Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar CSU fordert Deutschpflicht: So blöd wie breit
> Ausländer sollen zu Hause Deutsch sprechen, fordert die CSU. Sie macht
> sich zum Horst und zeigt, wie unbrauchbar das Wort „Integration“ geworden
> ist.
Bild: Eheleute Stoiber und Seehofer: Hier wird zuhause Deutsch gesprochen. Oder…
Die CSU hat eine Idee: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten
werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen“,
[1][heißt es im Entwurf des Leitantrags für den Parteitag] Ende kommender
Woche. Dies berichtete die Nachrichtenagentur dpa am Freitag, am Montag
will der Parteivorstand darüber entscheiden.
Man könnte sagen: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser
Vorschlag ausgerechnet aus Bayern kommt. Aber ihr würdet es nicht
verstehen. Deshalb in aller Deutlichkeit: Hallo CSU, ihr seid so blöd, wie
ihr auf dem Oktoberfest breit seid.
Denn wenn es nicht so wäre, würdet ihr selber darauf kommen, dass sich
diese Forderung bei anderen Leuten nach obrigkeitsstaatlicher Bevormundung
anhören würde, aus eurem Munde aber grotesk ist. Ihr würdet ahnen, dass die
[2][Leute euch auslachen werden]. Dass sie euch zurufen: „Lernt erstmal
selber Deutsch!“ Dass sie schnippisch fragen: „In welcher, der [3][Erst-
oder der Zweitfamilie]?“ Dass sie feststellen: „Und so was will eine
konservative Familienpartei sein.“ Dass sie genüsslich die [4][Reden eures
Ministers Alexander Dobrindt] hervorkramen oder sich der [5][Gestammelten
Werke eures früheren Vorsitzenden Edmund Stoiber] erinnern.
Kurz: Wenn ihr nicht so blöd wie breit wärt, hätte euch gedämmert, dass ihr
euch mit so einer Idee noch mehr zum Horst machen würdet als man es von
euch ohnehin gewohnt ist.
## Der gute alte Ausländer
Aber für diesen depperten Vorschlag muss man euch auch dankbar sein. Zum
einen, weil es mal wieder um die guten alten Ausländer geht und nicht wie
sonst um die Muslime. Vor allem aber, weil allmählich klar werden dürfte,
dass das Wort „Integration“ zu einem Kampf- und Maßregelungsbegriff
geworden ist. Jeder noch so schwachsinnige Vorschlag, jede
verfassungswidrige Forderung, jede Gemeinheit aus dem Repertoire des
Überwachungsstaates kommt im Namen der „Integration“ daher.
Die Deutschpflicht für Ausländer ist schon ziemlich gut. Aber da geht noch
mehr: Hallo, CSU: Was sagt ihr eigentlich dazu, dass die Hürriyet (!) in
Deutschland (!!) immer noch auf Türkisch (!!!) erscheint? Dass die
Ausländer ihre Kinder weiterhin Özlem, Mohammed oder Mladen nennen? Dass
die Türken im Zweifelsfall ihren Urlaub lieber in der Türkei und die
Griechen lieber in Griechenland verbringen anstatt im Bayerischen Wald oder
im Allgäu?
## Deutsche Ich-Ideale
Doch es kommt gar nicht darauf an, ob einige Gemeinheiten in die Tat
umgesetzt werden. Das permanente Reden genügt, um stets ein neues deutsches
Ich-Ideal zu formulieren, dem die Ausländer im Allgemeinen und die aus
muslimischen Ländern im Besonderen niemals gerecht werden können. Man
erinnere sich an [6][Mithat Gedik aus Werl], der nur dank der öffentlichen
Aufmerksamkeit den Titel Schützenkönig behalten durfte.
In dieser Posse wurde auf groteske Weise zweierlei deutlich: Zum einen hat
sich Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren so verändert, dass man
auch in konservative Milieus die Einwanderungsgesellschaft akzeptiert hat.
Wer's nicht glaubt, möge vergleichen, wie damals in der FAZ oder der Welt
zum Thema kommentiert wurde. Oder einen Blick auf die Führung der CDU
werfen, wo es keine Figuren wie Alfred Dregger oder Roland Koch mehr gibt,
aber dafür einen wie [7][Generalsekretär Peter Tauber, der am Freitag
twitterte]: „Ich finde ja, es geht die Politik nichts an, ob ich zu Hause
lateinisch, klingonisch oder hessisch rede.“
Andererseits gibt es Widerstände gegen diese Entwicklung, wovon der
[8][Zuspruch für bestimmte Sachbuchautoren] ebenso zeugt wie der [9][Erfolg
der AfD] oder die gerade die Demonstrationen in [10][Dresden] oder
[11][Ostberlin]. Und selbst dort verpackt manch einer seine Ressentiments
als Klage über „mangelnde Integration“.
