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# taz.de -- Die Wahrheit: Herumrollen mit Hunden
> Am Berliner Schlachtensee soll demnächst der freie Auslauf von Hunden
> untersagt werden. Und von wem soll man dann freudig begrüßt werden?
> Nervigen Menschen?
Seit Jahresbeginn wird in Berlin aufgeräumt. Dealer raus aus dem Görlitzer
Park, Hunde weg vom Ufer des Schlachtensees. Was schlimmer ist – beim
Spaziergang von nassen Tieren oder nervenden Dealern begrüßt zu werden –,
darüber gehen die Meinungen auseinander.
Ich gehöre zu den von Max Goldt mal treffend beschriebenen Frauen, die
anlässlich einer Einladung in eine Privatwohnung den Gastgebern zur
Begrüßung die Hand reichen, beim Anblick des Gastgeberhundes aber derart in
Begeisterung ausbrechen, dass sie sich mit ihm auf dem Fußboden
herumwälzen. Es gibt eben Prioritäten.
Der Hund ist der uneingeschränkte Jasager unter den Kreaturen. Willst du
Stöckchen holen? Ja! Picknickgesellschaften verheeren? Jaja!! Wellen reiten
oder Lawinenopfer ausbuddeln? Jajaja!!!
Bereits auf einfache, von Katzen oder Dosenöffnern hervorgerufene Geräusche
folgen Einsätze auf höchstem sportlichen Niveau, und wer außer einem Hund
bringt einem Fremden gänzlich vorurteilsfreie Begeisterung entgegen? Die
tierischen Sympathiebekundungen am Schlachtensee gab es dazu noch völlig
umsonst, ohne dass man bei Wind und Wetter morgens um sieben, vergrippt
oder verkatert, um die Häuser schlurfen und körperwarme Gaben in
Plastikbeutel sammeln musste!
Meine Freundin C. rettete mal einen Hund aus dem Tierheim, der zum Dank das
Tragen eines Halsbands verweigerte. Offenbar verfügte er über einen
ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb, seherische Fähigkeiten oder beides. C.
investierte daraufhin nämlich in ein Hundehalfter, in welches die Leine
etwa auf Schulterhöhe eingehakt wurde, in diesem Fall war es eine von
diesen ausfahrbaren, die dem Hund Freiheit vorgaukelt, wo keine ist.
Eines Tages betrat C. im Erdgeschoss den Aufzug zu ihrer im sechsten Stock
gelegenen Wohnung und vergaß dabei, die Leine zu arretieren, die sich immer
weiter abspulte, während der Köter verstockt vor dem Lift hocken blieb. Die
Tür schloss sich hinter C. und klemmte dabei die Leine ein, der Fahrstuhl
fuhr an, C. drückte in wilder Panik sämtliche Knöpfe und ließ den
Leinengriff los, der gegen die Aufzugtür knallte. Draußen segelte der Hund
an seinem Halfter mit nach oben, bis ihn die Decke bremste und die Leine
unter der Spannung riss. Griff und Köter plumpsten auf den Aufzug-
respektive Hausflurboden, und beide – Hund und C. – jaulten.
Im Internet wimmelt es übrigens von Videos traumatischer
Hund-Mensch-Aufzug-Erlebnisse, nach deren Sichtung man vercheckten
Hundebesitzern dringend zu Haustieren raten möchte, die gar nicht erst in
Aufzüge passen: Flusspferde etwa oder Giraffen. C. jedenfalls stürzte nach
unten ins Parterre, wo der Hund sie schwanzwedelnd begrüßte. „Der hat sich
so gefreut, mich zu sehen!“, heulte sie später gerührt und nicht ohne
Stolz.
So sind Hunde. Und weil jetzt die Behörden Begegnungen am Seeufer mit
diesen alles verzeihenden Frohnaturen verbieten, müssen die Hunde meiner
Gastgeber und ich weiter über deren Teppiche rollen. Man weiß eben, was
sich gehört.
21 Jan 2015
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Leinen
Hunde
Konsum
Humor
Ängste
Mobilität
CSU
Alkoholismus
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