# taz.de -- Zerschlagung von Google & Facebook?: Revolution von oben | |
> Die EU-Kommission stellt zwei Gesetzentwürfe vor, um Online-Plattformen | |
> stärker zu regulieren. Was heißt das für Nutzer:innen? | |
Bild: Allgegenwärtige Apps auf dem Smartphone | |
Warum braucht es neue Regeln für Online-Plattformen? | |
Unternehmen wie Amazon, Facebook, Airbnb oder Google haben Macht. Jedes | |
ist auf einem Gebiet unangefochtener Marktführer – und weiß diese Macht zu | |
nutzen. Auszunutzen könnte man auch sagen. Zum Beispiel Amazon: Die | |
Plattform ist im Versandhandel derart marktbeherrschend, dass kaum ein | |
Onlinehändler es sich leisten kann, nicht auf ihr präsent zu sein. Doch die | |
Konditionen diktiert Amazon. So klagen beispielsweise immer wieder Händler | |
über missbräuchliche Sperrungen ihres Kontos. Oder darüber, dass Amazon | |
aufgrund seiner Position umfangreich Marktdaten sammeln kann – und | |
erfolgreiche Produkte einfach selbst ins Sortiment nimmt. Zu Lasten von | |
kleinen Händlern auf dem Amazon-Marktplatz. | |
Wie will die EU-Kommission die Probleme lösen? | |
Mit zwei neuen Verordnungen: dem [1][Digitale-Dienste-Gesetz] und dem | |
[2][Digitale-Märkte-Gesetz]. Die beiden Entwürfe dafür sind 113 und 81 | |
Seiten lang und sehen eine Vielzahl neuer Vorschriften und Verbote vor. Im | |
Fokus stehen dabei Unternehmen, die so groß und marktmächtig sind, dass | |
Nutzer:innen es schwer haben, an ihnen vorbeizukommen. „Je größer ein | |
Unternehmen ist, desto mehr Verpflichtungen muss es einhalten“, sagte | |
EU-Digitalkommissar Thierry Breton bei der Vorstellung der Pläne diese | |
Woche. | |
Was soll sich konkret ändern? | |
Einige Beispiele: Algorithmen sollen transparenter werden, etwa wenn es | |
darum geht, warum ein:e Nutzer:in ein Produkt empfohlen bekommt. Händler, | |
die Illegales verkaufen wie gefälschte Produkte, sollen leichter aufgespürt | |
werden können. Nutzer:innen sollen darüber informiert werden, warum sie | |
eine bestimmte Werbung angezeigt bekommen. | |
Welche Plattformen werden betroffen sein? | |
Eine konkrete Liste gibt es nicht. Die EU-Kommission nennt aber drei | |
Kriterien. Eines ist die Zahl der monatlich aktiven Nutzer:innen in der | |
EU, die über 45 Millionen liegen muss. Zum Vergleich: Facebook liegt bei | |
305 Millionen. Dazu kommt das Kriterium Jahresumsatz sowie eine „gefestigte | |
und dauerhafte Position“ am Markt. Es lässt sich also vermuten, wer | |
mindestens darunter fallen wird: Facebook (mit Instagram und Whatsapp), | |
Google (unter anderem mit Youtube), Amazon, Airbnb. | |
Was, wenn eine Plattform gegen die Regeln verstößt? | |
Abhängig vom Verstoß sind Bußgelder von bis zu 6 beziehungsweise bis zu 10 | |
Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vorgesehen. Das Problem: Eine | |
europäische Aufsichtsbehörde ist nicht geplant. Stattdessen soll jeder | |
EU-Mitgliedstaat bei sich zu Hause für die Einhaltung der Regeln sorgen. | |
Wohin das führt, ist jetzt schon beim Datenschutz zu sehen: Trotz der | |
Datenschutz-Grundverordnung, die eigentlich EU-weit die Regeln | |
vereinheitlichen soll, hat jeder EU-Mitgliedstaat eine Aufsichtsbehörde – | |
in Deutschland sogar jedes Bundesland. So ist etwa die irische | |
Datenschutzaufsicht als besonders lax bekannt und macht das Land zu einem | |
attraktiven EU-Standort für globale Konzerne. | |
Können große Konzerne auch zerschlagen werden? | |
Nein. Oder doch. Ersteres sagte Digitalkommissar der Europäischen Union, | |
