| # taz.de -- Marihuana-Anbau in Marokko: Win-win-Situation beim „Kif“ | |
| > Tausende Familien im Norden Marokkos leben vom Marihuana-Anbau. Er ist | |
| > illegal, könnte aber mittelfristig legalisiert werden. | |
| Bild: Abdelkhalek Ben Abdellah inspiziert sein Cannabisfeld. | |
| KETAMA ap | Einen Großteil der Ernte hat Abdelchaled Benabdallah schon | |
| eingefahren. Die Marihuanapflanzen hängen über dem Dach seines Hauses im | |
| Rifgebirge im Norden Marokkos zum Trocknen. Noch ist der Anbau illegal, | |
| Bauern wie Benabdallah sind immer wieder den Schikanen von | |
| Sicherheitsbeamten und Polizisten ausgesetzt, die sie erpressen und ihnen | |
| drohen, sie festzunehmen. | |
| In der Hauptstadt Rabat aber werben mehrere Parteien für die Legalisierung | |
| des Anbaus von Marihuana für medizinische und industrielle Zwecke. Die | |
| islamistische Regierung hält sich bislang zurück, ebenso wie das | |
| Königshaus. Auch die Bauern selbst sind skeptisch. | |
| Bis 1974 war es im Rifgebirge unter bestimmten Voraussetzungen legal, | |
| Marihuana anzubauen. Dann wurde es verboten. Trotzdem wurde es weiter | |
| praktiziert – die Bauern leben in einer Art Halblegalität. Nach Angaben des | |
| Abgeordneten Nourredine Mediane sind derzeit etwa 15.000 Personen aus der | |
| Region wegen Drogenanbaus inhaftiert, rund 30.000 werden gesucht. Für die | |
| Menschen bedeutet dies, dass sie ständig mit Razzien der Polizei rechnen | |
| müssen, die ein Familienmitglied festnimmt oder die Ernte beschlagnahmt, | |
| bis eine bestimmte Geldsumme bezahlt worden ist. | |
| Eine Legalisierung, so glaubt Mehdi Bensaid von der oppositionellen Partei | |
| für Authentizität und Modernität, könnte daran etwas ändern. Seine Partei | |
| hat, unterstützt von der Partei der Unabhängigkeit (Istiqlal), einen | |
| entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht vor, dass die | |
| Marihuana-Ernte von einer staatlichen Behörde aufgekauft wird, die sie für | |
| die Herstellung von Medikamenten für Krebs- und Multiple-Sklerose-Patienten | |
| verwendet sowie für industrielle Zwecke, zum Beispiel die Produktion von | |
| Textilien oder Papier. | |
| ## Große Mengen an Marihuana benötigt? | |
| Bensaid spricht von einer Win-Win-Situation: Im strukturschwachen Norden | |
| würden Fabriken gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Die Regierung | |
| profitiere vom Hanfbau, anders als bisher, wo vor allem Schmuggler und | |
| Verkäufer mit dem illegal gehandelten Marihuana ein Geschäft machten. Er | |
| habe bereits Kontakt gehabt mit Pharmaunternehmen in Europa und den USA, | |
| berichtet der Politiker. Diese wollten in das Geschäft investieren, falls | |
| es legalisiert werde. | |
| Unklar ist allerdings, ob die Pharmaindustrie tatsächlich die großen Mengen | |
| an Marihuana benötigt, die in Marokko angebaut werden. Neben Afghanistan | |
| ist Marokko das Land, aus dem der Großteil des weltweit konsumierten | |
| Haschisch kommt. Nach Angaben der Weltzollbehörde stammten im vergangenen | |
| Jahr 65 Prozent der beschlagnahmten Droge aus dem nordafrikanischen Land. | |
| Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge leben 80.000 Familien im | |
| Rifgebirge vom Marihuanaanbau. | |
| Inwieweit die Regierung in Rabat und das einflussreiche Königshaus den | |
| Gesetzentwurf unterstützen, ist unklar. Beide Seiten haben sich bislang | |
| nicht geäußert. Regierungssprecher und Kommunikationsminister Mustapha | |
| Chalfi hob bislang nur die Bemühungen der Regierung im Kampf gegen den | |
| Drogenschmuggel hervor. Die Entkriminalisierung von Marihuanaanbau und | |
| -konsum wird derzeit in vielen Ländern diskutiert, wäre aber ein | |
| ungewöhnlicher Schritt für ein muslimisches Land. | |
| ## Keine staatlichen Programme mehr | |
| Die Bauern im Rifgebirge selbst sind skeptisch. Sie befürchten, dass bei | |
| einer Legalisierung des Anbaus Großbauern in das Geschäft einsteigen und | |
| die Preise noch weiter sinken könnten. „Wir könnten niemals mit anderen | |
| Landwirten konkurrieren, die große Ackerflächen haben, und der Preis für | |
| Cannabis wäre nicht anders als der für Karotten – wir würden nichts | |
| verdienen", sagt Benabdallah. | |
| Bereits jetzt bekommen die Bauern nur wenig für ihre Ernte. Nach ihren | |
| eigenen Angaben werden für ein Kilogramm „Kif“, wie Marihuana im Rifgebirge | |
| genannt wird, umgerechnet etwa 6,30 Euro bezahlt – damit kommt ein Bauer | |
| auf ein durchschnittliches Jahreseinkommen von umgerechnet 2.300 bis 3.200 | |
| Euro. | |
| Jahrelang hat die marokkanische Regierung versucht, die Bauern im | |
| Rifgebirge zu überzeugen, anderes als Marihuana anzubauen. Vergeblich. Seit | |
| 2010 gibt es keine staatlichen Programme mehr, die den Anbau anderer | |
| Produkte fördern. Der 63-jährige Mohammed Fatih sagt, er habe sich wirklich | |
| bemüht, sei Teil einer Kooperative geworden, die sich am Anbau von Oliven, | |
| Feigen und Mandeln versucht habe. Dies habe er auch getan, weil er | |
| insgesamt 32 Polizeiverfahren habe über sich ergehen lassen müssen. Aber | |
| aus Mangel an Regen sei der Versuch gescheitert. „Marihuana übersteht die | |
| Trockenheit, die andere Pflanzen tötet“, sagt er. | |
| 12 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Schemm | |
| Smail Bellaoualli | |
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