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# taz.de -- Kiffen wird langweilig: Von Jahr zu Jahr harmloser
> Wer auf der 18. Hanfparade etwas rauchen wollte, musste lange suchen. Ob
> das am Polizeiaufgebot lag? Dabei waren die doch eigentlich auch ganz
> entspannt.
Bild: Wenigstens das Transparent ist nicht langweilig.
„Auf gar keinen Fall, warum sollten wir denn ausgerechnet hier kiffen, das
erwarten doch eh alle von uns“, sagt sie und lächelt entspannt. Auch wenn
anscheinend alle Anwesenden wissen, worum es geht, wird der Fokus bei der
18. Hanfparade doch eher auf die Verwendung von Hanf als Rohstoff und
Medizin gelegt. Man möchte nicht als wandelndes Klischee gelten – obwohl
das hier wohl kaum möglich ist, immerhin laufen hier Menschen herum, die
freiwillig Schilder mit der Aufschrift „Was wir brauchen ist was gutes zum
rauchen“ vor sich hertragen.
Wer mit durch die Luft wabernden Nebelschwaden gerechnet hat, wird
allerdings bitter enttäuscht, die circa 6.000 Teilnehmer der politischen
Demonstration lassen sich höchstens von der Nebelmaschine der Parade-Wagen
einlullen und fallen eher durch kreative Karnevalskostüme als durch
öffentlichen Rausch auf. Ist ja auch relativ logisch, warum sollte man sich
vor den Augen der versammelten Polizei strafbar machen, wo es doch
theoretisch keinen Tag im Jahr gibt, an dem man in Berlin nicht in Ruhe dem
Sportzigaretten-Konsum frönen kann. Den Tag, an dem Berliner Polizisten
Verhaftungen aufgrund von Haschischgebrauch durchführen, gab es schon lange
nicht mehr, aber sicher ist sicher.
Die Veranstalter zeigen sich etwas unzufrieden mit der Teilnehmerzahl, die
tanzenden Besucher, welche sich zu Reggae- und Technobeats hinter den Wagen
langschlängeln, scheint das aber nicht zu interessieren, sie sind zufrieden
mit dem Status quo. Ich bin immer noch auf der Suche, aber ausgerechnet
hier scheint das wunderliche Kraut Mangelware zu sein. Als die
Demonstration am Hauptbahnhof startet, ist man bemüht, einen guten Eindruck
zu machen – und auch wenn einige Augen verdächtig rot wirken, die Polizei
hat sich mittlerweile an den Umzug gewöhnt und umstellt die Teilnehmer
nicht mehr mit behelmten Hundertschaften wie in den Anfangsjahren. Damals
vermutete man anscheinend, dass der Haschischkonsum quasi automatisch zum
Steinewerfen oder Barrikadenbauen verleitet. Ist man ja auch viel zu faul
für, lieber einen leckeren Smoothie.
Es scheint, als wird diese „Legalize it“-Veranstaltung von Jahr zu Jahr
harmloser, und das, wo doch Marihuana an sich schon als relativ harmlos
eingestuft wird. Nachdem der Hanfverband im vergangenen Jahr zufällig durch
den Gewinn der vorzeitig abgesetzten Pro7-TV-Show „Die Millionärswahl“
tatsächlich eine Million Euro abgesahnt hat, ist man offensichtlich
sorgenfrei, zumindest wäre das eine Erklärung für die Gelassenheit, mit der
die Glückseligen vom Brandenburger Tor zum Reichstag schlendern. Die Show
konnte man allerdings wirklich nur benebelt ertragen, vielleicht ist das
der Grund für das kuriose Zuschauervoting. Ab und zu trifft man dann aber
sogar wen, der ein ernstes Anliegen hat.
Erst vor kurzem fielen die Urteile zum Anbau von Cannabis für
Schwerstkranke, die einigen hier Hoffnung auf eine vollständige
Legalisierung machen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte im Juli
entschieden, dass chronisch Schmerzkranke unter gewissen Umständen Cannabis
für den Eigenbedarf anbauen dürfen. Rund 300 Patienten haben inzwischen
eine solche Ausnahmegenehmigung, und man rechnet mit circa 5.000 Menschen,
die aktuell Marihuana als Ersatzdroge erhalten. Einigen hier scheint das
Hoffnung zu machen und für die Kranken ist es definitiv ein Fortschritt.
Vergeblich sucht man leider nach Oliver Becker, selbst ernannter
Hanfaktivist, der eigentlich vorhatte, ab dem 21. Juni im Görlitzer Park
öffentlich Haschisch zu verkaufen und im Falle einer Festnahme bis zur
Hanfparade in den Hungerstreik zu treten. Eventuell hat er einfach
vergessen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Die Demo ist inzwischen in
der Mitte Berlins unterwegs, einige Touristen scheinen es gar nicht glauben
zu können, da demonstrieren doch tatsächlich ein paar Menschen für Drogen,
das ist schon ein Selfie wert. Dann aber schnell weg, nicht dass man sich
noch eine Krankheit einfängt. Die Polizei spricht von einer Veranstaltung
„ohne besondere Vorkommnisse“.
10 Aug 2014
## AUTOREN
Juri Sternburg
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