# taz.de -- Ökonomische Vorherrschaft im Weltall: Most in space | |
> Der nächste Goldrausch findet im All statt. Mit den ökonomischen | |
> Interessen wächst allerdings auch die Kriegsgefahr. | |
Bild: In der Wüste im Oman – diese Astronauten proben für die Mars-Mission | |
Mythische Gestalten, die mit zischenden Lichtschwertern Weltraumtruppen | |
niedermetzeln, Raumschiffe, die ganze Planeten zerstören: Manch einer hatte | |
wohl solche fiktiven Bilder vor Augen, als US-Präsident Donald Trump am 19. | |
Februar dieses Jahres ein Dekret zur Schaffung einer [1][Weltraumarmee] | |
unterschrieb. Doch die Space Force wäre nach US Army, US Air Force, US | |
Navy, US Marine Corps und US Coast Guard schlicht der sechste Arm der | |
US-Streitkräfte; und was nach einer Science-Fiction-Vorliebe Trumps klingt, | |
ist anderswo bereits Wirklichkeit. Russland etwa hat seit 2001 | |
Weltraumtruppen, die sich um den Schutz eigener Satelliten kümmern. | |
Es geht also nicht um Klonkrieger oder Sternenzerstörer aus „Star Wars“, | |
aber durchaus um militärische Raumjäger, wie die Boeing X-37 und Satelliten | |
mit Laserkanonen – die gibt es bereits seit Jahren. Und Trump hat ganz | |
pragmatische Beweggründe, wenn er eine Space Force fordert. Vordergründig | |
geht es ihm um den Schutz der eigenen Satelliten, doch in Zukunft könnte | |
die Space Force eine ganz andere Rolle spielen. Denn die Menschheit | |
bereitet den nächsten Goldrausch, vielleicht aber auch den nächsten Kalten | |
Krieg vor. | |
Warum sollten wir in den Weltraum? Neben einem Plan B, für den Fall, dass | |
sich das menschliche Leben auf der Erde selbst vernichtet, gibt es vor | |
allem ökonomische Anreize. Rohstoffe sind auf unserem Planeten endlich, im | |
Weltraum gibt es sie zuhauf, etwa in Asteroiden: Platin, Gold, Eisen und | |
noch sehr viel mehr. Schon existieren zahlreiche Unternehmen und Projekte, | |
die daran arbeiten, die Förderung von der Erde ins All zu verlagern. In | |
wenigen Jahrzehnten könnte es so weit sein, dass das Gold in unseren Handys | |
von Asteroiden stammt. | |
Es gibt verschiedene Konzepte für den Rohstoff-Abbau im All. Bei manchen | |
werden, wie im Film „Armageddon“, Menschen auf Asteroiden geschossen; auch | |
wenn Bruce Willis und Ben Affleck als Ölbohrer nicht viel mit realen | |
Astronauten zu tun haben. Die meisten Vorschläge sehen denn auch Roboter | |
vor. Das ist nicht so abwegig, da wir schon seit fast 20 Jahren Sonden auf | |
Asteroiden landen lassen können. Erst im Februar hat Japan die Raumsonde | |
Hayabusa2 auf dem Kometen Ryugu abgesetzt, um Gesteinsproben für die | |
Forschung zu sammeln. | |
## Wiederverwendbare Raketenstufen | |
Die Expansion ins All kommt, doch die Politik versteht sie noch nicht. 2014 | |
startete die NASA ein Forschungsprojekt, das kleine Asteroiden in die | |
Mondumlaufbahn umleiten sollte, damit Astronauten den Abbau von Gestein | |
testen könnten. Dabei würde sich eine Sonde an einem Körper von acht Metern | |
Durchmesser befestigen und in Richtung Mond fliegen. Diese | |
New-Asteroid-Initiative hätte dieses Jahr starten sollen, wurde 2017 aber | |
eingestellt, weil der US-Kongress das Projekt nicht weiter finanzieren | |
wollte. Dabei war die simple Technik bereits vorhanden. Die | |
Privatwirtschaft hingegen weiß längst, wohin die Reise geht. | |
Schon arbeitet sie daran, die Raumfahrt ökologischer zu gestalten und | |
zumindest Superreichen privat zugänglich zu machen. Natürlich, um Kosten zu | |
sparen und sich zu refinanzieren. Die Elon-Musk-[2][Firma SpaceX] hat | |
erfolgreich wiederverwendbare Raketenstufen entwickelt, die nach einem | |
Start zur Erde zurückkehren, während der Rest der Rakete ins All fliegt. | |
Normalerweise verglühen abgetrennte Raketenstufen einfach in der | |
Atmosphäre. 99,6 Prozent der Kosten für eine Rakete bestehen aber aus der | |
Rakete, nur der kleine Rest aus dem Treibstoff. Eine Falcon-9-Rakete kostet | |
aktuell um die 54 Millionen US-Dollar. | |
Denkbar ist auch, in Zukunft Stationen im Erdorbit oder auf dem Mond zu | |
errichten, um den Waren- und Personenverkehr zu erleichtern. Die NASA | |
arbeitet am „Lunar Orbital Platform-Gateway“: eine Raumstation als | |
Zwischenstopp für Marsmissionen. Dazu gibt es Pläne, wie Treibstoff in | |
anderen Ecken des Sonnensystems gewonnen werden kann. Das Glenn Research | |
Center arbeitet an Konzepten, Treibstoffe wie Helium-3 und Wasserstoff von | |
