# taz.de -- Weltsozialforum in Tunesien: Sicherheit wird zum Thema | |
> Zum zweiten Mal in Folge tagen Globalisierungskritiker aus aller Welt in | |
> Tunis. Das Treffen steht unter dem Eindruck des Anschlags auf das | |
> Bardo-Museum. | |
Bild: Am Rande des Weltsozialforums: erhöhte Sicherheitsvorkehrungen in Tunis. | |
TUNIS taz | Es wird wohl nicht einfach ein weiteres Weltsozialforum werden. | |
Das Treffen der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung in Tunis | |
steht unter dem Eindruck das Anschlags auf das Bardo-Museum, bei dem am | |
vergangenen Mittwoch über 20 Menschen getötet wurden. Polizei und Militär | |
sind in Alarmbereitschaft, Sicherheit ist – anders als sonst – ein | |
zentrales Thema. | |
Das Attentat von mutmaßlichen Islamisten hat dem 12. Weltsozialforum (WSF) | |
neue Aufmerksamkeit gebracht, aber auch weitere Debatten darüber, wie sich | |
das Sammelsurium von sozialen Bewegungen und NGOs politisch positionieren | |
soll. | |
Die Organisatoren riefen alle Aktivisten auf, trotz der angespannten Lage | |
in die tunesische Hauptstadt zu reisen. „Jetzt erst recht“ lautet der Tenor | |
im lokalen Komitee. Zwar ist unklar, ob der Anschlag etwas mit dem WSF zu | |
tun hatte oder ob er sich nur gegen Regierung und Menschen in dem | |
nordafrikanischen Land richtet, das mit demokratischen Wahlen und | |
zahlreichen Reformen am ehesten an den Idealen des Arabischen Frühlings | |
festhält. | |
Für die tunesischen Veranstalter ist klar: Das Attentat ist ein frontaler | |
Angriff gegen die Werte und Ziele des Forums. Sie plädieren dafür, mit dem | |
WSF auch ein aktuelles Zeichen gegen Gewalt und Unterdrückung zu setzen. | |
## Mammutprogramm für 70.000 Aktivisten | |
Unter den Teilnehmern des Forums wird immer wieder die Gefahrenlage | |
diskutiert, vor allem die Teilnahme an Demonstrationen sehen einige mit | |
Sorge. Die Bevölkerung nutzt derweil die Anwesenheit der Gäste, um zu | |
erfragen, wie der Anschlag im Ausland bewertet wird. | |
70.000 Aktivisten aus Bewegungen, Gewerkschaften und Institutionen werden | |
in Tunis erwartet. Über 4.000 Organisationen sind an der Gestaltung des | |
Mammutprogramms mit bis zu 2.000 Veranstaltungen beteiligt. Wie immer ist | |
die Themenpalette umfassend. Migration, Demokratisierungsprozesse, | |
Menschenrechtsverletzungen, Freihandel, Ökologie, Feminismus und Rassismus | |
– kaum ein Thema, das in dem 80-seitigen Programmheft nicht zu finden ist. | |
Wie bei früheren Foren befürchten einige, dass zwar spannende Debatten | |
stattfinden werden, aber keine politische Botschaft gesendet und noch | |
weniger politischer Druck ausgeübt werden wird. Zwar nehmen die | |
Veranstalter auf diesen Einwand Rücksicht und versuchen, die Ergebnisse am | |
Ende zu bündeln. Doch die Tendenz, dass das WSF Jahr für Jahr an | |
Anziehungskraft verliert, wird wohl fortbestehen. | |
Nach 2013 ist es das zweite Mal in Folge, dass das WSF, das alle zwei Jahre | |
tagt, in Tunis stattfindet. Hauptargument dafür war, dass das letzte Forum | |
einen regelrechten Schub von Vernetzungen, Aktivitäten und Neugründungen | |
von politischen Gruppen in der Region ausgelöst hat. „Diese Entwicklung | |
wollen wir fortsetzen und noch weiter ausbauen“, begründet Hamouda Soubhi, | |
Sprecher eines Netzwerks von mediterranen NGOs, die Entscheidung. | |
## Trauermarsch statt Auftaktdemo | |
Die lateinamerikanische Dominanz der ersten Forumsjahre nach 2001 wird | |
damit weiter zurückgedrängt. Einige begrüßen diese Ausweitung, andere | |
fürchten, dass nun auch beim WSF aufgrund der geografischen Nähe die | |
Europäer immer mehr zu sagen haben. | |
Erstmals wird es keine Auftaktdemonstration geben. Stattdessen ruft das | |
Forum am Dienstag zu einem Trauermarsch für die Opfer des Anschlags auf. | |
Diese Entscheidung wurde in Absprache mit der Regierung getroffen, sowohl | |
aufgrund der Sicherheitslage als auch aus politischen Gründen: Die | |
Organisatoren wollen gemeinsam mit der Bevölkerung gegen Gewalt und für | |
Frieden demonstrieren. | |
Allerdings löste ihre Erklärung, in der sie „den Terrorismus scharf | |
verurteilen“ und zum Kampf gegen den Terror aufrufen, einigen Protest aus. | |
Insbesondere aus Lateinamerika und Europa kam die Kritik, dass eine solche | |
Formulierung sonst nur von Regierungen verwendet werde, die den sogenannten | |
Kampf gegen Terror zur Unterdrückung von Protest sozialer Bewegungen | |
benutze. | |
25 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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