# taz.de -- Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Im Kriegsgebiet um Sotschi | |
> Die Armee hat sich auf Geländekämpfe in der Bergwelt vorbereitet. Ob | |
> alarmbereite Soldaten auf den Hängen den Kaukasus beruhigen können? | |
Bild: Russische Spezialkräfte in der Nähe des Rosa Khutor Alpine Centers. | |
Jetzt bräuchte man einen wie Luis Trenker. Das denke ich mir im Bus auf der | |
Fahrt vom Meer in die Berge. Der Mann aus den Südtiroler Bergen, der 1990 | |
im Alter von 97 Jahren gestorben ist, wurde nicht nur als Macher | |
spektakulärer Berg- und Bergsteigerfilme gefeiert, er war auch ein | |
gefragter Geschichtenerzähler. | |
Eines seiner Lieblingsthemen war der Bergkrieg zwischen Österreich und | |
Italien, an den zum 100. Geburtstag des Ersten Weltkriegs in diesem Jahr | |
noch oft erinnert werden wird. Seine Erlebnisse bei der Verteidigung einer | |
Alpenfestung hat Trenker, der bis zu dem Tag, an dem der Gletschermann Ötzi | |
gefunden worden ist, als bedeutendstes Urgestein der Dolomiten galt, in | |
einem autobiografischen Roman festgehalten. Da steht drin, wie man einen | |
Krieg in den Bergen führt. Mich hat das nicht besonders interessiert, als | |
ich das Buch gelesen habe. Jetzt bedauere ich das. | |
Mit Trenkers Wissen könnte ich mir gewiss einen Reim auf die Stellungen | |
machen, in denen sich Soldaten der russischen Armee entlang der Straße von | |
Adler nach Krasnaja Poljana verbarrikadiert haben. Stellungen? | |
Verbarrikadiert? Ich weiß nicht, wie ich die mit Tarnnetzen überzogenen | |
Unterstände nennen soll, die alle paar hundert Meter vom Bus aus zu sehen | |
sind. Was sie zu bedeuten haben, weiß ich schon gar nicht. Ist es das, was | |
die russischen Behörden unter „Alarmbereitschaft“ verstehen? | |
Was ich aus dem Busfenster sehe, deutet darauf hin, dass die Armee sich auf | |
Geländekämpfe in der Bergwelt vorbereitet hat. Haben sie wirklich | |
Vorkehrungen zur Abwehr einer Invasion kaukasischer Glaubenskrieger | |
getroffen? Oder sollen mir die Soldaten das Gefühl vermitteln, dass sie | |
alles im Griff haben? Ich bin mir nicht sicher, ob mich die Präsenz | |
alarmbereiter Soldaten auf den Hängen des Kaukasus beruhigen kann. | |
Kriegsreporter wollte ich nie werden. | |
## Der tägliche Sicherheitswahnsinn | |
Dass ich genau das bin, wurde mir vor zwei Jahren in London bewusst, als | |
ich mich bei den Einlasskontrollen zum Olympiagelände von britischen | |
Soldaten in Camouflage-Uniform abtasten lassen musste. Das Olympiagelände | |
der ach so heiteren Spiele von 2012 war auch ein Kriegsgebiet. Ich habe | |
mich gewöhnt an den täglichen Sicherheitswahnsinn, der bei Olympischen | |
Spielen herrscht, und ziehe auch bei größter Kälte meine Bergstiefel aus, | |
wenn das ein Security-Mitarbeiter in Rosa Chutor von mir verlangt. Ich | |
finde das längst normal. | |
Ist es das wirklich? In einer Kantine in der Nähe des Strandes von Adler | |
spreche ich mit einer Tresenkraft über die Eröffnungsfeier der Spiele. Ich | |
erzähle ihr, wie schön die Bilder waren, die dort inszeniert wurden. Hat | |
sie das Opening denn nicht gesehen? Sie war zu müde, sagt sie, und außerdem | |
hätte sie sowieso keinen Spaß gehabt. Die Hubschrauber, die den ganzen | |
Abend über Adler gekreist sind, seien so laut gewesen, dass sie von der | |
Übertragung keinen Ton verstanden hätte. Normal kann sie das nicht finden. | |
11 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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