Thierry Breton, bei der Vorstellung der Pläne: „Das werden Sie nie von uns | |
hören, dass wir sagen, das Unternehmen ist zu groß, das wird zerschlagen.“ | |
Damit spielte er auf die erst vergangene Woche [3][in den USA eingereichte | |
Klage gegen Facebook] an. Dort werfen die US-Regierung und 48 | |
Bundesstaaten dem Unternehmen einen unfairen Wettbewerb vor – und bringen | |
auch einen verpflichtenden Verkauf einzelner Geschäftsbereiche ins Spiel. | |
Aber dann, ein paar Sätze später, klingt auch Breton etwas differenzierter: | |
Wenn sich ein Unternehmen wiederholt nicht an die Regeln halte, dann „kann | |
es auch mal den Vorschlag einer Trennung geben“. | |
Werden wir eines Tages Nachrichten von Whatapp zu Signal schicken können? | |
Das wäre schön. Denn die Anbieter versuchen alles, um Nutzer:innen in | |
ihren eigenen Diensten zu halten. Dabei kommt ihnen der Netzwerkeffekt | |
zugute: Wo alle sind, gehen alle hin. Sind also alle Freunde bei Whatsapp, | |
ist man auch selbst dort. Müsste es Whatsapp ermöglichen, dass | |
Nutzer:innen von dort auch Nachrichten zu anderen Diensten – Signal, | |
Threema oder Telegram – schicken können, fiele dieser Effekt weg. | |
Interoperabilität heißt das Prinzip, und der Begriff findet sich | |
tatsächlich auch in den Gesetzentwürfen. Kritiker:innen bemängeln | |
jedoch, dass für Social-Media-Dienste Interoperabilität derzeit nicht | |
vorgesehen ist. | |
Wird das eine digitale Revolution? | |
Wenn es gut läuft, könnten die Gesetze jedenfalls eine Menge bewegen. Doch | |
Kritiker:innen sagen: Um das Internet wirklich neu zu ordnen, es gerecht, | |
demokratisch, frei und offen zu machen, ist mehr Veränderung nötig. | |
Bürgerrechtler:innen und Verbraucherschützer:innen fordern nicht nur | |
eine konsequente Interoperabilität, sondern auch: ein Verbot von | |
personalisierter Werbung und Tracking, also dem Verfolgen von | |
Nutzer:innen über mehrere Webseiten und Dienste hinweg. Sie wollen | |
Anreize, die die Entwicklung von freien und dezentralen Diensten fördern. | |
Legale Inhalte sollen stehen bleiben und illegale gelöscht werden – ohne | |
dass Privatunternehmen darüber entscheiden, was legal und was illegal ist. | |
Wann wird es ein fertiges Gesetz geben? | |
Was die EU-Kommission diese Woche vorgestellt hat, sind die Gesetzentwürfe. | |
EU-Kommissarin Margrethe Vestager glaubt, dass der EU-Gesetzgebungsprozess | |
in anderthalb Jahren abgeschlossen ist – Beobachter:innen rechnen | |
allerdings eher mit der doppelten Zeit. Auch weil die Lobbyisten aus dem | |
Umfeld der zu regulierenden Unternehmen werden verhindern wollen, dass für | |
sie nachteilige Regeln entstehen. Das Corporate Europe Observatory, das | |
die Einflussnahme der Wirtschaft auf die EU-Politik untersucht, | |
[4][bezifferte die Zahl der Lobbyistentreffen, in denen es um die | |
Regulierungspläne der EU-Kommission ging, auf 158]. Davon entfielen allein | |
fünf Treffen auf Vertreter:innen von Google. Aber auch Microsoft, Spotify, | |
Facebook und die US-Handelskammer finden sich auf der Liste. | |
18 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/proposal_for_a_regulation_on_a_s… | |
[2] https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/proposal-regulation-single-marke… | |
[3] /Facebook-und-Co-entmachten/!5730460 | |
[4] https://corporateeurope.org/en/2020/12/big-tech-brings-out-big-guns-fight-f… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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