Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Kleriker im Iran: Die Unbeirrbaren
> In den mächtigen Gremien des Iran haben weiter erzkonservative Kleriker
> das Sagen. Selbst der Reformer Rohani dürfte an ihnen scheitern.
Bild: Gerüchte kursieren über die Gesundheit von Revolutionsführer Chamenei.…
Vergangene Woche wurde im Iran der 83-jährige Geistliche Mohammad Jasdi zum
Vorsitzenden der mächtigen Expertenversammlung gewählt. Jasdi, Mitglied des
mächtigen Wächterrats, zählt unter den Klerikern zum erzreaktionären
Flügel. Revolutionsführer Ali Chamenei, begrüßte die Wahl: „Die
Persönlichkeit Jasdis und seine Aktivitäten und Erfahrungen zeigen, dass er
für den Vorsitz der Expertenversammlung höchst geeignet ist.“
Die Expertenversammlung ist das einzige Gremium, das sowohl für eine
mögliche Absetzung als auch für die Ernennung eines Wali-ye Faghieh
(Statthalters der Rechtsgelehrten), des Führers der Revolution, zuständig
ist. Ferner hat das Gremium die Aufgabe, Aktivitäten des Statthalters zu
beaufsichtigen, was allerdings in der Praxis nie geleistet wurde. Die 86
Mitglieder der Expertenversammlung sind ausschließlich Geistliche. Sie
werden alle acht Jahre direkt vom Volk gewählt.
Die Wahl des Vorsitzenden des Expertenrats wurde dieses Mal mit großer
Aufmerksamkeit verfolgt, weil seit geraumer Zeit Gerüchte über den
schlechten Gesundheitszustand Chameneis im Umlauf sind. In den letzten
Tagen wurde sogar berichtet, Chameneis Zustand sei kritisch, er sei ins
Krankenhaus eingeliefert worden.
Bei der Kampfabstimmung zwischen Konservativen und „Moderaten“ erhielt
Jasdi 47 von 73 Stimmen. Er fügte seinem Rivalen, dem Ex-Staatspräsidenten
Haschemi Rafsandschani, der nur 24 Stimmen erhielt, eine herbe Niederlage
zu. Jasdi wurde nach der Revolution Vizepräsident des Parlaments, danach
stand er zehn Jahre lang an der Spitze der Justiz. Hier profilierte er sich
als unbeugsamer Hardliner. Er schaltete die Staatsanwaltschaft aus und
übertrug deren Aufgaben auf die Revolutionsgerichte. Zuletzt wurde Jasdi
Mitglied des Wächterrats. Der Kleriker war einer der entschiedensten
Befürworter des ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.
## Schlüsselrolle der Expertenversammlung
Die reguläre Wahl der Expertenversammlung, beziehungsweise die ihres
Vorsitzenden, findet erst in einem Jahr statt. Die vorzeitige Wahl des
Vorsitzenden wurde erforderlich, weil der amtierende Vorsitzende, Mahdawi
Kani, im vergangenen Herbst gestorben war. Damit ist Jasdi erst einmal für
ein Jahr gewählt.
Sollte der 75-jährige Chamenei tatsächlich demnächst versterben, käme der
Expertenversammlung beziehungsweise ihrem Vorsitzenden eine Schlüsselrolle
zu. Die Wahl Jasdis lässt vermuten, dass das Gremium als Nachfolger
Chameneis einen Gleichgesinnten aus dem Lager der Erzkonservativen wählen
wird.
Über einen Nachfolger wird bereits spekuliert. Dass die Spekulationen
öffentlich auch von ranghohen Politikern geäußert werden, könnte als ein
Hinweis auf den Ernst der Lage gedeutet werden. Ein möglicher Nachfolger
ist aber weit und breit nicht in Sicht. Die religiösen Instanzen, die
Großajatollahs, sind ohne Ausnahme zu alt, um die Nachfolge des
Revolutionsführers antreten zu können, und unter den bekannten Geistlichen
gibt es keinen, dessen Popularität diesem überragenden Posten angemessen
wäre.
Das stellte auch Rafsandschani fest. Der Tageszeitung Dschomhuri Eslami
sagte er: „Wer sollte, wenn Ajatollah Chamenei nicht mehr am Leben wäre,
seine Aufgaben übernehmen? Können Sie jemanden finden, der wie Chamenei
über revolutionäre Erfahrungen verfügt, der so belesen ist und die
Verhältnisse im Land und in der Welt so genau kennt und der bis ins Detail
über die Streitkräfte Bescheid weiß?“
Die Lösung, die Rafsandschani vorschlägt, ist die Bildung eines Rats: „Wir
brauchen einen Expertenrat, der erstens seine Aufgaben tatsächlich
bewältigt (gemeint ist die Aufsicht über die Aktivitäten des
Revolutionsführers) und der die richtigen Entscheidungen trifft.“
Vermutlich stellt sich Rafsandschani einen Rat vor, der sich aus Vertretern
verschiedener Fraktionen zusammensetzt. Es ist höchst fraglich, ob die
Konservativen, die in der Expertenversammlung die Mehrheit bilden, mit
diesem zaghaften Versuch einer kollektiven Führung der Islamischen Republik
einverstanden sein werden.
