# taz.de -- Lachen über die eigenen Sorgen: Der Clown, der Traum, die Angst | |
> Mit Fetischen umzugehen ist eine Form der Verarbeitung. Das kann | |
> idealerweise so funktionieren wie Konfrontationen in Träumen. | |
Bild: Öfter mal Imperfektionismus wagen und daraus Kraft gewinnen | |
Glauben Sie bloß nicht, dass Sadomaso- und Fetischmenschen so besonders | |
sind. Wir wollen nur spielen. Weil Realität schlicht zu viel auf einmal | |
ist. Das Spiel macht sie überschaubar, die Fantasie nimmt ihr den | |
Schrecken, ob es nun um Macht geht, Gewalt oder Angst vor dem Scheitern. | |
Die Angst, nicht männlich genug zu wirken etwa, lässt sich umkehren in ein | |
fetischistische Fantasie, indem man in ein Tütü schlüpft und sich auslachen | |
lässt. Wer ständig fürchtet, in Konflikten untergebuttert zu werden, findet | |
vielleicht Erleichterung in einem Spiel, in dem er*sie sich freiwillig | |
unterwirft. Das soll keine monokausale Ursachenforschung werden, [1][das | |
lehne ich ab, wie Sie wissen]. Aber Rollenspiele und Fantasien, als Teil | |
einvernehmlicher Praxis, können Strategien gegen Ängste sein. Vor allem die | |
Angst vor dem Versagen, dem Scheitern, dem Unzureichendsein. | |
Wie bei diesem Albtraum, wo die Träumerin oder der Träumer plötzlich ohne | |
Hose auf der Bühne steht. Kennen Sie, oder? Ich weiß nicht, ob jemand | |
wirklich schon einmal diesen Traum geträumt hat, er ist jedenfalls ein | |
klassischer Konfrontationstraum. Er ruft die Angst auf, vor Publikum zu | |
versagen und ausgelacht oder gescholten zu werden, übersteigert sie und | |
schafft so Befreiung. Denn ohne Hose hatte ich zwar noch nicht, aber den, | |
wo ich einen Vortrag halten soll, aber statt meines Manuskripts halte ich | |
einen Zettel mit der Aufstellung einer Cricketmannschaft in der Hand – den | |
schon. Habe ich dann übrigens einfach vorgelesen, hat niemanden gestört. | |
Vielleicht träumen Sie zur Zeit mehr als sonst. Ein paar Medien haben dazu | |
bereits [2][Traumforscher herbeigeschleift], die bestätigen, dass das in | |
einer Krise wie dieser verständlich sei. Unter anderem eben, weil Träume | |
verarbeiten helfen. Sie dienen als Probedurchlauf. Oder machen schwelende | |
Ängste greifbar. Katharsis – im komischen, vielleicht im tragischen Sinn. | |
Denn die Angst, zu versagen, ist paradox: Je mehr wir strampeln, um zu | |
verhindern, was wir fürchten, um so mehr fürchten wir uns. Je mehr ich mich | |
reinsteigere in die Idee vom perfekt vorbereiteten Vortrag, desto größer | |
die Angst vor dem Blackout. | |
Besser ist zu sagen: Ich werde wahrscheinlich einen Fehler machen, und dann | |
wird vielleicht jemand lachen, und dann lache ich mit. Es ist die Strategie | |
des Clowns, der von vornherein ausschließt, dass irgendetwas funktioniert | |
wie erwartet, der stattdessen sein Scheitern zum Programm erklärt. Es ist, | |
was die kinky Fantasie so schön macht. Man kann nicht scheitern, wenn man | |
ein Clown ist. | |
Falls Sie in dieser Krise, die noch dauern wird, Ängste haben, die Sie | |
zerdrücken; falls Sie sich krallen daran, wie die Dinge hätten laufen | |
sollen; falls sie das wachsende Bedürfnis unterdrücken, mal auszurasten: | |
Gönnen Sie sich 15 Minuten Pause, lassen Sie los, spielen Sie. Helfen kann | |
dabei ein Clown. Ein Traum. Oder eine Fantasie. Es muss ja gar kein | |
Sexspiel, es kann auch eins mit Handpuppen sein. | |
14 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Kleidung-und-Koerper/!5653665 | |
[2] https://www.spiegel.de/psychologie/traeumen-in-der-corona-krise-wie-uns-alb… | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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