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# taz.de -- Die Wahrheit: Folge der Spur der Losung!
> Tagebuch einer Alleinreisenden: In der Einsamkeit eines mallorquinischen
> Naturparks kann schon mal einiges schief und verloren gehen.
Vor Kurzem wurde mir nahegelegt, ich solle mal ausspannen. Wegfahren,
allein versteht sich, man soll auf Reisen ja „sich selbst finden“, statt
mit der Begleitung rumzualbern. Mein Einspruch, eine Begegnung mit meinem
Selbst garantiere nicht unbedingt Erholungswert, und die Anregung, sich das
zum Beispiel von dem Telekom-Mitarbeiter bestätigen zu lassen, dem ich
neulich in einem langen Gespräch mitteilte, wie es ist, dauerhaft von der
Welt abgeschnitten zu sein, verhallte ungehört.
Unversehens befinde ich mich also, bewaffnet mit einer Zweiliterflasche
Wasser, einem Not-Zwieback und einem Handy, in der Einsamkeit eines
mallorquinischen Naturparks und wandere auf einem angeblich sechs Kilometer
langen Pfad übers karge Hochland vorbei an reichlich Aussicht, die schön
vom lästigen Selbst ablenkt.
Wie sich am Ende herausstellt, hat die ungeübte Wanderin nur den Hinweg
berechnet, sodass wegen drohender Naturparkschließung unvorhergesehen Eile
geboten ist. Eine angeborene Schwäche bei der Wiedererkennung von
Wegkreuzungen erschwert zusätzlich den Rückweg; aber bevor Suchdrohnen
erfleht werden müssen, hilft Gott sei Dank das eigene fotografische
Gedächtnis, welches vorsorglich sämtliche den Pfad pflasternde tierische
Ausscheidungen abgespeichert hat, man weiß ja nie, wozu so was mal gut ist:
Da war dieser riesige, wie eine Hochzeitstorte geschichtete Haufen, dann
kam der, der so aussieht wie eine Rosinenschnecke … Den gewaltigen Ausmaßen
nach zu urteilen, muss es sich beim Verursacher um eine Art Mammut handeln.
Jedenfalls finde ich auf diese Weise zwar nicht zu mir selbst, aber
immerhin den Heimweg in die Zivilisation.
Unterwegs werden die verkonsumierten zwei Liter Wasser in die Natur
entlassen; wenig später, vor einem Panorama, das geradezu nach einem
Urlaubsbeweisfoto schreit, fehlt das Handy. Detektivisches Nachsinnen
ergibt als einzig möglichen Fundort die Tasche jener Hose, die zwei
Kilometer zuvor runtergelassen wurde. Den Tag verfluchend, an dem ich als
Mädchen geboren wurde, stolpere ich zurück und ertaste ein Mobiltelefon in
feuchter Lederhülle, welche, da biologisch abbaubar, umgehend entsorgt
wird.
Nach 16 Kilometern Selbstfindungsparcours wartet das Mietauto auf dem
Parkplatz, umstellt von einer Schaffamilie, deren Mitglieder die Wagentüren
blockieren. Leider ist das mallorquinische Schaf gegen Autoalarm wie auch
gutes Zureden immun, es bleibt nur Schafschieben, eine freizeitsportliche
Disziplin aus Australien, das sich schon mit „Boote-durch-Wüsten-Tragen“
oder „Zwergenweitwurf“ einen Namen gemacht hat.
Der Tag klingt in der Strandkneipe aus, unter Touristen und bei zähem
Grillfleisch. Da selbst die Kaumuskeln von Erschöpfung befallen sind,
bleibt es im Halse stecken. Umgeben von Bierbäuchen und noch bevor ich es
finden konnte, verröchelt still mein Selbst. Zeit für letzte Fragen: Kennt
denn hier keiner das „Heimlich-Manöver“? Ist der Tod die ultimative
Selbstfindung? Und hat die Telekom endlich die Störung behoben?
27 May 2015
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Mallorca
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Konsum
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