Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wasserdampf auf Planet K2-18b: Noch mal von vorn im Weltraum
> ForscherInnen haben auf dem gerade mal 110 Lichtjahre entfernten Planeten
> K2-18b Wasserdampf entdeckt. Worauf warten wir noch? Nichts wie hin!
Bild: Illustrierende Darstellung des Exoplaneten K2-18b
Wie mit einer Wohnung im Kleinen verhält es sich mit unserem Wohnplaneten
im Großen: Die Erde ist langsam echt so ein bisschen runtergerockt. Ein
paar Millionen Jahre war es ja ganz schön, doch irgendwann fängt man an,
sich unwohl zu fühlen. Der Suffi im Stockwerk unter uns (a.k.a.
Regierungschef des vormaligen Bündnispartners) krakeelt Tag und Nacht.
Manchmal scheißt er auch in den Hausflur.
Selbst ist man nicht viel besser, dazu muss man sich nur mal in der eigenen
Bude umgucken – Messi, dein Name ist Mensch: Die Tapeten sind runter, die
Tiere und Grünpflanzen verreckt, der Aschenbecher (formerly known as
[1][Regenwald]) ist voll. Der Permafrostboden taut auf und eigentlich
bräuchte man dringend einen neuen Kühlschrank.
Irgendwie sind auch zu viele Mitbewohner hier, es wird eng in der WG Erde
und alle werden immer komischer: Populisten, Spinner, Umweltzerstörer.
Jeden Tag gibt es Ärger respektive Krieg, wer den Müll rausbringt, und am
Ende fühlt sich doch wieder keiner verantwortlich. Asien und Afrika haben
jedenfalls keinen Bock mehr drauf, dass es immer an ihnen hängenbleibt.
Draußen vor der Tür sieht es kaum besser aus. Die Gegend, die wir früher
mal so geil fanden, ödet uns bloß noch an: unser Sonnensystem ist uncool
geworden, durchgentrifiziert, langweilig. Immer derselbe Mond, dieselbe
Sonne, derselbe Abendstern. Die ganze Atmo ist im Arsch. Wer etwas auf sich
hält, zieht weg. Und da wir als Menschheit so beharrlich wie unangebracht
viel auf uns halten, wechseln wir alle gemeinsam den Planeten. Es muss ja
kein völlig anderes Viertel sein – ein paar Hausnummern die Milchstraße
runter genügt uns schon.
## Wasser gibt's, und Rotlicht für die Nebenhöhlen
Denn dort, nur hundertzehn Lichtjahre entfernt, tut sich eine überraschende
Gelegenheit auf: [2][der Exoplanet K2-18b]. Mit der achtfachen Masse und
dem doppelten Umfang unserer Erde ist er überraschend geräumig, steht
völlig leer und ist quasi bezugsfertig. Wer zuerst kommt, kann im Grunde
einziehen. Auch dass die Astronomen dort keinerlei Leben ausmachen konnten,
ist einer raschen und unbürokratischen Übernahme zuträglich. Denn wenn man
erst noch gegenüber einer Population hochintelligenter Riesenamöben den
Eigenbedarf geltend machen müsste, dauerte der Prozess sicher
Jahrmillionen.
Auch Wasser gibt es schon auf K2-18b, das müsste man also nicht mehr mühsam
legen lassen, geschweige denn in (Plastik!) Flaschen von der Erde ankarren.
Neben dem Vorhandensein von Wasser sowie einer Atmosphäre konnte ein
Forscherteam der University of London überlebensfreundliche Temperaturen
feststellen. In dieser Kombination ist das für einen Planeten außerhalb
unseres Sonnensystems einzigartig.
K2-18b kreist um einen roten Zwergstern namens K2-18, wobei wir uns vom
Ausdruck Zwergstern nicht täuschen lassen sollten. Die kleine Sonne ist
schon ordentlich groß und taucht unsere neue Heimat die meiste Zeit über in
ein angenehmes rotes Licht. Das tut besonders unseren Mitbürgern mit
chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen gut.
