# taz.de -- Misshandlungsvorwürfe in Australien: Ein gefährlicher Ort für Ki… | |
> Flüchtlingskinder in Australien werden eingesperrt und misshandelt, zeigt | |
> ein Menschenrechtsbericht. Premier Tony Abbott kritisiert die | |
> Untersuchung. | |
Bild: Diese Familie ist aus Somalia geflüchtet | |
AUSTRALIEN taz | Kinder in australischen Internierungslagern leben an einem | |
„gefährlichen Ort“. Zu diesem Schluss kommt die australische | |
Menschenrechtskommission nach einer umfassenden Untersuchung der | |
australischen Praxis, so genannte Bootsflüchtlinge zwangsmäßig und meist | |
auf unbefristete Zeit in isolierten Lagern einzusperren. | |
Zwischen Januar 2013 und März 2014 dokumentierte die Kommission 233 Fälle | |
von gewaltsamen Übergriffen gegen Kinder, 33 Fälle von sexueller Gewalt und | |
128 Fälle von Selbstverstümmelungen durch Kinder. Fast 30 Kinder hätten in | |
dieser Zeit einen Hungerstreik begonnen. | |
Ein Drittel aller auf der Pazifikinsel Nauru, in Papua-Neuguinea und auf | |
der australischen Weihnachtsinsel eingesperrten Kinder hätten psychische | |
Schäden, die so schwerwiegend seien, dass sie einen Krankenhausaufenthalt | |
bedingten. In den vergangenen zwei Jahren seien 167 Babys in Gefangenschaft | |
geboren worden. Oftmals hätten sie Probleme mit dem Gehen, weil es keinen | |
sicheren Ort gebe, um das Kriechen zu lernen. 257 Kinder werden derzeit in | |
Lagern festgehalten. | |
Laut Kommissionspräsidentin Gillian Triggs müsse das System der | |
Zwangsinternierung von einer überbehördlichen Kommission untersucht werden, | |
so der Bericht. Die Internierung habe lange andauernde „negative | |
Konsequenzen für das physische und emotionale Wohl“ der Kinder, so der | |
Bericht mit dem Titel „Australiens vergessene Kinder“. | |
## Kommission hat „ihre Arbeit gemacht“ | |
Der australische Premierminister Tony Abbott beschuldigte die Kommission | |
der „Unausgewogenheit“. Sie habe die Situation unter der vorherigen | |
Laborregierung nicht untersucht und solle sich „schämen“, so der | |
Regierungschef. Konservative Kommentatoren in den Medien hatten im Vorfeld | |
der Veröffentlichung versucht, Triggs politische Beweggründe zu | |
unterstellen. Die Menschenrechtsjuristin wies die Vorwürfe am Donnerstag | |
erneut vehement zurück. Die unabhängige, aber mit öffentlichen Geldern | |
finanzierte Kommission habe einzig „ihre Arbeit gemacht“. | |
Der früher für die Internierungslager zuständige Psychiater Peter Young | |
bezeichnet die Zwangsinternierung von Bootsflüchtlingen als „grundsätzlich | |
toxisch“. Die Praxis, die seit Jahren im Zentrum der australischen | |
Asylpolitik steht, sei konstruiert, um „verletzbare Menschen zu schädigen“. | |
Bei den Festgehaltenen handelt es sich meist um Schutzsuchende aus | |
Krisengebieten im Nahen Osten, die es über Land bis Indonesien schaffen, um | |
von dort mit Hilfe von Menschenschleppern per Boot die gefährliche | |
Weiterreise über die Timorsee nach Australien zu versuchen. Wer die Fahrt | |
in den kaum seetüchtigen und überfüllten Schiffen überlebt, wird von der | |
Marine aufgegriffen und in die Lager deportiert. | |
Die Zustände in den Anlagen auf der Insel Manus auf Papua-Neuguinea und | |
Nauru wurden in den letzten Jahren von verschiedenen Organisationen als | |
„menschenunwürdig“ und „gefährlich“ bezeichnet. Je nach Beobachter fe… | |
an Schutz vor der sengenden Tropensonne, an Trinkwasser oder an Nahrung. | |
Vor allem Frauen und Kindern drohe chronisch Gewalt. | |
## Bewusst unangenehm und brutal | |
Einem Arzt zufolge würden die meist muslimischen Frauen oft unwürdig | |
behandelt. So fehle es an Monatsbinden – eine Frau sei gezwungen worden, an | |
männlichen Wärtern vorbeizugehen, während ihr Menstruationsblut an den | |
Beinen herunterlief. Außerdem könnten auf Nauru Frauen nur durch einen | |
Vorhang getrennt vor den Blicken der Männer duschen. | |
„Das System ist aufgebaut, um die Leute dazu zu bringen, dass sie dahin | |
zurückgehen, wo sie herkommen“, so der Psychiater Young. Das Leben in den | |
Lagern sei „durchaus bewusst unangenehm und brutal“. Gespräche mit Beamten | |
hätten gezeigt, dass die Brutalität „keine ungewollte Konsequenz, sondern | |
ein integraler Teil des Systems ist“, so der Experte. | |
Wie die Kommission meint, verletzt Australien mit der Zwangsdeportation in | |
andere Länder und zeitlich unbegrenzten Internierung von Asylsuchenden | |
verschiedene internationale Abkommen zum Schutz Verfolgter und Kinder. Dem | |
stimmen verschiedene Organisationen zu, unter ihnen die Vereinten Nationen. | |
Amnesty International meinte, Kinder und ihre Eltern müssten sofort aus der | |
Gefangenschaft entlassen werden. | |
Laut der Flüchtlingshilfegruppe ChilOut zeigt der Bericht, „unser | |
dramatisches Versagen, unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Stattdessen | |
halten wir Kinder willkürlich fest, um sie dafür zu bestrafen, dass sie um | |
Asyl ersuchen.“ Rund 90 Prozent der Inhaftierten werden als Flüchtlinge | |
anerkannt. Australien weigert sich aber, die Menschen aufzunehmen. | |
Stattdessen sollen sie sich in Kambodscha, Nauru und Papua-Neuguinea | |
niederlassen, wo es schlicht an allem mangelt. | |
16 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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