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# taz.de -- Theaterstück in den Sophiensälen: In der Nacht vor der Premiere
> Eine Schauspielerin liegt wach und monologisiert: „Curtain Call!“ von
> Judith Rosmair und Johannes von Matuschka in den Berliner Sophiensälen.
Bild: Anna Karenina, bzw. Judith Rosmair.
Wer weiß, wie autobiografisch das Ganze wirklich ist. Judith Rosmair,
jahrelang sehr erfolgreiche Theaterschauspielerin, bis sie die Auszeichnung
„Schauspielerin des Jahres 2007“ zum Anlass nahm, etwas mehr in den
Hintergrund zu rücken, hat dieses Ein-bis-zwei-Personen-Stück, das am
Dienstagabend im kleineren „Hochzeitssaal“ in den Sophiensälen Premiere
feierte, selbst konzipiert, zusammen mit dem jungen Regisseur Johannes von
Matuschka und dem Musiker Uwe Dierksen.
Sie spielt darin eine Schauspielerin in der Nacht vor der Premiere. Sie
kann nicht schlafen. Ihre Rolle ist die der Anna Karenina, was natürlich
keine genuine Theaterrolle ist, sondern die Hauptfigur aus dem
gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi.
Aber nicht nur das. „Anna Karenina“ ist auch das Buch, das sie am meisten
mit ihrer Mutter verbindet – die hat ihr daraus vorgelesen, als die
Schauspielerin noch ein Kind war. Viel Zeit, das Buch gemeinsam zu Ende zu
lesen, blieb allerdings nicht mehr. Die Mutter sollte, was man auch erst
nach und nach erfährt, nicht mehr lange zu leben haben.
Was folgt, ist ein ausufernder Monolog mit musikalischen Störelementen. Die
Rosmair liegt, springt, lacht, singt auch mal, zieht sich um, setzt sich in
Szene; das Thema ist einerseits die Schlaflosigkeit angesichts einer großen
Herausforderung (das Stück sollte erst „Insomnia“ heißen, bis es in letzt…
Minute in „Curtain Call!“ umbenannt wurde), anderseits die persönliche
Verstrickung der Schauspielerin in Stoff und Materie.
Harter Stoff, so gesehen: Die Geschichte einer verunsicherten
Schauspielerin zwischen Neurasthenie und später Trauerarbeit. Wie gesagt,
man weiß nicht, wie autobiografisch das Ganze ist.
Natürlich nutzt Judith Rosmair hier den ganzen Raum, den sie sich selbst
geschaffen hat. Es scheint, als ob sie sich endlich einmal austoben wollte,
ohne in eine streng vorgegebene Rolle schlüpfen zu müssen: eine
Schauspielerin, die übrigens weitaus jünger wirkt, als sie tatsächlich ist,
im Selbstfindungsprozess. Dass die Rosmair eine Schauspielerin ist, die
nicht nur ihr Handwerk versteht, sondern einfach auch viel kann, ist in
fast jeder Szene zu sehen. Die Szenen selbst sind hingegen nicht immer
überzeugend – man spürt, dass das kleine Team um Ausgewogenheit bemüht war.
So werden immer mal wieder Brüche eingezogen, und es geht von der
Theaterkritik schnell zur Selbstkritik und zum Querverweis und wieder
zurück.
Und doch gibt es merkliche blinde Flecken in „Curtain Call!“. Zum einen: Wo
eine Muttergeschichte ist, ist eine Vatergeschichte meist nicht fern. Doch
vom Vater der Schauspielerin erfährt man gar nichts. Die Verbindung zu
Tolstois Klassiker bleibt rein biografisch – zwar baut Rosmair eine
Liebesgeschichte ein zu dem, der im Stück nach dem Stück den Wronskij, also
Anna Kareninas große Liebe, spielen soll (er bleibt abwesend, die Rolle
unbesetzt) – aber die bleibt relativ blass. Ansonsten fragt man sich: Warum
jetzt Tolstoi? Warum diese große Liebende Anna Karenina? Es erschließt sich
leider nicht.
So kann „Curtain Call!“ für die große Judith Rosmair nicht viel mehr als
ein Intermezzo sein. Ein Stück Trauerarbeit, ein Stück
Selbstvergewisserung, unterstützt von solider Soundarbeit (schönster Satz
im Programm: „Uwe Dierksen studierte Posaune.“) und betont zurückhaltendem
Bühnenbau. Einfaches Stück, einfache Mittel.
25 Mar 2015
## AUTOREN
Rene Hamann
## TAGS
Sophiensaele
Theater
Zentrum für Politische Schönheit
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