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# taz.de -- Australiens neue Anti-Terror-Initiative: Mit zwei Pässen zum Risiko
> Binationalen Extremisten soll die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Das
> Land sei in einer neuen Phase der Terrorgefahr, sagt die Regierung.
Bild: In Australien zu leben, sei ein Privileg, findet Premierminister Tony Abb…
Für den australischen Premierminister Tony Abbott ist klar: Einwanderer
müssen „uns gegenüber so tolerant sein wie wir ihnen gegenüber“. Es sei
„ein Privileg“, in Australien leben zu dürfen. Mit diesen Worten stellte
der Regierungschef am Montag ein Paket von Maßnahmen vor, mit dem die
australische Regierung den Kampf gegen die ihrer Meinung nach erhöhte
Bedrohung durch Terror aufnehmen will.
Australien befinde sich in einer „neuen Langzeitphase der verstärkten
Terrorgefahr“, so Abbott. Diese Situation verlange besondere Maßnahmen. So
sollen Personen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft ihre australische
verlieren, falls sie den Terrorismus unterstützen – sowohl im Inland als
auch als Kämpfer für extremistische Organisationen im Ausland.
Fast jeder dritte Australier ist entweder im Ausland geboren oder stammt
von Eltern ab, die in einem Drittland geboren wurden. Tausende dieser
Immigranten verfügen noch über einen Pass ihrer alten Heimat. Doch auch
anderen AustralierInnen droht bei Terrorunterstützung der Entzug von
Rechten. So soll ihnen der konsularische Schutz im Ausland sowie der Zugang
zu Sozialhilfe verwehrt werden. Außerdem „soll ihnen die Möglichkeit
erschwert werden, Australien zu verlassen oder ins Land zurückzukehren“.
Eine Gesetzesänderung ist bereits in Planung. Es wird erwartet, dass die
oppositionelle Labor-Partei den Vorschlägen der konservativen Regierung
zustimmt. Der Kommentator Russell Marks meinte am Montag, Abbotts „Angriff“
auf die Bürgerrechte erinnere ihn an George Orwells „ewigen Krieg im Buch
’1984‘“.
## Warnungen wurden nicht ernst genommen
Ein ausschlaggebender Grund für die Anti-Terror-Initiative war offenbar die
Geiselnahme im Lindt-Café in Sydney im Dezember vergangenen Jahres. Der
Täter, Man Haron Monis, ein selbst ernannter islamischer Geistlicher, war
1996 als Flüchtling aus dem Iran nach Australien gekommen. Bei der
Gewalttat starben zwei Geiseln und der Täter.
Eine am Wochenende veröffentlichte Untersuchung kam zum Schluss, dass eine
Reihe von Umständen zur Tat geführt hatte und das Verbrechen nicht das
Ergebnis des Versagens eines einzigen Amtes gewesen sei. Der mehrfach
vorbestrafte Gewalttäter war trotz eines laufenden Verfahrens auf freiem
Fuß, galt als geistig gestört und konnte sich dennoch eine Waffe
beschaffen. Warnungen seitens der Öffentlichkeit waren von den
Geheimdiensten offenbar nicht ernst genommen worden.
Obwohl Monis schon seit 18 Jahren in Australien lebte und bei seiner
Ankunft den üblichen Sicherheitskontrollen unterworfen wurde, betonte
Abbott dessen Migrationshintergrund. Australien sei zu lange bereit
gewesen, jenen, die „eine Gefahr für unser Land sind, einen Vertrauensbonus
zu geben“.
## Islam als Religion des Friedens
Vor sechs australischen Flaggen stehend verkündete der Regierungschef, das
Land werde nie seine Freiheiten opfern, aber „wir werden es unseren Feinden
auch nicht erlauben, unsere Anständigkeit auszunutzen“. Islamische
Geistliche rief er auf, die Botschaft des Islam als Religion des Friedens
besser zu verbreiten und auch selbst daran zu glauben.
Rund eine halbe Million Muslime leben in Australier. Vertreter der
islamischen Gemeinde reagierten enttäuscht über die Bemerkungen. Schon
vergangene Woche hatte der höchste muslimische Geistliche, Ibrahim Abu
Mohammed, dem Regierungschef das Vertrauen entzogen. Er werde „den Fehler
nicht noch einmal machen, Abbott zu wählen“. Der Premierminister sei besser
beraten, „in einer anderen Sparte zu arbeiten als Politik“.
Zuvor hatten 100 muslimische Geistliche in einem offenen Brief geklagt, die
Abbott-Regierung nutze die islamische Religion und eine vermeintliche
Terrorgefahr, um ihre schwache Position zu stärken und ihre politische
Agenda zu verbreiten. Der Premierminister steht unter anderem als Folge
einer Vielzahl gebrochener Versprechen in den Meinungsumfragen so schlecht
da wie keiner seiner Vorgänger.
23 Feb 2015
## AUTOREN
Urs Wälterlin
## TAGS
Tony Abbott
Islam
Terrorismus
Australien
Australien
Melbourne
Nazivergleich
Polizei
Schwerpunkt Syrien
Flüchtlinge
Terrorismus
Geiselnahme
Sydney
Australien
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