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# taz.de -- Chinesische Fotografie: Hässliche Puppenspiele
> Der Martin-Gropius-Bau in Berlin zeigt „Ugly Babies“ – klandestin aus
> China importierte Fotografien von Liu Xia, die in Peking unter Hausarrest
> steht.
Bild: Ein Bild aus der Serie „Ugly Babies“. Nicht schön, aber politisch au…
Die großformatig abgezogenen, fast quadratischen Fotografien sind sämtlich
schwarz-weiß. Liu Xia fotografiert nur schwarz-weiß, das kennzeichnet ihr
Werk. Was aber nicht heißt, sie sähe die Welt nur schwarz-weiß. Dass es
sich anders verhält belegen ihre Gedichte, die zwischen die Fotoaufnahmen
gehängt sind.
Sie sprechen allerdings mehr als deutlich von der Repression, unter der die
chinesische Bevölkerung leidet. Und von der individuellen Trauer und
Lähmung, die aus den Schikanen und den Verboten des Parteiapparats folgen.
„Wir leben mit den Puppen zusammen und sind von der Kraft der Stille
umgeben. Mit der offenen Welt um uns herum kommunizieren wir mit Gesten“,
schreibt sie 1998.
Liu Xia, 1959 in Peking geboren, ist eine der bemerkenswertesten
Künstlerinnen Chinas: Fotografin und Malerin, Lyrikerin und Romanautorin.
Und sie ist eine Gefangene. Denn 1996 heiratete Liu Xia, die in den
vergleichsweise liberalen 1980er Jahren als Künstlerin bekannt wurde, Liu
Xiaobo, den späteren Friedensnobelpreisträger. Der Schriftsteller,
Systemkritiker, Menschenrechtsaktivist und Verfasser der Charta 08 wurde
2009 zu elf Jahren Haft verurteilt; seine Frau 2010, nach Bekanntgabe des
Friedensnobelpreises für ihren Mann, unter Hausarrest gestellt. Er dauert
bis heute an.
Daher ist die Berliner Ausstellung zu gewissen Teilen eine klandestine
Angelegenheit. Wie die Negative aus China herausgekommen und die
Ausstellung überhaupt zustande gekommen ist, darüber Auskunft zu geben,
weigerten sich Gereon Sievernich vom Martin-Gropius-Bau, der
Literaturkritiker Herbert Wiesner und Jim Glanzer, der New Yorker
Unterstützer und Freund des Paares auf der Pressekonferenz. Fast klang es
so, als wüsste Liu Xia gar nichts von der Ausstellung, zumindest wurde
diese Sichtweise durch Aussagen wie, man stehe „nur indirekt mit ihr im
Kontakt“ gefördert.
## Gefolterte Puppen
Die Situation erinnert an die kürzlich gefeierten Filmfestspiele und den
Goldenen Bären für „Taxi“, den heimlich gedrehten und heimlich außer Lan…
geschafften Film des mit einem Berufsverbot belegten iranischen Regisseurs
Jafar Panahi. Es war ein politischer Preis – allerdings für einen eben auch
künstlerisch relevanten Film. Ähnliches gilt für Liu Xias Ausstellung.
Die Schau ist so sehr politisch motiviert, wie sie ästhetisch wohlbegründet
ist. „Ugly Babies“ lautet ihr Titel, und tatsächlich zeigen die Fotos, die
einen Raum füllen, Puppen. Sie sind selbst gar nicht so hässlich,
allerdings werden mit ihnen sehr erwachsene und hässliche Spiele gespielt
werden. So werden sie gefesselt, verstümmelt, erhängt, aufgespießt und
erstochen.
Sie werden mit brennenden Zigaretten gequält, die ihnen aus dem Kopf
quellen und sie werden in Trinkgläser gestopft. Sie reißen ihre Münder und
Augen vor Entsetzen auf und vor ohnmächtiger Wut. Manchmal freilich sitzen
sie auch am Meeresstrand, zu zweit, auf einem kleinen Felsen. Doch selbst
da ist ihre Miene sorgenvoll. Panik ist für sie ein Dauerzustand.
In diesem Tal der Puppen war Liu Xia zwischen 1996 und 1999 unterwegs, als
sie ihren Mann im Arbeitsumerziehungslager besuchte, in dem er damals saß.
Da war es ihr schon verboten, ihre künstlerischen Arbeiten auszustellen und
zu veröffentlichen. Tröstlich also, die ungebrochene kreative Kraft, die
sich in den Aufnahmen zeigt. Man kann nur hoffen, sie hält noch immer an.
28 Feb 2015
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Martin-Gropius-Bau
Liu Xiaobo
Liu Xia
China
Fotografie
Schriftstellerin
Okwui Enwezor
Militärausgaben
China
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