# taz.de -- Börteboote auf Helgoland: Das Auslaufmodell | |
> In diesem Sommer wird erstmals ein reguläres Bäderschiff Helgoland direkt | |
> ansteuern - ohne Passagiere auszubooten. | |
Bild: Das Ausbooten auf Helgoland als touristische Attraktion hat bald ausgedie… | |
HAMBURG taz I Es ist fast archaisch: mit der Nussschale sich der Insel | |
Helgoland zu nähern, so langsam, dass die Seele Schritt halten kann. Den | |
Zutritt zu Deutschlands einziger Hochseeinsel muss man sich erarbeiten: In | |
Börtebooten haben Gäste seit 1954 die Insel angefahren, weil die | |
Bäderschiffe zu groß waren, um den Helgoländer Hafen anzulaufen. | |
Stattdessen ankerten sie vor der Insel und ließen jeweils 50 Passagiere in | |
hölzernen Booten an Land schippern. Auf 800.000 Besucher jährlich kam man | |
in 1970er-Jahren, meist Tages- und Duty-Free-Touristen, und das „Ausbooten“ | |
war ein nicht durchweg beliebter Mix aus Abenteuer und Feuertaufe. | |
Im Sommer 2015 nun wird ein neues Bäderschiff in Betrieb gehen, das offen | |
mit dem Nicht-Ausbooten wirbt und direkt bis in den Hafen fährt. Das ist | |
einerseits deshalb möglich, weil es der seit sieben, acht Jahren fahrenden | |
Generation kleinerer Schiffe angehört, für die der Hafen tief genug ist. | |
Andererseits, weil die Gemeinde einen festen Hafenliegeplatz ab 2020 | |
garantiert. | |
Derzeit ist das noch ein rechtliches Problem: Helgolands „Schutz- und | |
Sicherheitshafen“ gehört dem Bund, der eine gewerbliche Nutzung und feste | |
Liegeplätze verbietet – es sei denn, Helgoland kaufte den Hafen, und das | |
ist der Gemeinde zu teuer. Wer anlegen möchte, so wie der Katamaran | |
„Halunder Jet“, der im Sommerhalbjahr täglich Menschen aus Hamburg und | |
Cuxhaven bringt, muss fragen, ob ein Liegeplatz frei ist. So wird es bis | |
2020 wohl auch der Kapitän des neuen Bäderschiffs machen. „Wir werden da | |
teils improvisieren müssen, aber es sind Lösungsansätze in Sicht“, sagt | |
Peter Eesmann, Geschäftsführer der Cuxhavener Reederei Cassen Eils. | |
Das aber ärgert die Börteboot-Befürworter, die nicht nur um Tradition und | |
ein Alleinstellungsmerkmal fürchten, sondern auch um Arbeitsplätze: „Mit | |
dem Nicht-Ausbooten zu werben ist unlauterer Wettbewerb“, sagt etwa Erich | |
Nummel Krüss, 82, und lange Jahre selbst Börtebootführer. Man tue so, „als | |
ob das Ausbooten eine schlechte Sache wäre“. Dabei müssten auch | |
Gebrechliche und Familien vom Hafen aus 20 Minuten in den Ort wandern. „Mit | |
dem Börteboot dagegen werden die Leute direkt ins Zentrum gebracht.“ Warum | |
nur noch 320.000 anstelle der einst 800.000 Gäste jährlich nach Helgoland | |
kommen? „Vielleicht wollen einfach nicht mehr so viele“, sagt Krüss. Am | |
Ausbooten liege es jedenfalls nicht. | |
Das sieht Helgolands parteiloser Bürgermeister Jörg Singer anders: | |
„Gästebefragungen von 2012 und 2013 deuten darauf hin, dass für zwei | |
Drittel von ihnen das Ausbooten ein Thema ist.“ Wobei sich innerhalb dieser | |
zwei Drittel Befürworter und Kritiker die Waage hielten. Auch Hotelier | |
Detlev Rickmers, Vorsitzender des Helgoländer Business Improvement Clubs, | |
sagt, dass auf Reisemessen ein Drittel potenzieller Helgoland-Touristen | |
Wert lege auf eine barrierefreie Anfahrt. | |
Ganz plötzlich kommt die Entwicklung nicht: Der erwähnte Katamaran fährt | |
den Hafen längst ohne Ausbooten an, und schon seit zehn Jahren kommt knapp | |
die Hälfte der Gäste über den Hafen auf die Insel. Zudem stagnieren die | |
Fahrgastzahlen der noch traditionell ausbootenden Bäderschiffe, während der | |
Katamaran zulegt. | |
„Wir müssen mit der Zeit gehen“, sagt Bürgermeister Singer. Die Zahl der | |
Übernachtungsgäste – naturgemäß mit mehr Gepäck dabei – steige seit Ja… | |
deutlich stärker als die der Tagesgäste; Koffer bei Wind und Wetter ins | |
schwankende Boot zu hieven ist nicht jedermanns Sache. | |
Diesen Trend wolle man fördern, sagt Singer: Derzeit kämen 316.000 Gäste | |
nach Helgoland, im Jahr 2020 sollten es 400.000 sein. Wie das – ohne das | |
Alleinstellungsmerkmal Börteboot, fragt Altkapitän Krüss. „Wenn man in den | |
1970ern ins Oberland fuhr und sah sechs, sieben weiße Bäderschiffe auf | |
Reede liegen – und dazwischen wie Wiesel die Börteboote: Das war Leben!“, | |
erinnert er sich. „Ohne Börte ist die Reede tot.“ | |
Ganz und gar nicht, sagt wiederum der Bürgermeister: Erstens blieben die 30 | |
städtischen Arbeitsplätze der jetzigen Börte- und der Dünenfähre erhalten, | |
denn man werde im dann größeren Hafen neue Jobs anbieten. „Außerdem wird es | |
das Börteboot immer geben – genauso, wie es Oldtimer gibt“, sagt er. Nur | |
eben ab 2020 nicht mehr als Hauptverkehrsmittel, sondern als Erlebnis auf | |
Wunsch. Und schon 2015 werde man vom Bäderschiff aus per Börteboot direkt | |
die Nebeninsel Düne ansteuern können, zum Beispiel zum Baden. | |
Historisch ist die Börte schon jetzt: Nirgendwo sonst erlauben etwa die | |
Berufsgenossenschaften, dass Menschen in offenen Holzbooten übers offene | |
Meer gefahren werden. „Und die Sicherheitsauflagen werden schärfer“, sagt | |
Rickmers. Objektiv gefährlich seien die Boote nicht, da sind sich alle | |
einig. Es habe nie schwere Unfälle gegeben, sagt Rickmers. „Aber die Börte | |
passt einfach nicht in eine moderne Auflagenwelt.“ | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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