| # taz.de -- Helgoland warnt nicht vor Robbenbiss: Begegnung mit Raubtieren | |
| > Wer vor Helgoland badet, kann dabei Robben begegnen – und von ihnen | |
| > gebissen werden. Die Kurverwaltung warnt mit Flyern, aber am Strand | |
| > fehlen Schilder | |
| Bild: Beißt auch Menschen: Kegelrobbe | |
| HELGOLAND taz | Ein September-Sommer wie im Bilderbuch, am Nord-Badestrand | |
| auf der Helgoländer „Düne“ lockt das kühle Meer. Mein Begleiter hat Angst | |
| vor einer Erkältung und trägt einen kurzärmeligen Neoprenanzug. Er schwimmt | |
| nicht, er watet durchs Wasser. Da taucht vom Ufer her ein grausilbriger | |
| Schatten in seine Richtung. „Ej“, er zuckt zurück. „Der hat zugeschnappt… | |
| Zurück am Ufer, sieht mein Mitschwimmer die kleine blutende Wunde an seinem | |
| Bein. Er will sie einem Bademeister zeigen. Oben, am Rand der Dünenhügel, | |
| gibt es eine DLRG- Station. Der Mitarbeiter reicht ein Spray zum | |
| Desinfizieren und fotografiert die Wunde – für die Statistik, wie er sagt. | |
| Die Kegelrobben haben ein paar Hundert Meter weiter ihren Liegeplatz. | |
| Ältere Tiere blieben zu den Badenden auf Abstand, sagt der DLRG-Mann. Doch | |
| zu dieser Tageszeit kämen häufiger einige Jungbullen näher. Im Frühjahr | |
| hätten Menschen die Robben gefüttert, die Nähe der Tiere gesucht und sie so | |
| an Menschen gewöhnt. | |
| Auf Helgoland kann man beim Baden auf Robben treffen, das ist bekannt. Aber | |
| dass das zum Problem für Schwimmer werden kann, ist für meinen Begleiter, | |
| der hier seit seiner Kindheit schwimmt, „ein Schock“. | |
| Auf der Fähre zur Insel ermahnt eine Durchsage, am Strand stets 30 Meter | |
| Abstand zu den Tieren zu halten. Und auch am Anleger fordern Schilder die | |
| Menschen zum Abstandhalten auf. Doch was Badende tun sollen, wenn Robben | |
| auf sie zuschwimmen, steht dort nicht. „Na, die Robben halten sich im | |
| Wasser eh nicht an den Abstand“, spottet eine Touristin. | |
| Eher zufällig finden wir im Dünenrestaurant einen Robben-Flyer „Robben | |
| erleben“ mit Tipps. Und dort steht erst unter Punkt 7, „Baden gehen“: „… | |
| Ihnen im Wasser eine Robbe sehr nahe kommt, animieren Sie sie bitte nicht | |
| zum Spielen. Verlassen Sie das Wasser, nach kurzer Zeit verliert das Tier | |
| das Interesse, und Sie können weiterschwimmen.“ Und darunter: „Bei evtl. | |
| Verletzungen wenden Sie sich bitte an die DLRG-Teams.“ Klare Ansage. Doch | |
| am Strand finden sich keine solchen Schilder. | |
| „Das Thema ist etwas heikel“, sagt Tourismusdirektor Klaus Furtmeier. | |
| Weitere Schilder zur Robbenproblematik seien grundsätzlich in Planung. „Es | |
| ist natürlich an einem ausgewiesenen Badeort nicht ohne Brisanz, wenn man | |
| auf im Wasser schwimmende Kegelrobben, immerhin Deutschlands größtes | |
| Raubtier, hinweist. Es mag Gäste geben, die Robben als störend empfinden“, | |
| sagt er. Andere Gäste wiederum suchten gerade die Interaktion mit den | |
| Tieren im Wasser. „Letztlich entscheidet jeder Badende selbst, wie er mit | |
| der Situation umgehen will.“ | |
| Dass Robben sich Badenden nähern, sei schon seit Beginn der 1990er-Jahre | |
| so. „Doch die Population wächst, in diesem Winter gab es mit 317 Geburten | |
| einen Zuwachs von 30 Prozent gegenüber der letzten Wurfzeit.“ Durch den | |
| begrenzten Platz, besonders bei Hochwasser, bekämen die „Lütten“ schnell | |
| Kontakt zu den Menschen, entwickelten „weder Scheu noch Angst“, ergänzt | |
| Katharina Tilly, die seit Oktober 2015 als gemeindliche Dünen-Rangerin das | |
| Naturschutzgebiet mit betreut. | |
| Etwas verschärft habe sich das Problem mit Kratzern und leichten Bissen | |
| nach Beobachtung der Dünen-Mitarbeiter durch Schwimmer und Schnorchler im | |
| Neoprenanzug. „Wir gehen davon aus, dass gerade diese Gruppe die | |
| Interaktion mit den Tieren bewusst sucht“, sagt die Dünen-Rangerin. | |
| „Vermeintlich geschützt vom Anzug, lässt man die Tiere schon mal näher an | |
| sich ran“. Allerdings könnten Tiere wohl nicht „zwischen Badenden in | |
| Neopren und ‚bloßer Haut‘ unterscheiden“, so die studierte | |
| Landschaftsökologin. | |
| Die Aufforderung, Verletzungen zu melden, gebe es, um einen Überblick über | |
| Art und Weise zu bekommen, erklärt Furtmeier. Zudem könne es angezeigt | |
| sein, die Wunde zu desinfizieren. Seit Beginn der Badesaison im Juni seien | |
| 13 Fälle registriert. Das sei eine ähnliche Zahl wie in den Vorjahren und | |
| gemessen an der Zahl der Badegäste „Einzelfälle“. Zumeist handele es sich | |
| um „kleine Kratzer und geringfügige Bisswunden“, wie sie auch beim Spielen | |
| mit Hunden entstehen könnten. | |
| Gemeinsam mit Wissenschaftlern und dem Verein Jordsand berate man seit | |
| einigen Jahren auf „Kegelrobbenworkshops“ über weitere Maßnahmen. Zum | |
| Beispiel sollen Mensch und Tier durch einen neuen Bohlenweg am Strand auf | |
| Distanz gehalten werden, damit die Robben ihre natürliche Scheu behalten. | |
| Vergraulen oder vertreiben dürfe man diese Tiere nicht, da sie unter | |
| Artzenschutz stünden. Auch werde man die Neoprenanzugträger verstärkt auf | |
| die Situation hinweisen und Gruppen bitten, sich vorher anzumelden. | |
| Die Situation auf Helgoland und das daraus abgeleitete | |
| „Kegelrobbenmanagement“ könnte richtungsweisend für andere Inseln und | |
| Reiseziele sein, sagt Furtmeier. Aufgrund der steigenden Population könne | |
| davon ausgegangen werden, dass die Tiere „in Zukunft auch andere Wurfplätze | |
| und Aufenthaltsorte frequentieren“. | |
| 23 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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