## Reformer abgeblockt
Der klare Sieg Jasdis gegen Rafsandschani, der zu den wichtigsten
Unterstützern Präsident Hassan Rohanis gehört, ist mit ein Indiz dafür,
dass die Rechten auf dem Vormarsch sind. Es scheint, dass sich die
Geschichte wiederholt. Als 1997 die Reformer mit Mohammad Chatami an der
Spitze die Regierung übernahmen, begannen sich die Konservativen neu zu
organisieren. Es gelang ihnen bald, jeden ernsthaften Reformversuch zu
vereiteln.
Derzeit sind ähnliche Vorgänge zu beobachten. Die Regierung Rohani ist bald
zwei Jahre im Amt, sie konnte aber keines ihrer wichtigen Wahlversprechen
einlösen. Im Gegenteil, der UN-Berichterstatter für die Lage der
Menschenrechte im Iran erklärte am vergangenen Montag, seit der
Amtsübernahme Rohanis sei es um die Menschenrechte im Iran wesentlich
„schlechter“ bestellt. Die Repressionen gegen Parteien, Verbände,
Menschenrechtsaktivisten und Anwälte hätten zugenommen. Allein in den
ersten zwei Monaten des neuen Jahres seien mehr als 200 Menschen
hingerichtet worden. 2014 waren es seien 753.
Alle Versuche der Regierung, die Einschränkungen der Presse, die Zensur der
Kunst und Literatur und die Repressionen im Alltag zu mildern, sind am
Widerstand der Rechten gescheitert. Auch in der Außenpolitik wird mit allen
Mitteln versucht, mögliche Erfolge der Regierung zu vereiteln. Es klingt
absurd, aber es ist eine Tatsache, dass die Ultras im Iran im Bezug auf die
Atomverhandlungen in dasselbe Horn blasen wie die Republikaner in den USA
oder wie Israel und Saudi-Arabien. Ihr Ziel ist, die Verhandlungen zum
Scheitern zu bringen.
Rohani hofft dennoch auf Erfolg und damit auf Aufhebung der Sanktionen. In
diesem Fall könnte die Regierung die Wirtschaft, die sich seit Langem in
einem katastrophalen Zustand befindet, ankurbeln und damit ihre Basis im
Volk festigen. Sollten aber die Verhandlungen scheitern, könnten Rohani und
seine Mannschaft nichts mehr ausrichten und die Islamische Republik würde
in die Zeiten von Ahmadinedschad zurückfallen.
29 Mar 2015
## AUTOREN
Bahman Nirumand
## TAGS
Ajatollah Ali Chamenei
Hassan Rohani
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Iran
Verhältnis Iran - Israel
UN
Schwerpunkt Syrien
Uran
Benjamin Netanjahu
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Akbar Haschemi Rafsandschani ist tot: Politisches Stehaufmännchen im Iran
Der ehemalige iranische Präsident Rafsandschani war einer der wichtigsten
Protagonisten der islamischen Revolution von 1979 und galt als
Präsidentenmacher.
Musikalischer Brückenschlag: Vereint im Chaos der Jugend
Eine iranische und eine israelische Band gehen gemeinsam auf
Deutschland-Tournee. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Atomverhandlungen mit dem Iran: Lawrow verlässt Gespräche
Eine Einigung im Atomstreit wurde in Lausanne nicht erzielt, aber
Fortschritte. Die Gruppe will weitermachen. Aber offenbar ohne den
russischen Außenminister.
Debatte Syrien und Iran: Noch Hoffnung für ein kaputtes Land
Findet sich ein Kompromiss in den Nuklearverhandlungen, könnte das viele
Syrer hoffen lassen. Zwei gegenteilige Szenarien sind denkbar.
Verhandlungen über Atomprogramm: Iran bietet Zugeständnisse an
USA und Iran nähern sich bei den Atomverhandlungen wohl an. Es liegt ein
Entwurf vor, nach dem der Iran die Uran-Anreicherung um 40 Prozent
verringern muss.
Debatte Wahl in Israel: Die neue arabische Eintracht
Arabische Kommunisten, Nationalisten und Islamisten treten im Bündnis an.
Sie könnten auf Platz drei landen – und der Minorität Gewicht verleihen.
Jahrestag in Syrien: Wo der Aufstand begann und lebt
Daraa im Süden des Landes gilt als die Wiege der Revolution. Nur hier haben
gemäßigte Rebellen heute noch entscheidenden Einfluss.
UN und Bürgerkrieg in Syrien: Gescheiterte Gemeinschaft
Die UN konnten den Krieg in Syrien bis heute nicht beenden – weil die
Interessensgegensätze zu einer Dauerblockade des Sicherheitsrates geführt
haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.