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# taz.de -- Justiz in Ägypten: Hamas kommt auf die Terrorliste
> Nach dem Urteil über die Palästinenserorganisation verliert die Regierung
> in Kairo ihre Vermittlerrolle. Das hat Folgen für die USA und die EU.
Bild: Kundgebung gegen das ägyptische Hamas-Urteil im Gazastreifen.
KAIRO taz | „Die palästinensische Hamas ist eine Terrororganisation.“ Das
entschied am Wochenende das Gericht für dringende Angelegenheiten in Kairo.
Grundlage waren mehrere Klagen, die der im benachbarten Gazastreifen
herrschenden Hamas vorwarfen, sich in innere Angelegenheiten Ägyptens
einzumischen und Dschihadisten zu unterstützen, die gegen die ägyptische
Armee und Polizei im Nordsinai einen Kleinkrieg führen.
Das Verhältnis zwischen der Hamas und der ägyptischen Regierung hat seit
dem Sturz des Muslimbruder-Präsidenten Muhammad Mursi durch die Armee und
die Wahl des ehemalige Militärchefs Abdel Fattah al-Sisi zum Präsidenten
einen Tiefpunkt erreicht. Die Muslimbruderschaft, die ideologisch der hamas
nahesteht und oft als deren Mutterorganisation bezeichnet wird, wurde
bereits im Dezember 2013 auf die ägyptische Terrorliste gesetzt.
Die jüngste Entscheidung entspricht der generallen Linie der ägyptischen
Regierung, alles Islamistische in einen Terror-Topf zu werfen und als ein
und dieselbe Bedrohung für die Sicherheit Ägyptens anzusehen. Das reicht
von al-Qaida und dem Islamischen Staat (IS) über die Muslimbruderschaft
jetzt bis zur Hamas.
## Staatliche Medien begrüßen das Urteil
In zwei der zahlreichen Verfahren gegen Mursi muss dieser sich dafür
verantworten, angeblich für die Hamas in Ägypten spioniert zu haben. Mursi
soll zusammen mit der Hamas in den Zeiten des Aufstandes gegen Mubarak auch
einen Massengefängnisausbruch koordiniert haben. In beiden Fällen gibt es
bisher kein abschließendes Urteil.
In den ägyptischen Fernsehstationen wurde das Urteil begrüßt. „Hamas als
Terrororganisation zu bezeichnen, ist eine richtiges Urteil, aber es kommt
zu spät“, meint etwa Daila Ziada vom Center for Free Democratic Studies in
der Talkshow „Papier und Stift“ im regimefreundlichen Fernsehsender
al-Tahrir. Die Muslimbrüder stünden schon seit über einen Jahr auf der
Terrorliste und deren Ableger Hamas hätte automatisch hinzugefügt werden
müssen, argumentiert sie.
## Kritische Stimmen gibt es aber auch
Dagegen schreibt Muhmmad Elmasry von der Abteilung für
Kommunikationswissenschaften an der Universität North Alabama in einem Blog
des Fernsehsenders Al-Dschasira International: „Die Vorwürfe, dass die
Hamas für Terrorismus innerhalb Ägyptens verantwortlich sein soll, dienen
vor allem dazu, den teuflischen Charakter der Muslimbruderschaft in der
Öffentlichkeit zu unterstreichen“.
Der den Muslimbrüdern nahestehende Journalist Fahmy Howeidi schreibt auf
Facebook, das Gericht habe den Fall nicht wirklich untersucht. Das Urteil
sei internen Überlegungen geschuldet. Außerdem diene der Vorwurf, Hamas
stecke hinter den Anschlägen im Nordsinai, auch dazu, deren wachsende
Professionalität zu erklären, nach dem Motto, da könne nur eine
ausländische Macht im Spiel sein, fügt Howeidi hinzu.
## Die Hamas weist Anschuldigungen zurück
Die Hamas hat den Vorwurf der Einmischung in ägyptische Angelegenheiten
stets abgestritten. Tatsächlich erklärte sich für die meisten der Anschläge
im Nordsinai eine Gruppe verantwortlich, die sich als „Provinz des
Islamischen Staates“ bezeichnet und seit einigen Monaten im Namen des IS
operiert.
„Die Gerichtsentscheidung ist eine Schande und schadet dem Image Ägyptens“,
erklärte Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri. „Der israelische Besatzer wird zum
Freund und das palästinensische Volk zum Feind.“
## Das Urteil hat einstweiligen Charakter
Urteile des Gerichtes für dringende Angelegenheit haben einstweiligen
Charakter und können von einem anderen Gericht neu entschieden werden.
Innerhalb von 15 Tagen kann Widerspruch eingelegt werden. Unklar ist, ob
der jüngste Beschluss bedeutet, dass Hamas ab sofort auf der Terrorliste
steht.
Bleibt es bei der Entscheidung, hätte das Folgen für Ägyptens Außenpolitik.
Die Regierung kann dann nicht mehr als Vermittler zwischen Israel und der
Hamas auftreten, wie bei den Gazakriegen, in denen Kairo einen
Waffenstillstand vermittelt hatte. Die EU und die USA verlieren einen
indirekten Kanal, um über Kairo mit Hamas zu kommunizieren. Auch bei
Aussöhnung zwischen den palästinensischen Fraktionen Hamas und Fatah dürfte
Ägypten spätestens mit diesem Wochenende seine Rolle als ehrlicher Makler
verloren haben.
1 Mar 2015
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Hamas
Muslimbrüder
Ägypten
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Justiz in Ägypten
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