Aber auch für alle anderen beginnt eine neue Zeitrechnung. Mit das Schönste
an einem Ortswechsel ist die Aufbruchstimmung, der Karmaschub, das
Abenteuer. Noch einmal ganz von vorne anfangen zu können setzt so viel
frische Energien frei. Wir können alles anders machen, die Städte von
vorneherein menschenfreundlich und autofrei konzipieren.
## E-Zeppeline und Pfirsichalleen
Wenn das Wasser erst mal läuft, pflanzen wir ganze Alleen voller
Pfirsichbäume, die sternförmig auf rotlicht- und luftdurchflutete
Siedlungen aus allerliebsten Hobbithäuschen zulaufen. In denen verteilt
wohnt nun die gesamte Menschheit, denn Platz ist auf der großzügig
geschnittenen Supererde ja genug. Endlich sind wir ihn los, den beengenden
Ballast jahrtausendealter Architektur, die sperrig und unzeitgemäß im Weg
rumstand (Stonehenge, Kolosseum, Akropolis, Rothenburg ob der Tauber).
Den völkisch-regressiven Eindruck der Häuschen kompensiert man mit einem
flotten und innovativen Radioprogramm. Und was Bruno Taut einst nur
ansatzweise versucht hat, hier wird es Wirklichkeit. Der Mensch steht
wieder im Mittelpunkt, besser gesagt, der neue Mensch, ein hochmoralisches
Wesen, das sich achtsam und ressourcensparend (E-Zeppelin, Sammetpfötchen,
Winddraisine) über den neuen Planeten bewegt. Ein zweites Mal wird er es
nicht versauen.
Der neue Mensch macht keinen Fehler, verhält sich still und verzichtet auf
überhöhte Rituale. Silvester etwa fällt aus, denn da K2-18b vergleichsweise
nah an seiner Sonne liegt, ist das Jahr nur dreiunddreißig Tage lang. Und
so häufig muss man nun wirklich nicht dumm herumstehen und Menschen
umarmen, die einem fremd sind. Schluss also mit der Überhöhung des
Jahreswechsels; das Geballer spart sich der leise und nach Harmonie
strebende „Ka-Zwoler“, wie er sich halbironisch nennt.
Die hundertzehn Lichtjahre Entfernung sind zurzeit freilich noch eine
kleine logistische Herausforderung. Bislang erreicht man K2-18b nicht in
einem Menschenleben. Aber dank der immer besseren medizinischen Versorgung
und unserer mittelfristig zu erwartenden Unsterblichkeit können wir die
Anreise bald locker wuppen.
Bis dahin haben wir auch Umzugswagen entwickelt, die mit zehn hoch drölfzig
Husch ([3][km/h war gestern]) unseren Hausstand aus CD-Ständern, Katzenklos
und Atom-U-Booten transportieren können. Hoffentlich geht dabei nicht allzu
viel kaputt. Es heißt ja nicht umsonst: Dreimal umziehen ist wie einmal
abgebrannt.
12 Sep 2019
## LINKS
[1] /Brennende-Amazonas-Waelder/!5621856
[2] https://www.sciencedaily.com/releases/2019/09/190911121950.htm
[3] /Aktivistin-und-VW-Chef-im-Streitgespraech/!5622446
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Weltraumforschung
Planeten
Raumfahrt
Zukunft
Schwerpunkt Utopie nach Corona
2050 – die, die überleben wollen
Astronomie
2050 – die, die überleben wollen
Mondlandung
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Plan für Riesenteleskop in Chile: Ein Spiegel in den Weltraum
In der Wüste im Norden Chiles entsteht ein neues Riesenteleskop, das die
Astronomie verändern soll. Über den schwierigen Bau einer Zeitmaschine.
Klimaschutz per Smartphone: App in die Zukunft
Schon heute gibt es viele Smartphone-Anwendungen, die das Klima schützen.
Und ein Blick in die Glaskugel sagt: Da geht noch mehr.
50 Jahre Mondlandung: Unser Freund im All
Was Nazis und Pfadfinder mit der Mondlandung zu tun haben – und weshalb
heute Spekulanten magisch vom Mond angezogen werden. Zehn Thesen.
Ökonomische Vorherrschaft im Weltall: Most in space
Der nächste Goldrausch findet im All statt. Mit den ökonomischen Interessen
wächst allerdings auch die Kriegsgefahr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.