| # taz.de -- Žižek auf der Frankfurter Buchmesse: Diskutieren gerne mit Wenn u… | |
| > Der Philosoph Slavoj Žižek sorgte für Tumulte mit seiner Rede. Die | |
| > Reaktionen darauf zeigen, wie sich der Diskurs in Deutschland geändert | |
| > hat. | |
| Bild: Slavoj Zizek am 17. Oktober bei seiner Rede bei der Frankfurter Buchmesse | |
| Der bisher beste Satz auf der Buchmesse lautet: „Warten Sie mal mit dem | |
| Beifall, hinterher werden Sie vielleicht doch nicht applaudieren.“ Gesagt | |
| hat ihn der slowenische [1][Philosoph Slavoj Žižek, der als Vertreter des | |
| Ehrengasts der Buchmesse] die Ehre hatte, die Eröffnungsrede zu halten. | |
| Genau genommen war es Žižeks erster Satz, als er auf die Bühne kam und | |
| damit schon von Beginn an relativieren wollte, was er zu sagen hatte. | |
| Relativieren war auch das Thema seiner Rede. Und der Vorwurf seiner | |
| Kritiker. | |
| „Ich verurteile den Angriff der Hamas auf die Israelis bedingungslos ohne | |
| Wenn und Aber, und ich gebe den Israelis das Recht, sich zu verteidigen und | |
| die Bedrohung zu zerstören“, sagte Žižek eingangs. Das „Aber“ folgte a… | |
| dem Fuß: „Aber ich habe etwas Merkwürdiges festgestellt: Sobald man sagt, | |
| es ist notwendig, den komplexen Hintergrund zu analysieren, wird man | |
| verdächtigt, den Terror der Hamas zu unterstützen oder zu rechtfertigen.“ | |
| Dieses „Analyseverbot“ gehöre zu einer Gesellschaft, die „wie eine Wabe�… | |
| strukturiert sei. | |
| Damit spielte er auf das Motto des Gastlands an, das in großen Lettern | |
| hinter ihm an der Wand prangte: „‚Waben der Worte‘– welcher Idiot hat s… | |
| diesen Slogan ausgedacht. Die Wabe ist ein Symbol für eine totalitäre | |
| Gesellschaft, in der Frauen sexuell kastriert werden. In einer solchen | |
| Gesellschaft möchte ich nicht leben.“ | |
| Der Vorwurf an die liberalen Gesellschaften, im Kern totalitär zu sein, | |
| wurde aber weder im Publikum noch in den Tagen danach empört diskutiert. | |
| Sondern, ob Žižek [2][den Terror der Hamas] und ihrer Sympathisanten | |
| relativiert habe. Für Protest im Saal sorgten Passagen wie, man müsse „die | |
| Verteidigung der Rechte der Palästinenser und den Kampf gegen | |
| Antisemitismus“ zusammendenken. Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe | |
| Becker unterbrach die Rede mehrfach und warf ihm vor, den Terror der Hamas | |
| mit dem, was in Israel los ist, zu vergleichen. Žižek: „Ich vergleiche | |
| nicht.“ Becker: „Das ist Relativismus.“ Wieder Žižek: „Das ist kein | |
| Relativismus.“ | |
| ## Die Rede war keine große | |
| Man musste auch etwas lachen angesichts dieser altbekannten | |
| Sackgassensituation. | |
| Žižeks Rede war keine große. Dazu fehlte wirkliche Größe. Die hätte darin | |
| bestanden, nicht nur das „Analyseverbot“ seitens derer, die die | |
| bedingungslose Solidarität mit Israel einfordern, anzuklagen – was richtig | |
| ist. Zu einer wirklich großen Rede hätte gehört, auch das „Analyseverbot“ | |
| seitens derer anzuklagen, die über Israel immer nur als Terrorstaat | |
| sprechen und sich weigern, mit Israelis auf einer Bühne zu sitzen. | |
| Der Auftritt Žižeks erinnert an eine andere berühmte Rede auf der | |
| [3][Frankfurter Buchmesse]: die von Martin Walser 1998 in der Paulskirche. | |
| Walser sprach darin von Auschwitz als „Moralkeule“ und der | |
| „Monumentalisierung der Schande“. Das Publikum applaudierte, gab Standing | |
| Ovations, nur einer blieb sitzen: Ignatz Bubis, Vorsitzender des | |
| Zentralrats der Juden. Er hatte die antisemitischen Ressentiments in der | |
| Rede sehr wohl verstanden. | |
| Die Reaktionen auf die Rede von Žižek zeigen, wie sich der Diskurs in | |
| Deutschland geändert hat. Der Antisemitismusbeauftragte und größere Teile | |
| des Publikums wollten nicht die gleichen Bilder produzieren wie damals in | |
| der Paulskirche. Damit möchte ich aber Walsers Rede keinesfalls | |
| relativieren. | |
| Denn Žižek hat wirklich einen Punkt, dem am Ende der Veranstaltung noch mal | |
| unfreiwillig ein Beleg verschafft wurde. „Mit einer Ablehnung des Wortes | |
| ‚Aber‘ eröffne ich die Frankfurter Buchmesse“, hatte die Vorsteherin des | |
| Börsenvereins des Deutschen Buchhandels die diesjährige Eröffnungszeremonie | |
| beendet. Als hätte Žižek ihr die Worte in den Mund gelegt, um seinen | |
| Vorwurf „Analyseverbot“ zu bekräftigen. | |
| Über diesen Vorwurf muss man diskutieren. Und gern mit Wenn und Aber. | |
| 20 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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