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# taz.de -- Wahlkampf, die Grünen und Rezo: Der alte Zerstörer
> Wer holt unentschiedene Wähler bei der Bundestagswahl ab? Die Grünen mit
> ihrem peinlichen Song? Und dann ist da ja noch dieser blauhaarige
> Youtuber.
Bild: Rezos Clip „Zerstörung der CDU 2.0“ war wieder sehr unterhaltsam
Es heißt ja, dass sich politische Einstellungen mit fortschreitendem
Lebensalter verfestigen – wer bis Mitte vierzig immer konservativ gewählt
hat, wird kein Linker mehr und umgekehrt. Könnte aber sein, dass diese
Weisheit in die große Tonne gehört mit überkommenen
Wahlkampf-Glaubenssätzen, mit denen sich PolitikerInnen, DemoskopInnen und
PolitjournalistInnen im Bescheidwissen und Vorhersagen übertroffen haben.
Sehr viele wollen doch was Neues, jetzt, wo es nach 16 Jahren Merkel
endlich die Chance auf einen Wechsel gibt. Aber mit wem bloß? Die
Verzweiflung ist groß – und in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis wird
die Lage allmählich unübersichtlich:
Gestandene Sozialdemokratinnen entdecken beim Thema Wohnen die innere
Sozialistin, was ihre Partei aber nicht unterstützt. Hartgesottene
Fleischesser und Automobilisten sind jetzt doch ins Grübeln gekommen und
wünschen sich, dass ihnen jemand im Namen des Klimas Einhalt gebietet,
zumindest ein bisschen. Wer holt diese Unentschiedenen ab? Etwa die Partei,
die nach dem Schock der Flutkatastrophe, angesichts rechten Terrors und
menschenrechtlicher Bankrotterklärungen eigentlich als glaubwürdige
Alternative dastehen müsste?
## Sarah Wieners Bariton
[1][„Kein schöner Land“ singen die Grünen] und wollen mit Biobäuerinnen,
Busfahrern und Schuldirektorinnen alle mitnehmen dahin, wo einfach alle vom
Aufbruch profitieren: Geflüchtete, RentnerInnen, Arbeiter und Bienen. Ob
das jetzt peinlich ist oder süß, ist Geschmackssache, schaden wird es
vermutlich auch nicht mehr als die seltsam kränklich-grün eingefärbten
Wahlplakate, auf denen einen kaum wer direkt anschaut. Ich kenne jedenfalls
niemanden, der oder die wegen Sarah Wieners abgrundtiefem Bariton davon
absehen wird, die Grünen zu wählen.
Allerdings kenne ich Männer, die keine Lust mehr haben, eine Partei zu
wählen, die männliche Kandidaten aus Wahlkampfbildern mit Annalena Baerbock
rausschneidet, damit es feministischer rüberkommt. Die vulgärfeministische
Grundhaltung „Hauptsache Frau“, für die die Grünen nicht nur ihre Chance
aufs Kanzleramt geopfert haben, sondern auch ihren Platz auf der
saarländischen Landesliste, stößt sogar treue Grünen-Fans ab.
Mich zum Beispiel: Als Baerbock im Sommerinterview danach gefragt wurde,
[2][wie sie dies oder das „mal ihren Kindern“ erklären wollte], erhob sich
sogleich ein Shitstorm. Die Frage geht gar nicht! Nur weil sie eine Frau
ist! Dass Baerbock davor selbst zweimal ihre Kinder ins Spiel gebracht
hatte („wenn ich mir vorstelle, das wären meine Mädchen“) – geschenkt. …
kann Baerbock ja nichts für die (vielleicht ungebetene) Frauensoli. Aber
ich habe den unguten Verdacht, dass den Grünen die Frauenfrage so heilig
ist, dass sie in einem Koalitionsbündnis lieber andere Themen als
Verhandlungsmasse in den Raum werfen, als auch nur eine Frau in die zweite
Reihe zu stellen.
Und wenn dies nun ausgerechnet die sozialen Themen wären? Bei der
Steuerpolitik traue ich den Grünen genauso wenig soziale Ader zu wie dem
Herrn Cum-Ex, den Menschen aus meinem persönlichen Nahraum seit Neuestem
gut finden: Der Scholz, der habe so bodenständige Wahlkampfbotschaften, dem
nehme man das Engagement für die „Kleinen Leute“ ab.
## Rezo der Zerstörer
„What?!“ – kreischt mir da der Youtuber Rezo ins Ohr. Sein neues
[3][„Zerstörung Teil 1: Inkompetenz“- Video] war wieder sehr unterhaltsam.
Neben der gründlichen Demontage des politischen Personals der Union hat er
nebenbei auch noch Armin Laschet der Wahlkampf-Lügnerei überführt: Von
wegen Entlastung für kleine und mittlere Einkommen! Unternehmen,
Gutverdienende und Reiche würden nach seiner Durchsicht des Wahlprogramms
am meisten entlastet, wenn der Mann mit dem Sparkassen-Charme das Rennen
machte.
Natürlich ist der Youtuber mit den blauen Haaren ungerecht. Schließlich:
Mindestlohn, Arbeitgeberparität, Grundrente. Ist jetzt nicht gerade
Gutverdiener-Pampern, was die SPD in den letzten Jahren GroKo abgeliefert
hat. Aber im Ganzen hat er Recht: Es gibt Figuren im amtierenden Kabinett,
die sind so „todeslost“ und inkompetent, dass man sich fragt, warum sie
noch im Amt sind: eine Verteidigungsministerin und ein Außenminister, die
Warnungen aus Afghanistan ignorieren.
Ein Verkehrsminister, [4][der Millionen Steuergelder in ein aussichtsloses
Mautprojekt gekippt hat], mit Verträgen, die so schlecht gemacht sind, dass
man sich schon fragt, ob das Absicht war. Eine Landwirtschafts- und
Ernährungsministerin, die für Konzerne Lobbyarbeit macht und von „Tierwohl�…
redet, ohne rot zu werden. Jeder und jede von ihnen hätte Grund genug
zurückzutreten.
Mir jedenfalls geht es wie dem Chef des Bundeswehrverbands (ein
Gleichklang, der mich an sich schon irritiert): Mein Vertrauen in die
politische Führung dieses Landes ist angekratzt. Und jetzt? Kann bitte noch
jemand für mich singen?
28 Aug 2021
## LINKS
[1] /Neuer-Gruenen-Wahlspot/!5791398
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/baerbock-frage-im-sommerint…
[3] https://www.youtube.com/watch?v=rIj3qskDAZM
[4] /U-Ausschuss-zum-Pkw-Maut-Desaster/!5765983
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Rezo
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