |
| Mehrheit lehnte er den entsprechenden Teil eines neuen | |
| Prostitutionsgesetzes ab. | |
| Eine Frage, mit der sich die Senatoren beschäftigten, war, ob Prostitution | |
| als privates und damit besonders schützenswertes Sexualleben zu werten sei | |
| oder als Beruf. Allerdings sind Beruf und Privatleben in der europäischen | |
| Rechtssprechung oft nicht einfach zu trennen. | |
| ## Freier soll Anmeldung per SMS prüfen | |
| Widersprüchlich war auch, dass Daten zur Frequentierung von | |
| SexarbeiterInnen sensibel sein sollten, während dies für die Tatsache, | |
| Sexarbeiterin zu sein, nicht gelten solle. War also ein Eingriff in diese | |
| Schutzsphäre gerechtfertigt? Daran bestanden Zweifel: Der Nutzen der | |
| Registration sei „unbewiesen“, und es sei fraglich, ob die Umsetzung | |
| juristisch machbar sei, hieß es. | |
| Der Senat schloss sich zudem der Skepsis vieler ExpertInnen an, ob die | |
| Anmeldepflicht ein geeignetes Mittel sei, um gegen Missstände in der | |
| Sexbranche vorzugehen. Die Kritik konzentrierte sich vor allem auf zwei | |
| Aspekte: die Registrierung bei der zuständigen Kommune und die damit | |
| verbundene Speicherung von Ausweis-, Telefon- und Steuernummer in einer | |
| landesweiten Datei. Sowie die „Pflicht zur Vergewisserung“. Freier sollten | |
| demnach per SMS überprüfen, ob die Frau ihres Begehrs angemeldet sei. | |
| Innerhalb der Branche wurde der Plan generell weithin abgelehnt. Die heute | |
| nicht mehr aktive [1][//www.rodedraad.nl/:Prostituiertenvertretung De Rode | |
| Draad] verwies auf eigene Recherchen, wonach Prosituierte sich der | |
| Registrierung entziehen und ohne Genehmigung arbeiten würden. | |
| ## Kritik von der UNO | |
| „Man kann davon ausgehen, dass es im illegalen Feld mehr Missstände gibt“, | |
| sagt ein ehemaliges Mitglied. Für osteuropäische Sexarbeiterinnen stelle | |
| sich das Problem, dass ihre Tätigkeit in ihrem Herkunftland keineswegs | |
| legal ist, was bei einer möglichen Rückkehr zu Problemen führt. | |
| Auch der CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen, der weltweit [2][über die | |
| Frauenrechte wacht], hatte das Vorhaben kritisiert. Es könne die | |
| „Verwundbarkeit von Prostituierten erhöhen“, heißt es in den Anmerkungen | |
| des Ausschusses. Ein geänderter Gesetzesentwurf liegt dem Parlament in Den | |
| Haag seit 2014 vor. Eine Meldepflicht ist darin nicht mehr vorgesehen. | |
| Zu dem deutschen Vorschlag wollt sich die Datenschutzbeauftragte des | |
| Bundes, Andrea Voßhoff, auf taz-Anfrage noch nicht äußern. Sie wolle erst | |
| den Gesetzentwurf abwarten. | |
| 16 Feb 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://web.archive.org/web/20110510021221/http | |
| [2] http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/ | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
| Heide Oestreich | |
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