# taz.de -- Zeichentrick-Legende aus Japan: Traumhafte Schweineseele | |
> Arte zeigt den Film „Prinzessin Mononoke“ des japanischen Künstlers Hayao | |
> Miyazaki. Der Zeichner von Heidi macht längst nicht mehr nur Kinderfilme. | |
Bild: Ein häufiges Thema bei Miyazaki: Das Motiv Umweltschutz findet sich auch… | |
Wie kaum in einem anderen Land gedeihen in Japan Tradition und Moderne | |
zwischen Streichholzschachtel-Wohnungen und Tempelgärten. Während sich der | |
Alltag der einen entlang jahrhundertealter Zeremonien orientiert, leben die | |
anderen in einer popkulturellen Blase, in der ein ungelenkes, | |
quietschvergnügtes Manga-Wesen sein Unwesen zu treiben scheint. | |
Hayao Miyazaki, Koryphäe der japanischen Anime-Kunst, gilt als Vermittler | |
zwischen scheinbar unvereinbaren Welten. Gemeinsam mit seinem | |
künstlerischen Weggefährten Isao Takahata ist er Gründervater der | |
legendären [1][Ghibli-Studios], die zunächst mit den Zeichentrickserien | |
„Heidi“ und „Biene Maja“ und schließlich mit preisgekrönten Filmen wi… | |
wandelnde Schloss“ (2004) Weltruhm erlangten. Nur für Kinder sind die Filme | |
des oscarprämierten Regisseurs („Chihiros Reise ins Zauberland“, 2001) | |
längst nicht mehr. | |
In „Prinzessin Mononoke“ verfrachtet uns der Altmeister in die mythische | |
Welt des 15. Jahrhunderts, in der noch Tiergottheiten und Waldgeister die | |
dichten Wälder Japans bevölkern. Gestört wird das ökologische Gleichgewicht | |
durch den Menschen. | |
Prinzessin Mononoke, ein menschliches Wesen mit tierischen Instinkten, ist | |
bereit, den Kampf gegen jene aufzunehmen, die sich an ihrem Lebensraum | |
vergehen. Miyazakis zunächst märchenhaftes Szenario verwandelt sich zu | |
einer sensiblen Parabel über das Missverhältnis zwischen ökologischem | |
Reichtum und zivilisatorischem Wachstum. | |
In Miyazakis Welten fallen scheinbare Gegensätze stets auf fruchtbaren | |
Boden. Kategorien wie Raum und Zeit folgen einer wankelmütigen Logik. | |
Gebäude führen ein Eigenleben, orientieren sich an der Wandelbarkeit der | |
Natur. Grenzen, zwischen Mensch und Natur, Gut und Böse, Tradition und | |
Moderne werden bewusst unscharf gezogen. | |
Für den Regisseur, Drehbuchautor und Anime-Zeichner verschmelzen | |
traditionelle und zeitgenössische Elemente sogar in seiner zur Perfektion | |
getriebenen Kunst. Inspirieren ließ sich der mittlerweile 72-Jährige von | |
Emakimono, einer japanischen Form der Illustration, bei der sich die | |
narrative Abfolge von Zeichnungen erst durch das Auf- und Zusammenziehen | |
von pergamentartigen Schriftrollen erschließt. Seine Technik hingegen, die | |
Darstellung dreidimensionaler Räume, trägt eine europäische Handschrift. | |
## Zeichentrick voller Schönheit und Ernsthaftigkeit | |
Miyazaki gilt als kompromissbereiter Visionär. Seine Zukunftsszenarien | |
zeigen zwar, was noch nie jemand gesehen hat, orientieren sich aber stets | |
an dem, wonach sich alle sehnen: Abenteuer, Liebe, Versöhnung. Seine | |
Hauptfiguren hingegen sind weniger marktorientiert gezeichnet. In „Das | |
wandelnde Schloss“ wird eine zur alten Jungfrau verhexte unscheinbare | |
Hutmacherin zur Heldin. | |
In Miyazakis wohl persönlichstem Film „[2][Porco Rosso]“ (1992) lässt ein | |
zum unattraktiven Schwein verzauberte Kopfgeldjäger Frauenherzen höher | |
schlagen. Der im Italien der 1920er Jahre spielende Film handelt von einem | |
tollkühnen Kampfpiloten, der, von Kriegswirren und Midlifecrisis | |
gezeichnet, an der adriatischen Küste gegen Luftpiraten kämpft, während an | |
Land die FaschistInnen im Anmarsch sind. | |
Viele von Miyazakis Eigentümlichkeiten treten in dieser Geschichte zutage: | |
Seine Obsession für Flugzeugtechnik, das Schnarren und Klappern eines | |
vergangenen Industriezeitalters und, nicht zuletzt, seine Aversion gegen | |
totalitäre Regime: „Ich bin lieber ein Schwein als ein Faschist.“ | |
22 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ghibli.jp/ | |
[2] http://www.arte.tv/guide/de/049856-000/porco-rosso | |
## AUTOREN | |
Laura Wösch | |
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