# taz.de -- „Neuer Liberaler“ über Politik: Freiheit, Kiffen, Angelschein | |
> Sie denken über die Liberalisierung von Haschisch nach, wollen | |
> Spekulation besteuern und Hartz IV abschaffen. Wer sind die „Neuen | |
> Liberalen“? Hier spricht einer von ihnen. | |
Bild: Gebt das Hanf frei, sagt Najib Karim, Vorsitzender der „Neuen Liberalen… | |
taz: Herr Karim, Sie basteln gerade an einer neuen Partei: Die „Neuen | |
Liberalen“. Liberal – was ist das? | |
Naijb Karim: Uns interessiert: Wer ist in seiner Freiheit am stärksten | |
eingeschränkt? Wir wollen Menschen ermöglichen, ihre eigene Freiheit zu | |
nutzen. | |
Super. Ich möchte Haschisch rauchen. Darf ich das bei Ihnen? Das wird auf | |
unserem nächsten Parteitag entschieden werden müssen. Es gibt | |
unterschiedliche Freiheitsbedürftige: Diejenigen, die konsumieren wollen | |
was sie wollen, und die Gesellschaft, die die gesundheitsökonomischen | |
Kosten tragen muss. | |
Parteitag, Parteitag. Was sagen Sie persönlich? | |
Alle wissen, dass die Folgen von Haschischkonsum nicht so gefährlich sind | |
wie etwa die von Alkohol. Dass Alkohol erlaubt ist und Haschisch nicht, ist | |
kulturell bedingt. Ich denke, Haschischkonsum zu verbieten entspricht einer | |
tradierten Kulturvorstellung und widerspricht der Eigenverantwortung. | |
Danke. Ich möchte aber auch Fische fangen ohne Angelschein. | |
Sie sollen frei sein, aber müssen auch Rücksicht auf das Recht des Tieres | |
und auf die Umwelt nehmen. Fische dürfen nicht aussterben und nur | |
sachgerecht getötet werden. Deswegen macht es Sinn, dass es Regularien | |
gibt. Angelschein, also: Ja. | |
Dann möchte ich noch eine ordentliche Finanztransaktionssteuer einführen. | |
Machen Sie mit? | |
Als ich noch in der FDP war, war ich auch mal dafür. Doch sie wirkt nur, | |
wenn sie flächendeckend angewendet werden kann. Wenn Großbritannien mit | |
seinem Finanzplatz in London nicht mitmacht, nützt die Steuer nichts. | |
Ein altes Argument, um nichts zu verbessern. Sie warten also auf den Sankt | |
Nimmerleinstag statt Verbesserungen anzugehen. | |
Es gibt bessere Hebel. Viele der Finanzkrisen wurden dadurch ausgelöst, | |
dass man Spekulation und den Zugang zu Kapital erleichtert hat. Im Zuge der | |
Globalisierung gab es einen Steuerwettkampf nach unten, der allen Staaten | |
geschadet hat. Das war falsch. Wir müssen Kapitalerträge und | |
Spekulationsgeschäfte wieder vernünftig besteuern, dann lassen sich auch | |
die Arbeitseinkünfte wieder niedriger belasten. | |
Da gilt aber doch das gleiche Argument: Das nützt nur, wenn alle mitmachen. | |
Ja, aber in diesem Bereich sind die Chancen auf Erfolg höher. In Europa | |
wird gerne mit einer Kapitalflucht in die USA gedroht, wenn wir an diese | |
Steuersätze ranwollen. In den USA wird allerdings mit Verweis auf Europa | |
das Gleiche gesagt. Das sind Schutzbehauptungen, die sind abbaubar. | |
Ihre Partei ist ganz frisch, jetzt erklären Sie mal: Es gibt eine | |
marktradikale FDP, die infoliberalen Piraten und die sozioliberale Grünen. | |
Wo wollen Sie da noch Platz haben? | |
Es gibt viele Parteien mit liberalen Flügeln, aber keine sozialliberale | |
Partei. Wir wollen unsere Zeit nicht mit Flügelkämpfen verbringen, sondern | |
das neue Original sein. Wir bieten etwas, das sonst niemand bietet. | |
Wie wollen Sie denn ohne die ganzen Zahnärzte und Rechtsanwälte mehr als | |
fünf Prozent der Wähler erreichen? Das liberale Potenzial liegt nicht bei | |
diesen Berufsgruppen. Der Abstieg der FDP begann 1982, als die FDP die | |
sozialliberale Koalition aufkündigte. Damals verlor die FDP infolge dessen | |
zwei Drittel ihrer Stammwähler, hielt sich fortan mit Leihstimmen aus der | |
CDU über der Fünfprozenthürde. Wir wollen das wieder ändern. | |
Es klopfen vor allem viele Piraten bei Ihnen an. Das kann doch nur schief | |
gehen. | |
Überhaupt nicht. Unser Parteitag ist hervorragend gelaufen, diszipliniert | |
und strukturiert. Die Piraten, die da waren, waren beeindruckt, weil sie so | |
etwas nicht kannten. Das sind Sozialliberale, die mit dem Chaos der Piraten | |
nicht viel anfangen konnten und viele Kompetenzen mitbringen. | |
Wenn Sie Leuten echte Freiheit geben wollen, heißt das wohl materielle | |
Freiheit. Das klingt nach Linkspartei. Was machen Sie mit Hartz IV? | |
Die Linkspartei macht gute Analysen, die auch in unserem Sinne sind, aber | |
sie bietet keine realistischen Lösungen an. Die Instrumente müssen stimmen. | |
Okay, also was jetzt mit Hartz IV? | |
Es ist ja kein Zufall, dass wir das gesamte Sozialsystem anders gestalten | |
wollen. Das bedeutet auch, dass wir Hartz IV abschaffen wollen. Wir wollen, | |
dass die Idee eines Bürgergeldes oder des Grundeinkommens an dessen Stelle | |
tritt. Es gibt in unserer Partei viele Diskussionen wie man das konkret | |
ausgestaltet. Der Knackpunkt ist: Soll es wirklich bedingungslos sein oder | |
nicht? Dazu ist noch viel Gehirnschmalz nötig. Sowohl das eine als auch das | |
andere sind die Extreme. Beide sind nicht praktikabel. Wir müssen eine | |
menschenwürdige Zwischenlösung mit Veränderungsanreizen finden. | |
Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein echtes Eigenstellungsmerkmal. Da | |
wollen sie jetzt schon mit „Zwischenlösungen“ anfangen? | |
Ja. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, populistisch zu agieren. Mit | |
einem bedingungslosen Grundeinkommen sind auch gesamtgesellschaftliche | |
Nachteile verbunden. Die müssen wir konsequent ausdiskutieren bevor wir | |
einen Vorschlag unterbreiten. Wir wollen ja keine populistische | |
Protestpartei sein. | |
7 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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