# taz.de -- Die Wahrheit: Hallihallo, Quelsa | |
> Tagebuch einer U-Bahn-Fahrerin: Wer im Berliner Untergrund unterwegs ist, | |
> sollte besser humorfrei sein. Oder nicht hinhören. | |
Auf der Berlinale sah ich kürzlich einen Film über ein traditionsreiches | |
jüdisches Deli in New York. Zu Beginn schwärmt Ruth Bader Ginsburg, eine | |
Stammkundin, vom perfekten Räucherlachssandwich. Die Frau ist amerikanische | |
Verfassungsrichterin und man darf sagen: bedeutend. Sie stimmte bei „Bush | |
gegen Gore“ – es ging um die Auszählung in Florida und damit um die | |
Entscheidung der Präsidentenwahlen – gegen die Bush-Seite. Wären mehr ihrer | |
Kollegen ihr gefolgt, die Welt könnte heute anders aussehen. | |
Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, bevor mir in der U 2 die | |
Haltestellenansagen Prominenter ins Ohr gedrückt werden. „Hallo, hier ist | |
Veronika Ferres, und ihre nächste Station ist …“ Gerade hatte ich noch das | |
kluge Gesicht Bader Ginsburgs vor Augen, als sich ungebeten Deutschlands | |
unvermeidlichste TV-Heroine davordrängt. | |
Zwischen Ruhleben und Pankow erträgt der Fahrgast zwanzig „Hallos“, ein | |
„Hoppla“ (Toni Krahl) Zwei „Hallihallo“ (Frank Zander, Wigald Boning), … | |
„Njahallo“ (Murat Topal), ein „Challooo“ (Anastäescha), zwei „Hallo,… | |
Reisende“ (Jan Josef Liefers) und ein „Hollarähidi“ (Ja. Otto). Mein „… | |
zur Hölle!“ ist zugleich Wunsch und Feststellung, ich sehne das Duo herbei, | |
das die U 2 seit Jahren mit einer Balkan-Version von „Hit the Road, Jack“ | |
malträtiert. Wo seid ihr, wenn man euch braucht? | |
Stattdessen: „Hallo, hier spricht Dieter Hallervorden.“ Stöhn. „Bei der | |
nächsten Station wartet auf Sie die Quelsa. Und die nächste Station ist: | |
Mooohrenstraße!“ Hä? Eine neue Initiative, die in Quelsa, einer mir bisher | |
unbekannten afrikanischen Sprache, gegen den verhassten Straßennamen | |
protestiert? Die Internetsuche ergibt, dass es sich um eine Anspielung auf | |
einen mir ebenso unbekannten Uralt-Sketch des Ansagers handelt, in dem die | |
„Kuh Elsa“ eine Rolle spielt. Wahrscheinlich soll ich jetzt lachen. | |
Adding insult to injury sagt man im Englischen, auf die Verletzung noch | |
eine Beleidigung draufpacken. Wissen Sie, wie ich mich gerade fühle, Sigrid | |
Nikutta, Herrin der BVG, die sie den Hausvogteiplatz ansagen? Wie Horst | |
Buchholz in Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“, in dem er als Kommunist mit | |
dem imperialistischen „Itsy Bitsy Teenie Weenie“ Song gefoltert wird. | |
Als ich in New York lebte, gab es auf der C-Train-Linie einen Fahrer, der | |
die Fahrgäste mit guten Wünschen zuschwallte. Ziemlich lustig, wir buchten | |
seine Inbrunst amüsiert unter „another crazy subway driver“. Es gab auch | |
welche, die sangen oder Valentine’s Day Wünsche durchsagten. Ich erlebte | |
den ersten „No Pants Subway Ride“. Ein Trip war immer unberechenbar, mal | |
nervig, oft erheiternd. In der U 2 witzelt müde Eckart von Hirschhausen. | |
Wenn wir uns hierzulande schon wehrlos von Fremden pseudovertraut anlabern | |
lassen müssen, wie wäre es mit Rezepten von Lieblingsessen? Am besten am | |
Feierabend, wenn man der Tiefkühlpizza entgegenruckelt. Man könnte noch | |
einkaufen für so ein Gericht, empfohlen von bedeutenden Menschen, von Ruth | |
Bader Ginsburg oder meiner Oma, die hatte ein Superrezept für Reibekuchen. | |
19 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
## TAGS | |
Humor | |
Berlin | |
New York | |
U-Bahn | |
Polizei | |
Konsum | |
Ängste | |
Leinen | |
Mobilität | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Das Verbrechen ist überalt | |
Tagebuch einer Nachbarin: Neue, gewichtige Erkenntnisse stellen sich ein, | |
werden Hausmitbewohner von einer Straftat heimgesucht. | |
Die Wahrheit: Die doppelte Dröhnung | |
Tagebuch eines Schnarchopfers: Auf der Buchmesse Leipzig finden immer auch | |
die Schnorchelweltmeisterschaften statt – im Doppelbett. | |
Die Wahrheit: Weltfrieden im Kaufhaus | |
Tagebuch einer Vorfrühlingsucherin: Im neuesten Berliner Shoppingcenter | |
wird der Konsument mit billigen Weisheiten auf den Einkauf eingeschworen. | |
Die Wahrheit: Quellende Phobien | |
Aus dem Tagebuch einer Angstforscherin: Ganz alltägliche Phobien, die sich | |
unter Erwachsenen beobachten lassen, können es ganz schön in sich haben. | |
Die Wahrheit: Herumrollen mit Hunden | |
Am Berliner Schlachtensee soll demnächst der freie Auslauf von Hunden | |
untersagt werden. Und von wem soll man dann freudig begrüßt werden? | |
Nervigen Menschen? | |
Die Wahrheit: Berührung, die bewegt | |
Moderne Mobilität: Alles funktioniert blendend bis zu dem Moment, an dem | |
die Testnutzerin in geselliger Runde von einer SMS überrascht wird. |