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# taz.de -- Zurück in die Normalität: Grell geschminkte Lebensläufe
> Grünen-Fans müssen sich eingestehen, dass sich das Spitzenduo entzaubert
> hat: Sie sind einfach ganz normale Polit-Karrieristen.
Bild: Maximales Selbstbewusstsein, minimale Bodenhaftung: Robert Habeck und Ann…
Wenn der Zauber des Neuanfangs zusammenfällt mit 26 Grad Außentemperatur,
dann führt das ganz sicher zu Kopfweh. Der Zauber, das war natürlich diese
große Maschine, die, stockend zwar, aber mit immer schnellerer Drehzahl,
wieder anzulaufen beginnt: Als ich das erste Mal wieder in der
Umkleidekabine eines Ladens stand, den ich spontan betreten hatte, kam ich
mir noch vor, als würde ich etwas Illegales tun.
Doch abends draußen in der Pizzeria, fühlte es sich schon wieder beinahe
normal an – wäre nicht ein Rollkommando vom Ordnungsamt mit Laserpointern
und Zollstöcken aufgetaucht, um unter großem Bohei die Abstände zwischen
den Tischen, sowie zwischen Stühlen und Gehweg zu vermessen.
Und siehe da: Die braunen Stuhllehnen ragten an zwei Stellen sechs
Zentimeter zu weit in den Durchgang hinein! Ein Anwohner hatte sich
beschwert. Aufgeregte Verhandlungen, ein Flehen des Pizzeriabetreibers – er
brauche doch die Tische, habe so lang keine Umsätze gehabt…
Einige Restaurantbesucher sahen sich zu ad-hoc-Solidaritätsaktionen
veranlasst. Eine ältere Frau schob demonstrativ ihren Rollator durch: „Sehn
Se, keen Problem!“ – und ein Junge steckte dem Mann vom Ordnungsamt, dass
der Anzeiger bestimmt derselbe fiese Typ sei, der schon dem Kinderladen im
Hinterhof die Gartennutzung verbieten wollte. Offenbar kehrt mit dem
allgemeinen Erwachen auch die menschliche Niedertracht zurück – ich bekam
Kopfweh beim Gedanken an den Nachbarn, den ich auch kennenlernen musste.
## U-Bahnfahrt für Sozialpolitiker
Kopfweh auch im öffentlichen Nahverkehr, auf dem Weg zum Bürgeramt. Wer
wieder reisen will, braucht nicht nur einen Impfnachweis, sondern auch
einen gültigen Pass. Um den in Berlin zu bekommen, muss man sich in die
rauen Randbezirke begeben, denn dort kriegt man noch Termine.
In der U-Bahnlinie, die Berlin einmal der Länge nach von Norden nach Süden
durchzieht, wurden die negativen Effekte der Pandemie visuell so dermaßen
deutlich, dass man jedem Sozialpolitiker zu Anschauungszwecken sofort so
eine Fahrt spendieren möchte: Sehr viele sehr übergewichtige Kinder, sehr
viele offensichtlich nervlich auf dem letzten Loch pfeifende Mütter, und
Menschen jeden Alters, denen das letzte Jahr jede Körperspannung genommen
hat.
Im Bus dann wollte ein Restalkoholisierter, dem immer wieder die Maske vom
Gesicht rutschte, dem Kontrolleur weismachen, dass Bill Gates daran schuld
sei, dass ihm das Portemonnaie samt Fahrschein und Ausweis geklaut worden
sei. Während ich das Ende der Fahrt herbeisehnte, informierte mich mein
Handy über eine neue Studie: Während der Pandemie sei der Absatz von
dekorativer Kosmetik stark zurück gegangen. Deutschland ungeschminkt – auch
kein schöner Gedanke.
Die Grünen jedenfalls, früher notorisch ungeschminkt, malen sich jetzt die
[1][Lebensläufe] mit dem dicken Pinsel schön und stecken sich Boni und
Weihnachtsgelder in die Taschen. Ist das moralisch verwerflich? Darüber
diskutierten wir abends im Gemeinschaftsgarten, in den sich nach und nach
wieder mehr GärtnerInnen wagen, um gemeinsam zu gießen und zu quatschen.
Endlich nicht mehr allein oder zu zweit (so manche fing schon an, mit den
Pflanzen zu reden), sondern jetzt wieder schön bei Bier und selbst
angebautem Salat an Bratwurst politisieren.
## Grünes Spitzenduo entzaubert
Also, war das jetzt ehrenrührig von der grünen Kanzlerinnenamtsanwärterin?
Schon, so der Konsens zwischen Hochbeeten und Brombeerhecke, aber auch
nicht mehr als eine [2][zurechtgeschummelte Doktorarbeit]. Oder ein
unsauberes Geschäft mit Masken. Vor allem aber müssen sich auch Grünen-Fans
nach der so fresh gestarteten Robert-und-Annalena-Performance allmählich
eingestehen, dass sich das grüne Spitzenduo entzaubert hat.
Ganz normale Polit-Karrieristen auch sie: Maximales Selbstbewusstsein,
minimale Bodenhaftung. Da fliegt der Geisteswissenschaftler Habeck schon
mal in die Ukraine und gibt verteidigungspolitisch Halbgares von sich, ohne
sich mit seiner außenpolitisch beschlageneren Kollegin abzustimmen: Auch
der „kooperative Führungsstil“ ist nur ein Label im Polit-Marketing, in dem
aus ein paar Wochen Praktikum schnell ein Job wird.
Meine Tochter jedenfalls hat es schon voll drauf mit dem Vita-Frisieren.
Ihre Entwicklungsschritte vom Baby zum Kleinkind sollte sie für die Schule
beschreiben. „Mama, wann fängt man an zu laufen?“, fragt sie.
Unterschiedlich, sage ich. „Manche laufen schon mit neun Monaten, andere
sind weit über ein Jahr…“.
Gut, entscheidet die Tochter. „Wir sagen ein Jahr, das ist schnell, aber
nicht übertrieben. Jetzt das erste Wort. Das war sicher sehr früh.“ Stimmt.
Und es war Mama. „Echt?“, stöhnt die Tochter. So unoriginell? „Schreib d…
„meins“, schlage ich vor. Stirnrunzeln. Zu viel Ego. Am Ende wird es
„Papa“. Schminke, das hat die Tochter besser begriffen als Annalena, wirkt
nur sympathisch, wenn sie dezent aufgetragen wird.
11 Jun 2021
## LINKS
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[2] /FU-entzieht-Giffey-den-Doktortitel/!5774467
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Annalena Baerbock
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Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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