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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Verbrechen ist überalt
> Tagebuch einer Nachbarin: Neue, gewichtige Erkenntnisse stellen sich ein,
> werden Hausmitbewohner von einer Straftat heimgesucht.
Während der Ostertage türmte sich ein Haufen leerer Zalando- und
Adidas-Kartons vor der Nachbarwohnung. Dass das dort lebende ältere Ehepaar
plötzlich zu Fashion Victims mutiert und einem Onlinekaufrausch erlegen
sein könnte, schien unwahrscheinlich; ein Zweifel, der von den kurz darauf
anrückenden Gesetzeshütern bestätigt wurde.
Es handelte sich um einen verbreitetes Delikt namens Paketbetrug, das in
zahlreichen Varianten auftritt. In diesem Fall war die Ware an die Adresse
der Nachbarn bestellt und dort abgefangen worden, bevor die Täter sich mit
ihrer Beute aus dem Staub machten.
Die Spusi schritt zur Tat. Latexhandschuhe wurden übergestreift,
Beweismaterial gesichert. Ganz großes Kino! Zwei Polizistenhünen
balancierten unter dem Spott der Anwohner leere Kartons zum Auto.
Der Anblick weckte plötzlich die Erinnerung an ein lang zurückliegendes
Katzenbegräbnis: In einem Schuhkarton, auf pinkfarbenes Seidenpapier
gebettet, die bereits erstarrte Leiche, eine steife Pfote ragt der
Begrenzung trotzend heraus. Schließlich wurden die brachialen
Verstauungsversuche aufgegeben, der Karton mitsamt dem tierischen Dr.
Strangeglove versenkt, Erde drauf und beim anschließenden Leichenschmaus
Schnaps in die Trauergemeinde geschüttet …
Zurück zur Spusi. Wenn die Ordnungsmacht schon mal am Tatort ist, könnte
man die Herren ja zwecks einer Expertise zur Einbruchssicherheit in die
eigene Wohnung locken. „Möchten Sie ’n Kaffee?“ – „Nee, det macht so
nervös.“ Die Expertenmiene zeigt, es steht nicht gut um meine Security.
„Junge Frau, Sie müssen denen det schwer machen! Die jeben nur uff, wenn
die zu lang fummeln müssen!“
Eine Aussage, liebe Polizei, der ganz entschieden widersprochen werden
muss. In Deutschland steigt nämlich nicht nur rasant die Kriminalität,
sondern auch der Altersdurchschnitt, und dass im Alter schwer gefummelt
wird, belegt ein Besuch in Hamburg. Die Stadt ist Berlin nicht nur bei
Olympia voraus, sondern dortige Blousonrentner haben während eines langen
Lebens Schmuddelwetter, Sturmfluten und jahrzehntelange SPD-Herrschaft
überstanden. Diese Menschen sind vor allem eines: ausdauernd!
Ein solches durch keinerlei Hindernisse zu erschütterndes Exemplar lässt
sich dabei beobachten, wie es auf offener Straße in aller Ruhe ein
gewaltiges Fahrradschloss zersägt. Während der Mann im Schweiße seines
Angesichts ein prächtiges Rad von seiner Fessel befreit, macht man sich ob
seiner hochroten Gesichtsfarbe Sorgen um seine Gesundheit.
Versuch einer Kontaktaufnahme: „Moin. Anstrengend?“ – „Jau. Noch zehn
Minuten, schätz ich mal.“ Man bietet Schokoriegel an, zwecks Energiezufuhr.
„Eben kam ’ne Frau vorbei. Hochschwanger. Die wollte mich anzeigen!“,
beschwert sich der Säger kauend. „Der ihr Kind kann nur Polizist werden!“
Und wenn es so weit ist, wird es Kartons von Modeversandhäusern auf die
Wache tragen und die schwer gealterte Republik vor sägenden Rentnern
schützen. Oder vor dem, was uns dann sonst noch so einfällt.
16 Apr 2015
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Polizei
Senioren
Verbrechen
Pakete
Straftat
Nachbarn
Hamburg
Hunde
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Konsum
Humor
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