# taz.de -- Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Abseits des Olympiapfads | |
> Dem Wintersport zu entfliehen, ist auch in Sotschi ganz einfach. Ein | |
> Gespräche über Deutschkurse, den FC Bayern und eine Brieffreundschaft | |
> nach Dresden. | |
Bild: Franz Beckenbauer und Thomas Bach in Sotschi. | |
SOTSCHI taz | „Wintersport?“ Der alte Semjon schaut mich mit seinen acht | |
goldenen Schneidezähnen an und bläst mir eine Wolke Zigarettenrauch ins | |
Gesicht. Ich muss husten. Es gibt russische Zigaretten, denen man schon | |
durch die geschlossene Packung anriechen kann, dass sie | |
gesundheitsgefährdend sind, das weiß ich. | |
Ich huste noch immer. Extremer kann Passivrauchen nicht sein, denke ich mir | |
in Semjons Tabakwolke stehend und nehme mir vor, mich einem | |
Lungenfunktionstest zu unterziehen, sobald ich zurück in Berlin bin. | |
„Wintersport?“ Semjon lacht. „Ich kenne niemanden, der hier Ski hat.“ | |
Semjom lebt in Sotschi. In der Nähe einer Haltestelle, von dem aus Busse in | |
die höher gelegenen Stadtteile des Olympiaorts abfahren, unterhalte ich | |
mich mit ihm. Wir sind nur zehn Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt und | |
doch befinden wir uns schon in einer beinahe olympiafreien Gegend. Kein | |
Sponsorenplakat mit einem Bobfahrer, kein City-Dressing mit offiziellen | |
IOC-Fähnchen, keine Fahnen schwenkenden Fans. | |
Abseits des ausgetretenen Olympiapfades zwischen Sotschi, Krasnaja Poljana | |
und Adler sieht es so aus, wie es wahrscheinlich immer aussieht. „Guten | |
Tag, guten Tag!“, sagt Semjon, als er erfährt, dass ich aus Deutschland | |
komme. „Ich spreche Deutsch“, sagt er dann. Er habe die Sprache in der | |
Schule gelernt, sagt er und erzählt, dass er 40 Jahre lang eine | |
Brieffreundschaft mit einem Mann aus Dresden gepflegt hat. Jetzt schreiben | |
sie sich nicht mehr. „Vielleicht ist er tot“, sagt Semjon und beginnt von | |
Deutschland zu schwärmen. „Da ist es schön. Beckenbauer, Müller, Maier. Das | |
haben wir immer geliebt.“ | |
## Die Kinder haben Fußball gespielt | |
In Deutschland war er nie. Er hat in Sotschi 45 Jahre auf dem Bau | |
gearbeitet. Jetzt ist er Rentner und sieht viel fern, wie er sagt. „Bayern | |
München. Die haben alles gewonnen. Das ist eine Mannschaft! Auch der | |
Holländer, den sie haben, ist gut.“ München, wo das überhaupt liege, fragt | |
er, in der ehemaligen DDR oder in der BRD. Ich sage es ihm. „Habe ich mir | |
doch gedacht.“ | |
Und seine Kinder, interessieren sich die für Wintersport? Nein, die haben | |
Fußball gespielt. Die Enkel auch. Bevor ich auf den Berg fahre, um mir im | |
Extreme Park von Rosa Chutor Snowboardcross anzuschauen, gehe ich noch | |
einmal ins Netz. Nach meiner kurzen Flucht von Olympia weiß ich: Schalke | |
ist glücklich, Bayern sowieso, der HSV ist kaputt und 1860 München sowieso. | |
Kurz darauf stehe ich oben im Kaukasus am Hang. Ich bin zurück im | |
Wintersport. | |
18 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Sotschi 2014 | |
Dresden | |
Rauchen | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
Sotschi 2014 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Wenig Heimatliches | |
Die Spiele sind fast vorbei. Es überkommt einen der Gedanke: Großherzige | |
Russen haben nichts gegen windschiefe Provisorien und Schrundigkeit. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Die Angst vor der Baustelle | |
Die Firma hat ihn unter Druck gesetzt. Er war angehalten, ja kein Foto von | |
den unfertigen Arenen zu verschicken. Ein 25-jähriger Techniker erzählt. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Düstere Schulerfahrungen | |
Ist das Russisch eingerostet? Dann braucht man Wodka, der löst die Zunge. | |
Dann kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des Vergessens | |
wähnte. | |
Das Deutsche Haus in Sotschi: Da geht a Gaudi her! | |
Kimmts Musikantn, schpuits no oan auf. Auf Deutsch: Gute Stimmung bei den | |
Spielen in Sotschi. Ein Besuch im Deutschen Haus. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Nervensägen in lila | |
Sergej kommt aus Rostow am Don und ist einer der zahllosen | |
Sicherheitsbeamten in Sotschi. Ein freundlicher Kerl – solange man mit ihm | |
Cognac trinkt. | |
Sotschi 2014 – Vermisste Sportarten: Wir wollen auch mitspielen! | |
Bei den Winterspielen in Sotschi passiert zu wenig. Acht Vorschläge gegen | |
zu viel Langeweile im olympischen Programm. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Schleich dich | |
Der Strand hätte eine Flaniermeile werden können. Doch Zäune versperren den | |
Weg zum Wasser und nach Georgien. Besucher sollen in Sotschi bleiben. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Dankbar für die Sklavenarbeit | |
Die Jugend der Welt lässt sich vom IOC bereitwillig ausbeuten. Während die | |
Volunteers hart schuften, sitzt der Verband auf seinen Millionen. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Zimmer frei, privat | |
„Bei mir werden Sie es gut haben!“, sagt dir Dame vor dem Bahnhof. Zwei | |
Finger zeigt sie, für Deutsche zeigt sie drei: für ein Zimmer bei ihr für | |
63 Euro. | |
Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Im Gulag-Modus | |
Nach vier Tagen Sotschi ist er da, der Olympiakoller. Kein Wunder bei all | |
den nervigen Kollegen, aufdringlichen Volunteers und vielen | |
Sicherheitschecks. | |
Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Im Kriegsgebiet um Sotschi | |
Die Armee hat sich auf Geländekämpfe in der Bergwelt vorbereitet. Ob | |
alarmbereite Soldaten auf den Hängen den Kaukasus beruhigen können? |