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# taz.de -- Parteigründung Neue Liberale: FDP mit Herz
> Die siechende FDP bekommt Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Ehemalige
> Mitglieder gründen eine neue Partei und wollen dem Marktradikalismus
> abschwören.
Bild: Sylvia Canel, damalige Landesvorsitzende der Hamburger FDP.
HAMBURG dpa | Die FDP-Bundesspitze gibt sich betont gelassen. Das Umfeld
von Parteichef Christian Lindner spricht vom „Auszug der Enttäuschten“ und
FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki glaubt an eine „rein regionale Erscheinung“
– und dennoch dürften die Parteioberen am Sonntag mit großer Aufmerksamkeit
nach Hamburg blicken, schickt sich dort doch eine Gruppe vornehmlich
ehemaliger FDP-Mitglieder an, der am Boden liegenden Partei noch mehr
Konkurrenz zu bescheren. Denn dann wollen die Abtrünnigen unter dem Namen
Neue Liberale in Hamburg-Wilhelmsburg ihren Gründungsparteitag abhalten, um
– wie sie sagen – dem Sozialen im Liberalismus wieder eine Stimme zu geben.
Kubickis Analyse ist auf den ersten Blick bestechend, dass die
Parteineugründung „viel damit zu tun hat, dass große Verletzungen
entstanden sind im Zusammenhang mit der Aufstellung der Landesliste zur
Bürgerschaftswahl“. In der Tat gab es damals in Hamburg zwischen der
FDP-Fraktionschefin Katja Suding und der Parteivorsitzenden Sylvia Canel
ein derartiges Hauen und Stechen um Listenplätze für die Wahl am 15.
Februar 2015, dass sogar Lindner aus Düsseldorf anreisen musste, um in
einem „Pfingstfrieden“ die Lage etwas zu beruhigen.
Und doch könnte Kubickis Beurteilung auch zu kurz gegriffen sein. Denn der
Vorsitzende der Neuen Liberalen, Najib Karim, hat einen Tag vor der
Listenaufstellung im Juli seinen Posten als Hamburger FDP-Vize hingeworfen
und ist aus der Partei ausgetreten – und zwar in einer für den promovierten
Biochemiker ungewohnt scharfen Art. „Es gibt keine Vernunft in der FDP. Man
reißt sich nicht zusammen, sondern bekämpft sich nur“, erklärte der frühe…
Spitzenkandidat für die Europawahl. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene
habe es einen wirklichen Neuanfang bei der FDP gegeben.
Entsprechend verwahrt sich Karim gegen den Versuch, die Neugründung zu
einer regionalen Angelegenheit zu machen. „Wir sind eine Reaktion darauf,
dass die FDP den Liberalismus nicht mehr so repräsentiert, wie wir ihn
verstehen“, sagte Karim in einem Interview des Hamburger Abendblatts – und
scheint einen wunden Punkt getroffen zu haben. Denn nach seinen Angaben
sind inzwischen rund 700 Anfragen aus beinahe allen politischen Richtungen
eingegangen. Rund 200 Menschen seien der Partei bereits beigetreten – und
das, obwohl nur ein zweiseitiges Grundprogramm existiere.
## Schluss mit Neoliberalismus
Im Kern geht es den Neuen Liberalen um eine Abkehr vom Marktradikalismus.
„Wirtschaft ist für uns kein Selbstzweck. Jeder hat als Voraussetzung zur
materiellen Freiheit ein Recht auf Arbeit unter menschwürdigen Bedingungen
und zu fairen Löhnen“, heißt es im Grundprogramm. Und gesellschaftlicher
Fortschritt bedinge den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeiten. „Wir wollen
soziale Not nicht verwalten, sondern deren Ursachen bekämpfen und vertrauen
dabei dem Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft jedes Einzelnen.“
Inzwischen hat Karim auch prominente Mitstreiter gefunden, etwa den
früheren Hamburger Wissenschaftssenator Dieter Biallas, der nach rund 45
Jahren FDP-Mitgliedschaft „mit sofortiger Wirkung“ aus der Partei austrat,
um die Neuen Liberalen mitzugründen. Oder den früheren Vize-Chefredakteur
der Wochenzeitung Die Zeit, Haug von Kuenheim. Und dann gibt es da noch
eine Mitstreiterin, die bei den Neuen Liberalen als Schatzmeisterin
fungiert und der FDP wegen der Außenwirkung besonders übel aufstoßen
dürfte: Hamburgs Ex-FDP-Chefin Canel, die ihren Frust auch an Lindner
selbst festmacht.
Denn der wollte als nordrhein-westfälischer FDP-Vorsitzender zuletzt die
Sozialtickets für Hartz-IV-Empfänger abschaffen und das Geld stattdessen in
den Straßenbau stecken. Für Canel ein Unding: „Man könnte meinen, dass
Hartz-IV-Empfänger zum Feindbild der FDP geworden sind. (...) Es fehlt an
Respekt, an sozialer Empathie und Kompetenz“, begründete die ehemalige
Bundestagsabgeordnete auf ihrer Facebook-Seite den Wechsel zu den Neuen
Liberalen.
„Ich glaube nicht, dass diese Partei stark reüssieren wird“, ist Kubicki
dennoch überzeugt. Experten sehen das jedoch anders. Die Liberalen wollen
nach fünf in Folge krachend verlorenen Wahlen in Hamburg wieder einen Fuß
auf den Boden bekommen. Und standen dafür angesichts mauer Umfragewerte und
der AfD-Konkurrenz von rechts die Chancen schon schlecht genug, dürfte es
im Falle einer Beteiligung der Neuen Liberalen an der Bürgerschaftswahl
kaum besser werden. „Die FDP hat im Moment nicht eine einzige Stimme zu
entbehren. Da könnten auch nur 1.000 Stimmen, die zu einer neuen Konkurrenz
gehen, sehr wehtun“, sagt der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe
Schnapp.
28 Sep 2014
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