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# taz.de -- „Al-Dschasira“-Prozess in Ägypten: Journalisten kommen frei
> Trotz internationaler Kritik: Im Berufungsprozess gegen Muhammad Fahmi
> und Baher Muhammad stellt das Gericht in Kairo das Verfahren nicht ein.
Bild: Dschihan Raschid, Frau von Baher Mohammed, nach der Entscheidung des Kair…
KAIRO taz | Ein über 400 Tage andauernder Albtraum im ägyptischen Gefängnis
ist für die beiden Journalisten vorbei. Muhammad Fahmi, der Bürochef des
englischen Fernsehsenders Al-Dschasira kommt ebenso vorläufig auf freien
Fuß, wie der Produzent Baher Muhammad. Das Verfahren geht allerdings
weiter.
Die im Gerichtssaal anwesenden Journalisten, die über den Fall berichten,
klatschten und brachen in spontanen Jubel aus, als der Richter die
Freilassung ihrer beiden Kollegen verkündete. Fahmi muss eine Kaution von
umgerechnet 30.000 Euro entrichten, Baher muss sich während des Verfahrens
jeden Tag auf einer Polizeiwache melden. Der nächste Prozesstag wurde auf
den 23. Februar angesetzt.
Auch die Angehörigen feierten im Saal. „Ich möchte nur Muhammad an meiner
Seite haben, romantisch Abendessen, ans Meer fahren, tanzen, einfach das
Leben genießen. Heute ist wie ein Wiedergeburt für uns“, rief weinend Marwa
Omara, die Verlobte Fahmis, den Journalisten zu. „Wir haben viel gelernt im
letzten Jahr, vor allem, dass die Freiheit einen großen Preis hat“, fügte
sie hinzu.
Die beiden Journalisten waren ursprünglich zusammen mit dem Korrespondenten
des Senders, dem Australier Peter Greste, im Dezember 2013 festgenommen und
in einem ersten Verfahren zu sieben bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt
worden. Sie sollen die in Ägypten als Terrororganisation eingestufte
Muslimbrüderschaft unterstützt und falsche Nachrichten verbreitetet haben.
Das ägyptische Kassationsgericht hatte das erste Urteil aber, wie es in der
Begründung hieß, „wegen einer völlig unzureichenden Beweisaufnahme“
verworfen und zu Jahresbeginn eine Neuverhandlung angeordnet.
## Staatsbürgerschaft und Gleichbehandlung vor Gericht
Vor zwei Wochen war der Australier Greste überraschend freigelassen und
deportiert worden. Dann war die Rede davon, dass Fahmi, der neben seiner
ägyptischen Staatsbürgerschaft auch eine kanadische besitzt, ebenfalls
freikommt. Er hatte im Dezember im Gefängnis seine ägyptische
Staatsbürgerschaft abgegeben, um wie Greste deportiert zu werden.
Überraschend wurde dann aber die Verhandlung für Fahmi und Baher auf
Donnerstag festgesetzt.
So stand bei dem neuen Verfahren nicht nur die Frage der Pressefreiheit,
sondern auch die der Gleichbehandlung im Raum. „Ich würde zynisch sagen,
ich muss mir eine ausländische Staatsangehörigkeit besorgen, um
freizukommen. Es ist nicht genug, wenn ich unschuldig bin“, erklärte
Dschihan Raschid, die Frau Bahers, der nur die ägyptische
Staatsbürgerschaft besitzt, am Tag vor der Wiederaufnahme des Prozesses
gegenüber der taz.
## Einer der Angeklagten schwenkt die ägyptische Fahne
„Ist es jetzt das Verbrechen, einen ägyptischen Pass zu besitzen?“ fragte
sie aufgebracht. „Wenn Greste freigekommen ist, bedeutet das nicht auch,
dass Baher unschuldig ist? Hätten sie den Australier freigelassen, wenn er
wirklich etwas verbrochen hätte? Es geht hier nicht um ein Verbrechen,
sondern um Meinungsfreiheit“, meinte sie.
Am ersten Tag der Wiederaufnahme des Prozesses ging es denn auch immer
wieder um diese Frage. Fahmis Anwalt Khaled Abu Bakr fragte den Richter,
warum der Australier Greste freigelassen wurde und der Kanadier Fahmi nicht
und forderte eine Stellungnahme des Außenministeriums.
Fahmi selbst gab vor dem Richter eine persönliche Erklärung ab. „Ich
verstehe nicht, warum mein Kollege Greste am Strand in Australien sitzt,
wenn die Anklage gegen mich genau die gleiche ist“, sagte er und
bestätigte, dass er seine ägyptische Nationalität abgegeben habe, nachdem
er von der Staatssicherheit dazu aufgefordert wurde, um den „Albtraum zu
beenden“ und deportiert zu werden. Es sei eine Entscheidung, die ihm
aufgezwungen worden sei und die er schweren Herzens getroffen habe,
erklärte er und zog unter dem Applaus des Publikums eine ägyptische Flagge
unter seiner Jacke hervor, um sie im Gerichtsaal hochzuhalten.
## Freudentränen nach der Entscheidung
Am Tag vor dem Prozess hatte Bahers Frau noch erzählt, wie schwierig es für
sie sei, ihren vierjährigen Sohn Hazem und ihrer dreijährigen Tochter
Fairuz zu erklären, wo ihr Vater sei. Der sechsmonatige Harun wurde
geboren, als sein Vater bereits im Gefängnis saß. „Ich habe ihnen immer
gesagt, er ist zur die Arbeit gegangen und kommt irgendwann wieder zurück“,
erzählt sie. Doch während des ersten Verfahrens hatten die Kinder im
Fernsehen ihren Vater gesehen, als er im Gericht im Käfig für die
Angeklagten stand. Die Kinder fragten, was ihr Papa da im Käfig mache, da
würden doch nur Tiere eingesperrt. „Ich habe ihnen geantwortet, dass Baher
einen Tierfilm dreht“, erzählte sie.
Einen Tag später, nach der Entscheidung, ihren Mann freizulassen, stand
Dschihan mit Tränen in den Augen im Gerichtssaal. „Ich bin überglücklich
und kann es kaum erwarten, meinen Kindern die Nachricht zu überbringen,
dass Papa nach Hause kommt. Ich werde eine große Feier vorbereiten“,
kündigte sie an und fügte hinzu: „Wir werden durchhalten bis zum Ende, bis
er freigesprochen ist“.
12 Feb 2015
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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