## Integration in die Volksgemeinschaft
In einer pluralistischen Gesellschaft aber kann Integration nur zweierlei
bedeuten. Im positiven Sinne die Möglichkeit der politischen und
kulturellen Teilhabe und des sozialen Aufstiegs (woran es in Deutschland
[12][immer noch gewaltig hapert]). Und im negativen Sinne die
Selbstverständlichkeit, dass auch die Neubürger ihre Steuern zahlen, die
Verkehrsregeln befolgen und die Gesetze achten müssen. (Okay, kriegt nicht
jeder hin, wer wüsste das besser als die CSU?)
In dem kulturalistischen Blödsinn aber, den man hierzulande so gerne
draufpackt, drückt sich etwas anderes aus: der Wunsch nämlich, wenn man die
Einwanderung schon nicht rückgängig machen kann, wenigstens ihre Spuren
restlos zu beseitigen. Zugrunde liegt dem die Vorstellung von einer
homogenen Gesellschaft, der sich die Einwanderer einzufügen haben. Eine
moderne, kapitalistische Gesellschaft aber ist nicht homogen. Homogen ist
nur (und auch nur in der Ideologie) die Volksgemeinschaft, in der es eben
nicht genügt, Steuern zu zahlen, Verkehrsregeln zu befolgen und Gesetze zu
achten, und in der man, wie es der große Wolfgang Pohrt einmal formulierte,
obendrein mitsingen und mitmachen muss.
Darum ist es mit der Sprache nicht getan. Selbst wenn alle Ausländer
künftig am Küchentisch nicht mehr Ausländisch reden würden, sondern Deutsch
(oder halt das, was man in der CSU dafür hält), würde irgendeinem
Hinterwäldler auffallen, dass viele Ausländer weiterhin an den Propheten
Mohammed oder an gar keinen Gott, nicht jedoch an die heilige Katholische
Kirche glauben, dass sie womöglich lieber Hande Yener als Helene Fischer
hören, sich für Fenerbahçe und Galatasaray einen Tick mehr interessieren
als für den FC Bayern und den BVB und partout nicht Dirndl und Lederhosen
tragen wollen.
Lauter Fälle von Integrationsverweigerung, die dringend geregelt werden
müssen. Integration ist nämlich erst dann vollendet, wenn man die Ausländer
kein bisschen von den Vollhorsten von der CSU unterscheiden kann.
6 Dec 2014
## LINKS
[1] /!150807/
[2] http://www.youtube.com/watch?v=ROSUWwD62zs
[3] /!1749/
[4] http://www.youtube.com/watch?v=ADK1WMxfH5U
[5] http://www.youtube.com/watch?v=uF6u0S61soI
[6] /!143741/
[7] http://twitter.com/petertauber/status/540938231777619968
[8] /!57865/
[9] /!146033/
[10] /!150149/
[11] /!149717/
[12] /!84107/
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
CSU
CSU-Parteitag
Bayern
Ausländer
Integration
Alexander Dobrindt
Peter Tauber
Schwerpunkt AfD
Integration
Schwerpunkt AfD
CSU
CSU
CSU
CSU
CSU-Parteitag
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Angela Merkel und Pegida: Mit denen gibt es nichts zu bereden
Wer sich von der Meute treiben lässt, wird von ihr gefressen. Wer
Ressentiments zu „Sorgen“ adelt, bewegt sich an der Grenze zum Kriminellen.
Vorläufer der CSU-Deutschpflichtdebatte: Mathe für Ausländer
„Deutsch für Ausländer“ war mal Pflichtfach. Wenigstens konnten Kinder do…
lernen, was es heißt, Widerstand zu leisten.
Kommentar CSU und Deutschpflicht: Die AfD rechts überholen
Nachdem sie tagelang verspottet wurde, fordert die CSU nun keine
Deutschpflicht mehr. Doch der Wahnsinn der Partei hat Methode.
Deutschpflicht-Forderung der CSU: Lieber doch nicht ganz so
Für ihre Forderung hat die CSU Spott und Unverständnis geerntet – selbst
aus den eigenen Reihen. Nun soll das umstrittene Leitpapier umformuliert
werden.
CSU-Papier zur Einwanderung: Das bedrohte Auenland
In dem Leitantrag der CSU zu Einwanderung und Integration steht noch mehr
Unsinn als bislang bekannt. Ein Punkt aber fehlt.
Reaktionen auf CSU-Deutschgebot: „Privat bleibt privat“
Ausländer sollen zu Hause Deutsch sprechen, heißt es in einem Entwurf für
einen Leitantrag der CSU. In der Union distanziert man sich vorsichtig.
Interne Kritik an Deutschpflicht: „Ich schäme mich als CSU-Mitglied“
Victor Fuchs ist seit seinem 16. Lebensjahr CSU-Mitglied. Wenn die Partei
die Forderung nach einer Deutschpflicht für Ausländer beschließt, will er
austreten.
CSU-Antrag sorgt für Empörung: Deutsch per Gesetz
Ausländer in Deutschland sollen zu Hause Deutsch reden. Das will die CSU
auf ihrem Parteitag beschließen. Kritik zu diesem Vorhaben kommt von
verschiedenen Seiten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.