# taz.de -- Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Nervensägen in lila | |
> Sergej kommt aus Rostow am Don und ist einer der zahllosen | |
> Sicherheitsbeamten in Sotschi. Ein freundlicher Kerl – solange man mit | |
> ihm Cognac trinkt. | |
Bild: Breites Kreuz: einer der unzähligen privaten Sicherheitsleute in Sotschi | |
„Ich habe mich noch nie in meinem Leben so gelangweilt“, sagt Sergej. Um | |
seinen Hals hängt ein Olympiapass, der ihn als Mitarbeiter des | |
Organisationskomitees ausweist. „Dabei habe ich mich so gefreut“, meint er. | |
„Zuhause ist doch meistens nichts los. Da habe er sich eben hier beworben.“ | |
Ich frage ihn, wo er herkommt. „Gar nicht weit weg von hier“, sagt er. „V… | |
Asowschen Meer. Rostow am Don, das kennst du doch sicher. 600 Kilometer von | |
hier.“ Gar nicht weit weg. Was weiß man eigentlich über Russland, wenn man | |
16 Tage in Sotschi war, frage ich mich. | |
„Ich dachte, ich kann auch einmal einen Wettkampf anschauen“, schimpft er | |
weiter. „Aber die lassen uns gar nicht in die Halle.“ Eistanz hätte er | |
gerne gesehen. Das sei schön. Und Eishockey natürlich. | |
Ob ich die russischen Curlerinnen gesehen hätte, fragt er mich. „So schön!�… | |
Von denen würde er sich gerne eine mit nach Hause nehmen. „Ans Asowsche | |
Meer?“ Quatsch! Da lebt er mit seiner Frau. Aber sein Zimmer hier in | |
Sotschi, das sei groß genug. „Du verstehst?“ Ich nicke und bin jetzt sein | |
Freund. | |
## Die Sicherheitsarmee | |
Er kauft einen halben Liter Cognac („Hier aus dem Kaukasus!“), den ich mit | |
ihm trinken soll. Sergej ist einer jener immerzu finster dreinblickenden, | |
lila gekleideten Nervensägen, die an den Metalldetektoren stehen und Leute | |
abtasten, die auf das Olympiagelände wollen. Er gehört zu jener privaten | |
und von der Polizei strengstens kontrollierten Sicherheitsarmee, die die | |
Busse versiegeln, bevor sie hinaufgelassen werden in das olympische | |
Bergdorf. | |
Er ist einer jener Leute, über die ich mich jeden Tag ärgern muss, weil sie | |
mir durch ihr Auftreten vermitteln, dass sie mich für einen potenziellen | |
Terroristen halten. Er ist mein Freund, solange wir zusammen Cognac | |
trinken. Er erzählt, was seine Aufgabe ist. Jeden Morgen steht er um halb | |
fünf in der Früh auf und fährt hinauf nach Krasnaja Poljana. Am großen | |
Transportknoten vor dem Bahnhof ist es seine Aufgabe, mit Hilfe eines an | |
einer Stange befestigten Spiegels unter die ankommenden Busse zu schauen. | |
„Was soll da schon sein?“, fragt er. | |
Seit elf Tagen macht er das. Jeden Tag zehn Stunden. Das stelle ich mir | |
auch langweilig vor und proste meinem Freund zu. Armer Kerl! Noch bevor der | |
nächste Tag so richtig begonnen hat, muss ich schon durch eine dieser | |
Sicherheitsschleusen, an der die düstere lila Armee postiert ist. Ich denke | |
an Sergej. Er ist nicht mehr mein Freund. | |
19 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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