# taz.de -- Rassistische Übergriffe in Berlin: Mitte ist am gefährlichsten | |
> Die Zahl rassistischer Angriffe nimmt zu, sagen ReachOut und die Berliner | |
> Register. Dabei werden auch Vorfälle gezählt, die nicht zur Anzeige | |
> kommen. | |
Bild: Im Umfeld von Neonazi-Aufzügen passieren oft rassistische Angriffe | |
Eine Fahrt in der U 6, kurz vor Bahnhof Friedrichstraße: Eine Frau, die mit | |
ihrem dreijährigen Sohn unterwegs ist, wird von einem ihr völlig fremden | |
Mann beleidigt, das Kind wird geschlagen – es war dem Mann aus Versehen auf | |
den Fuß getreten. | |
Der Vorfall illustriert eine zentrale Erkenntnis aus der Dokumentation von | |
rassistischen, antisemitischen, homophoben oder diskriminierenden | |
Vorfällen, die die Opferberatungsstelle ReachOut und die Berliner Register | |
am Dienstag vorstellten: Die meisten Angriffe gab es 2014 in Mitte – mehr | |
als die Hälfte dieser Gewalttaten fand in öffentlichen Verkehrsmitteln und | |
Bahnhöfen statt. Oft gebe es daher Zeugen, die aber nicht eingreifen, sagt | |
Sabine Seyb von ReachOut: „Die politisch Verantwortlichen sollen Kampagnen | |
starten, um aufzuklären über Möglichkeiten, einzugreifen und somit die | |
Betroffenen besser zu schützen.“ | |
Zum sechsten Mal in Folge stellten ReachOut und die Register ihre | |
Dokumentation vor, in der neben Gewalttaten auch Propagandaaktivitäten wie | |
Plakate oder Sprühereien, rechte Veranstaltungen und Beleidigungen erfasst | |
werden sowie – anders als bei den Ermittlungsbehörden – auch Vorfälle, die | |
nicht zur Anzeige gebracht werden. | |
ReachOut bekommt seine Zahlen aus der Beratungsstelle und zählte 2014 | |
insgesamt 179 Vorfälle (2013: 185). Die Register, erklärte Kati Becker von | |
der Koordinierungsstelle Berliner Register, unterhielten inzwischen in zehn | |
Bezirken Anlaufstellen, drei neue (in Spandau, Tempelhof-Schöneberg und | |
Mitte) seien 2014 dazugekommen. Dort könnten sich Betroffene und „aktive | |
Bürger“ melden. So kamen die Register im vorigen Jahr auf insgesamt rund | |
1.100 Vorfälle. | |
Weitere Erkenntnisse: Die Zahl der Angriffe mit rassistischem Hintergrund | |
steigt von Jahr zu Jahr (2014: 100, 2013: 87, 2012: 68), zudem geschehen | |
auffällig viele Vorfälle im Umfeld von neu entstehenden | |
Flüchtlingsunterkünften. „Mindestens 18 Gewalttaten stehen eindeutig im | |
Zusammenhang mit Antiflüchtlingsprotesten“, sagte Seyb. Sie kritisierte, | |
dass die Ermittlungsbehörden viele Vorfälle nicht als rassistisch, | |
rechtsextrem oder antisemitisch erkennen würden, weil der Tathintergrund | |
oft nicht ermittelt würde. „Für die Opfer bedeutet das eine zweite | |
Traumatisierung.“ | |
Auf die Frage, warum Mitte sich zu einem Hotspot rassistischer Gewalt | |
entwickelt hat, gab es unterschiedliche Antworten: „Ich bin vorsichtig mit | |
schnellen Erklärungen, das ist eine neue Entwicklung“, so Seyb. Becker | |
sagte, dass in Mitte nun „intensiver dokumentiert“ würde, da es eine neue | |
Register-Anlaufstelle gebe. Und es habe im Sommer 2014 viele | |
Demonstrationen wegen des Gazakrieges gegeben, bei denen es zu vielen | |
antisemitischen Vorfällen gekommen sei. | |
10 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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