| # taz.de -- Aktionismus zwischen Kunst und Politik: Wiederaufleben eines alten … | |
| > Die Kunst ist gespalten in Politästhetik auf der einen und „l'art pour | |
| > l'art“ auf der anderen Seite. Doch auch moralische Schönheit ist nur | |
| > „Hippiekitsch“. | |
| Bild: „Künstlermist“ von Bernard Bazile im Museum Tinguely in Basel. | |
| Die klassische Antwort vieler Kunstliebhaber auf die Frage: Was kann die | |
| Kunst? reicht Philipp Ruch nicht. Als Mitstreiter des von dem Regisseur | |
| gegründeten Zentrums für politische Schönheit im November die weißen | |
| Kreuze, die in Berlin das Gedenken an die Mauertoten wachhalten, | |
| „entführten“, um an das tödliche Schicksal der Flüchtlinge an den | |
| EU-Grenzen zu erinnern, war das ein Signal, die Welt anders wahrzunehmen. | |
| Kunst muss praktisch werden, sie muss Menschenleben retten. Von Christoph | |
| Schlingensief über Rimini Protokoll bis zu Pussy Riot. Ruchs spektakuläre | |
| Aktion ist nur ein Beispiel für das grassierende Bedürfnis, mit Kunst | |
| direkt in die (politische) Realität zu intervenieren. Was das Berliner | |
| Hebbel am Ufer 2013 bewog, diesem zyklisch wiederkehrenden „Begehren nach | |
| Relevanz“ auf den Grund zu gehen. | |
| Gemessen an dem Ziel der zehn Diskussionen zu „Phantasma und Politik“ | |
| seitdem: Die Frontstellung „Autonomie der Kunst“ versus „Kunst in | |
| gesellschaftlicher Verantwortung“, die dieser Boom so mit sich bringt, | |
| produktiv zu wenden, dürfte diese Strategie gescheitert sein. Denn das | |
| Podium „Das Recht der Kunst“, das die Reihe am Mittwochabend beschloss, | |
| zeigte, dass in der Kunstwelt ein überwunden geglaubtes Schisma wieder | |
| auflebt: Politästhetik auf der einen – l’art pour l’art auf der anderen | |
| Seite. | |
| Nicht, dass die Kunst, die sich mit Politik verwechselt, keine Ästhetik | |
| hervorbrächte. Als der niederländische Künstler Jonas Staal 2012 in seinem | |
| „New World Summit“ die politischen Organisationen zu einer Konferenz in den | |
| Berliner Sophiensälen versammelte, die auf der Blacklist des | |
| transatlantischen „War on Terror“ standen, machte das den Versuch, dem | |
| exklusiven Repräsentationsregime der westlichen Demokratien „alternative | |
| Parlamente“ entgegen zu stellen, auch ästhetisch sinnfällig. | |
| Die schneidende Rhetorik freilich, mit der Staal am Mittwoch die Kunst zum | |
| space of transformation erklärte, der politisiert werden müsse, wirft | |
| Fragen auf: Steht demnächst jede Kunst, der es eher um ästhetische | |
| Strategien geht, unter Formalismusverdacht? Muss sie sich als „feige“ | |
| bezeichnen lassen, weil sie nicht das „Erbe der Aktionskunst“ antreten | |
| will? | |
| Und wer entscheidet, wann „illegale Maßnahmen“, in Gestalt intervenierender | |
| Kunstaktionen notwendig sind, die „Verbrechen gegen die Menschheit“ | |
| verhindern sollen? Solange sie nicht beantwortet sind, besteht der | |
| begründete Verdacht, dass der Berliner Kunsttheoretiker Helmut Draxler mit | |
| seiner Skepsis richtig liegt. In Staals „Rhetorik der Dringlichkeit“ und | |
| Ruchs emphatisch, aber weitgehend theoriefrei vorgetragener Idee einer | |
| moral beauty sah der Initiator der „Phantasma“-Reihe eine problematische | |
| Mischung aus Selbstermächtigungsfantasien und „Hippiekitsch“. | |
| 22 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arend | |
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