# taz.de -- Frühjahrsoffensive der Taliban: Kampf um Kundus | |
> Die Taliban stehen vor den Toren der Provinzhauptstadt Kundus. Die | |
> schweren Angriffe haben die afghanischen Regierungstruppen überrascht. | |
Bild: 10. Februar 2015: Ein Selbstmordattentat der Taliban in Kundus. | |
BERLIN taz | In der afghanischen Nordostprovinz Kundus wird erbittert | |
gekämpft. Die Gefechte begannen am vergangenen Freitag, zwei Tage nachdem | |
die Taliban ihre diesjährige Frühjahrsoffensive angekündigt hatten. Mit | |
koordinierten massiven Angriffen in mindestens fünf der sieben | |
Provinzdistrikte haben die Aufständischen die Regierungstruppen offenbar | |
überrascht. Die Taliban erzielten Geländegewinne auch unmittelbar vor den | |
Toren der Provinzhauptstadt Kundus, dem früheren Hauptstandort der | |
Bundeswehr in Afghanistan. | |
In den Distrikten Tschahrdara – wo im September 2009 ein Bundeswehroffizier | |
einen Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklaster anordnete, bei dem | |
zahlreiche Zivilisten starben – sowie Imam Sahib sollen Regierungstruppen | |
nur noch die Hauptorte halten. Imam Sahibs Distriktgouverneur sagte am | |
Montag, er habe den Kontakt zu 500 eingekesselten eigenen Kämpfern | |
verloren. | |
Laut Kundus’ Provinzratschef Muhammad Jusuf Ajubi kontrollieren die Taliban | |
65 Prozent der Provinz. Den Behörden zufolge flohen 2.000 Familien – das | |
können bis zu 20.000 Menschen sein. Sie könnten zu Langzeitflüchtlingen | |
werden, da in Kundus gerade Saatzeit ist und bald Ernteausfälle drohen. Die | |
Regierung schloss alle Schulen in den umkämpften Gebieten. Präsident | |
Aschraf Ghani verschob seine Abreise zum Staatsbesuch in Indien um mehrere | |
Stunden. | |
Aus Nachbarprovinzen herangeführte Truppen sowie Kommandoeinheiten aus | |
Kabul sollen bei Gegenangriffen in der Nacht zu Dienstag nach | |
Regierungsangaben einige Dutzend Taliban getötet haben. Die Zahlen aller | |
Seiten sind aber mit Vorsicht zu genießen. Das gilt auch für Angaben zu den | |
beteiligten Aufständischen, die von mehreren 100 bis zu 2.000 reichen. | |
Innenminister Nur-ul-Haq Ulumi hatte schon vor Wochen im Parlament erklärt, | |
die Aufstandsbewegung wandere „Richtung Norden“. Seit letztem Sommer kamen | |
zusätzliche Kämpfer an, darunter von der Islamischen Bewegung Usbekistans. | |
Sie wichen pakistanischen Militäroperation in den dortigen Stammesgebieten | |
aus und wechselten in afghanische Gebiete, in denen Angehörige ihrer | |
Sprachgruppe leben wie etwa in Kundus. | |
## Die afghanischen Streitkräfte testen | |
Schon im letzten September rückten bei ähnlich intensiven Kämpfen Taliban | |
vorübergehend in Vororte von Kundus ein. Auch war klar, dass sie nach dem | |
Abzug der meisten Nato-Soldaten in diesem Jahr die afghanischen | |
Streitkräfte testen würden. Ebenfalls die Entführung eines aus Potsdam | |
stammenden deutschen Entwicklungshelfers in Kundus wies vor einer Woche auf | |
erhöhte Spannungen. | |
Die Taliban rückten jetzt auch weiter westlich in der Provinz Farjab vor. | |
Sie gehört wie Kundus zum Verantwortungsbereich des Nato-Regionalkommandos | |
Nord, das von der Bundeswehr geleitet wird. Ein gewöhnlich gut informierter | |
afghanischer Militärbeobachter berichtete auf Twitter, die afghanischen | |
Regierungskräfte seien derzeit in 18 „ungeplante Operationen“ verwickelt. | |
Zum Teil schwere Kämpfe wurden in den letzten Tagen aus mindestens sieben | |
weiteren Provinzen gemeldet. | |
Die Taliban-Angriffe werden allerdings auch innenpolitisch ausgeschlachtet. | |
Der frühere Geheimdienstchef Amrullah Saleh beschuldigt die Regierung | |
stillzuhalten, um die im Norden besonders starken bewaffneten Kräfte der | |
früheren antisowjetischen Mudschaheddin auszuschalten. Der stellvertretende | |
Regierungschef Mohammed Mohakik, der selbst Milizenführer ist, verlangte, | |
dass ein Mudschahed das immer noch unbesetzte Amt des | |
Verteidigungsministers übernehmen sollte. | |
28 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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