# taz.de -- Kriterien für Grüne Spitzenkandidaten: Nur noch mit Freak-Filter | |
> Bei Urwahlen sollen Profilneurotiker von der Basis keine Spielwiese mehr | |
> haben. Nur wer Bundestagskandidat ist, darf mitmachen. | |
Bild: Die Grünen-Urwahl 2012: Da fanden sie die Idee noch ganz toll. | |
BERLIN taz | Der Antrag U-05 trägt den drögen Titel „Änderung der | |
Urabstimmungsordnung – Bewerbungsvoraussetzung Urwahl“ und füllt kaum acht | |
Textzeilen. Doch was nach einer Liebhaberei für Fans von | |
Parteisatzungsrecht klingt, birgt eine kleine Revolution für die Grünen. | |
Der Bundesvorstand will eine Ausnahmeregel für einen seit den wilden | |
Gründungstagen gut gepflegten Grundsatz einführen: Bei den Grünen darf | |
jedes Basis-Neumitglied für jeden Posten kandidieren, ob als Schatzmeister | |
im Ortsverein oder als Parteichef in Berlin. | |
Genau so hatten die Grünen es auch [1][2012 bei ihrer viel beachteten | |
ersten Urwahl der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl] gehalten – und | |
damit über Wochen das mediale Sommerloch gefüllt. Denn außer den vier | |
Partei-VIPs Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen | |
Trittin waren überraschend noch elf bis dahin selbst Grünen-Kennern | |
unbekannte Herrschaften angetreten, die mit laienhaft-schrägen Auftritten | |
für jede Menge Unterhaltung sorgten. | |
Die Partei musste den Außenseitern dasselbe Podium bieten wie den vier | |
Favoriten – sie wurden gleichberechtigt in der Mitgliederzeitschrift | |
porträtiert, auf der Grünen-Website und bei Casting-Veranstaltungen in | |
einem Dutzend Städten präsentiert. | |
Am Ende holten sie einen verschwindenden Stimmenanteil, der erfolgreichste | |
Basisbewerber kam auf 2,4 Prozent. Ob das profilneurotikerfreundliche | |
Format in dieser Form ein Beweis formvollendeter Mitmach-Demokratie war – | |
daran zweifelten Spitzen-Grüne spätestens im Herbst 2012. Namhafte | |
Politiker beider Parteiflügel forderten Konsequenzen: beim nächsten Mal | |
sollten Hürden eingeführt werden, um ein Mindestmaß an Professionalität zu | |
garantieren. | |
## Nur eine informelle Funktion | |
Genau das will der Bundesvorstand mit der Änderung der Urwahlordnung nun | |
umsetzen – für den Fall, dass die Spitzenkandidatenkür zur nächsten | |
Bundestagswahl wieder per Mitgliedervotum erfolgt. Für den Länderrat am | |
übernächsten Wochenende hat er deshalb einen Antrag vorgelegt, der das | |
Kandidatenspektrum verengen soll. Demnach dürften sich nur noch Mitglieder | |
bewerben, die bereits als Bundestagkandidat aufgestellt wurden oder – falls | |
diese Listenaufstellung noch aussteht – wenigstens von einem Landes- oder | |
Kreisverband unterstützt werden. | |
Solche Hürden für eine Spitzenkandidatur hatte die frühere | |
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke 2012 allerdings noch für unvereinbar | |
mit anderen Parteiregularien erklärt: „Die Parteisatzung lässt es nicht zu, | |
Kriterien für BewerberInnen zu definieren“, sagte sie damals. Der heutige | |
Bundesvorstand sieht das anders. Begründung: es handele sich bei der | |
Spitzenkandidatur nur um eine informelle Funktion für die Zeit des | |
Wahlkampfs und nicht um ein klassisches Amt oder Mandat. | |
Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sieht auch den Mitmach-Anspruch | |
seiner Partei nicht gefährdet: „Wir Grüne leben parteiinterne | |
Mitbestimmung“, sagt Kellner der taz. Nach den Erfahrungen mit der ersten | |
Urwahl solle die Reform „der technischen Verbesserung der Verfahren“ | |
dienen. Der Vorschlag sehe nur eine „minimale Hürde“ für die Kandidatur z… | |
Urwahl vor und ermögliche weiter die Mitbestimmung aller Grünen-Mitglieder. | |
15 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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