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# taz.de -- Regierungsbildung in Afghanistan: Endlich kann in Kabul regiert wer…
> Nach monatelangen Querelen sind nun fast alle Ministerposten besetzt. Das
> Parlamentsvotum hierzu war überraschend eindeutig.
Bild: Hat endlich ein Kabinett: Afghanistans Präsident Aschraf Ghani.
BERLIN taz | Nun kann in Afghanistan endlich das Regieren losgehen. Fast
sieben Monate nach der Amtsübernahme der Nationalen Einheitsregierung aus
Präsident Aschraf Ghani und seinem (nicht so genannten) Ministerpräsidenten
Abdullah Abdullah hat sich das Parlament am Samstag endlich dazu
durchgerungen, 17 von 18 Ministerämtern zu besetzen. In Afghanistan müssen
sich bei der Regierungsbildung alle Minister im Unterhaus individuell mit
ihrem Programm präsentieren und einer Vertrauensabstimmung stellen.
Das Parlament wollte sich offenbar nicht dem Vorwurf aussetzen, den Beginn
der Regierungsarbeit weiter zu verzögern. Unter den Wählern und selbst in
den Teams Ghanis und Abdullahs war die Unzufriedenheit in den vergangenen
Wochen immer greifbarer geworden. Das Tauziehen um Regierungsposten
verhinderte bisher, dass sich das mit großen Reformversprechen angetretene
Duo systematisch wichtiger Probleme annehmen konnte: der Wirtschaftskrise,
der vom westlichen Truppenabzug erhöhten Arbeitslosigkeit sowie der
Beendigung des Krieges durch Direktgespräche mit den Taliban.
Das positive Parlamentsvotum kommt überraschend und ist präzedenzlos. Bei
der ersten Runde im Januar war nur ein Drittel von Ghanis und Abdullahs
Kandidaten durchgekommen. Vor allem Vertreter der usbekischen und der
schiitischen Hazara-Minderheiten waren durchgefallen.
Auch Ghanis Vorgänger Hamid Karsai hatte immer wieder Minister durch
Misstrauensanträge verloren. Dieser hatte allerdings das Parlament bei
wichtigen Entscheidungen immer wieder umgangen und damit das Verhältnis
zwischen Exekutive und Legislative nachhaltig gestört. Ghani und Abdullah
mussten das ausbaden. Aber es sind wohl auch wieder die bei solchen
Anlässen durchaus üblichen Bestechungsgelder geflossen. Eine Kabuler
Zeitung berichtete sogar, deren Höhe sei „furchtbar“ angestiegen.
## Verteidigungsressort noch offen
Das neue Kabinett bietet sich insgesamt als politisch recht unerfahren dar.
Weniger als die Hälfte der neuen Minister – darunter vier Frauen, mehr als
unter Karsai – verfügt über irgendwelche Regierungserfahrung. Das muss aber
noch nichts heißen. Schließlich hatte Ghani versprochen, die in Karsais
Patronagesystem mächtig gewordenen Politiker nicht mehr zu berücksichtigen.
Allerdings sorgte das komplizierte, wenn auch ungeschriebene Proporzsystem
zwischen ethnischen Gruppen und politischen Fraktionen dafür, dass die
ebenfalls versprochene Professionalität teilweise auf der Strecke bleib.
So ist ein Arzt nun Justizminister, ein Geschäftsmann Bildungsminister,
eine NGO-Menschenrechtlerin bekam das Ressort Drogenbekämpfung, ein Dichter
ist für Information und Kultur zuständig. Zudem sind die Bereiche Bildung,
Justiz und Wirtschaft in der Hand von Islamisten. Offen bleibt weiterhin
das Amt des Verteidigungsministers, weil Ghani und Abdullah sich immer noch
nicht auf einen Kandidaten einigen konnten.
Am Tag der Kabinettsentscheidung sprengte sich in der ostafghanischen
Provinzhauptstadt Dschalalabad ein Attentäter neben einer Schlange von
Bankkunden in die Luft, als Staatsbedienstete und Angehörige der
Streitkräfte gerade ihre Gehälter abholten. Mindestens 35 Menschen starben.
Die Verantwortung dafür übernahm der afghanisch-pakistanische Arm des
Islamischen Staats (IS). Allerdings übernehmen in Afghanistan die nicht
immer wirklichen Täter die Verantwortung für ihre Anschläge, während
Trittbrettfahrer dies ausnutzen. Klar ist bisher nur: Der örtliche IS
versucht durch dieses Statement, sein Profil zu schärfen.
19 Apr 2015
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Parlament
Abdullah Abdullah
Aschraf Ghani
Schwerpunkt Afghanistan
Kabul
Bundeswehr
Selbstmordattentat
Schwerpunkt Afghanistan
Taliban
Schwerpunkt Afghanistan
Hamid Karsai
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