# taz.de -- Türkischer Präsident unterschreibt Gesetz: Internetkontrolle jetz… | |
> Die Hoffnung auf ein Veto des türkischen Präsidenten bleibt unerfüllt: | |
> Gül unterzeichnet das umstrittene Gesetz, das Netz-Zensur ermöglicht. | |
> Medien protestieren bereits. | |
Bild: Bald nicht mehr ganz so frei: Internetnutzer in Istanbul | |
ISTANBUL taz | Die Nachricht kam per Twitter. Am Dienstagabend teilte der | |
türkische Präsident Abdullah Gül über den Kurznachrichtendienst mit, er | |
habe das Internet-Gesetz unterzeichnet. Das Anfang Februar vom Parlament | |
gebilligte Gesetz weitet die staatliche Online-Kontrolle massiv aus. Es | |
erlaubt der türkischen Telekommunikationsaufsicht (TIB), Websites oder | |
einzelne Inhalte ohne richterlichen Beschluss zu sperren. Zudem werden | |
Internet-Dienstanbieter verpflichtet, sämtliche Nutzerdaten aufzuzeichnen | |
und zwei Jahre lang zu speichern. | |
Die drei Oppositionsparteien, Menschenrechts- und Medienorganisationen | |
haben das Gesetz als Zensur verurteilt, die Europäische Union, die OSZE und | |
Washington übten ebenfalls Kritik. Der Kreis derer, die von Gül ein Veto | |
forderten, wurde immer grösser. Er habe in zwei Punkten ebenfalls Einwände | |
gehabt und auf deren Änderung gedrängt, erklärte Gül. Am heutigen Mittwoch | |
soll im Parlament ein Nachbesserungsvorschlag debattiert werden. | |
Der Protest liess nicht lange auf sich warten. Auf Twitter starteten | |
Aktivisten unter #UnFollowAbdullahGul eine Kampagne, dem Präsidenten die | |
Gefolgschaft zu kündigen. Mancher machte das mit einer Brise Humor. „George | |
Clooney soll Präsident werden!“ twitterte ein Aktivist. Viele versahen ihre | |
Botschaft mit dem Hinweis „Stopp die Zensur“. Bis Mittmittag hatten sich | |
etwa 70000 User der Kampagne angeschlossen. Gül wird das verschmerzen | |
können. Mit 4,3 Millionen Followern belegt er unter den türkischen | |
Politikern immer noch den Spitzenplatz, und ein Superzwitscherer ist er mit | |
bisher 1.335 Einträgen auch nicht gerade. | |
Die Skepsis der Kritiker über Güls angekündigte Nachbesserung scheint | |
berechtigt. Eine der Änderungen sieht vor, dass die Behörden für die | |
Sperrung von Web-Inhalten nun doch innerhalb von 24 Stunden eine | |
richterliche Anordnung einholen müssen. Die oppositionelle Republikanische | |
Volkspartei (CHP) sprach von einer rein kosmetischen Korrektur. Die TIB | |
könne Online-Sperrungen weiterhin ohne Gerichtsbeschluss vornehmen, sagte | |
der stellvertretende CHP-Fraktionschef Faruk Logoglu. Erst danach müsse sie | |
die richterliche Anordnung einholen. | |
Erdogan hat das Gesetz mit dem Schutz der Jugend und der Privatsphäre | |
begründet sowie mit dem Kampf gegen den „Parallelstaat“, wie er seine | |
ehemaligen Verbündeten von der Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen | |
heute nennt. Der Regierungschef macht die Gülen-Bewegung für die | |
Korruptionsermittlungen verantwortlich, die ihn und seine Partei in ein | |
schiefes Licht gerückt haben. Kritiker sind davon überzeugt, dass er mit | |
dem neuen Gesetz vor allem verhindern will, dass im Internet weitere | |
Details über die angeblich schmutzigen Geschäfte an die Öffentlichkeit | |
dringen. | |
19 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
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