anderen Planeten oder dem Mond zu gewinnen. Mehr Tankstellen heißt längere | |
Reichweiten und die energiesparende Befreiung von der Schwerkraft der Erde. | |
## USA verstoßen gegen Weltraumverträge | |
Während die Sowjetunion ihre militärischen Raumfahrtprogramme Anfang der | |
1980er fast komplett einstellte, weil das Geld fehlte, und China sich seit | |
einigen Jahren auf Spionagesatelliten spezialisiert, sind die USA seit dem | |
Ausscheiden der Sowjetunion ganz vorne bei der Raumfahrt. Nicht zuletzt bei | |
der militärischen. Ronald Reagan forcierte als US-Präsident 1983 den Aufbau | |
eines orbitalen Raketenabwehrsystems. George W. Bush schrieb in der | |
National Space Policy von 2006 fest, dass sich die USA im Weltraum keinen | |
Staaten oder Richtlinien unterwerfen werden. Staaten mit US-feindlichen | |
Interessen sollen zudem am Zugang zum All gehindert werden. Ob das | |
militärisch geschehen soll, bleibt offen. | |
Barack Obama unterschrieb 2015 ein Gesetz, das die USA zum | |
Schürfrechtverwalter des Alls erklärt. Das US-Verteidigungsministerium, das | |
US-Verkehrsministerium und die NASA dürfen seitdem entscheiden, wer wofür | |
ins All fliegen darf. Dass das gegen bestehende Weltraumverträge verstößt, | |
interessiert nicht. Bereits 1967 hat die UN im „Outer Space Treaty“ | |
erklärt, dass kein Staat den Weltraum beanspruchen kann, denn er gehöre der | |
Menschheit. | |
Die aktuelle politische Lage könnte auch zukünftige Weltraumkolonien | |
beeinflussen. Hier arbeiten die Unternehmen Mars One und SpaceX aktiv | |
daran, die [3][erste Marskolonie] zu errichten, während NASA und ESA über | |
eine Basis auf dem Mond nachdenken. Die Technologien zum Erreichen des Mars | |
und zur Errichtung einer Basis werden stetig weiterentwickelt. | |
## Monopolfirmen im Weltraumgeschäft | |
Der preisgekrönte Zukunftsforscher und Wissenschaftsjournalist Stephen | |
Petranek erklärt in seinem Buch „Unser Leben auf dem Mars“, wie die | |
Erschließung des Roten Planeten aussehen wird. Auf den Verkehr zwischen | |
Erde und Mars wird ziemlich sicher SpaceX das Monopol haben. Man kann die | |
Vorherrschaft eines einzigen Unternehmens nicht gut finden, doch es gibt | |
keine Alternativen. Momentan sind keine Raketen so weit entwickelt und so | |
gut zum Transport schwerer Lasten geeignet wie die Falcon- oder | |
Dragon-Modelle. | |
Laut Petranek würden zuerst Roboter auf den Mars gebracht, die eine Basis | |
aus Raketenteilen aufbauen. Und wie bei jeder Kolonie ist die Frage, wo man | |
den ersten Spatenstich setzt. Am geeignetsten wären dafür entweder ein | |
Platz in Polnähe, um Wasser aus dem Eis zu gewinnen, oder eine Höhle, die | |
ebenfalls Eis und zusätzlich Schutz vor Strahlung und marstypischen | |
Sandstürmen bieten kann. Die Energie für die Basis würde sehr | |
wahrscheinlich aus einem Kernkraftwerk stammen, der dafür derzeit noch | |
effektivsten Form. | |
Der nächste Schritt wäre Terraforming, also die Schaffung von menschlichen | |
Lebensbedingungen auf dem Mars: Ein Begriff, der ursprünglich aus der | |
Science-Fiction-Story „Collision Orbit“ von 1942 stammt und schnell von der | |
Wissenschaft übernommen wurde. Dafür könnte man zum Beispiel die gefrorenen | |
Pole des Mars mit Atombomben beschießen, um Wasser und Wärme freizusetzen. | |
## Die Vorherrschaft im Sonnensystem | |
Die Resonanz auf Trumps geplante Space Force ist bislang gering | |
ausgefallen. Dabei scheint ausgerechnet er verstanden zu haben, woher der | |
Wind weht. Denn mit Obamas Gesetzgebung und seiner Weltraumstreitmacht | |
könnte er in den nächsten Jahren die Vorherrschaft im Sonnensystem | |
übernehmen. Oder sich mit Russland und China darum streiten. | |
Dann fliegen vielleicht Raumschiffe amerikanischer Unternehmen durchs All, | |
während der Rest der Menschheit von ihnen abhängig gemacht wird und | |
gleichzeitig hoffen muss, dass es nicht zu einem militärischen Konflikt | |
kommt. | |
Momentan sieht es so aus, als könnten sich Weltmächte im All bekriegen, um | |
den nationalen Unternehmen die besten Startchancen und Monopole zu sichern. | |
Historisch gesehen entstehen Kriege genau deswegen. Wenn die Staaten es | |
allerdings schaffen, eine gemeinsame Linie zu finden, dann könnte die | |
Expansion der Menschheit auch politisch ein neues Zeitalter einläuten. | |
23 Apr 2019 | |
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