# taz.de -- Wahlverhalten von Migrant*innen: Früher rot, heute schwarz | |
> Machten Zugezogene früher mehrheitlich ihr Kreuz bei der SPD, bevorzugen | |
> sie nun die CDU. Ist das ein langfristiger Trend? | |
Bild: „Wir schaffen das.“ Den Satz hat Merkel gesagt, Merkel ist in der CDU… | |
BERLIN taz | Menschen mit Migrationshintergrund wählen vornehmlich | |
Parteien, die für sie politisch einstehen, sich um ihre Rechte kümmern und | |
sie sozial wie wirtschaftlich einbinden. Soweit das Klischee. Aber da es | |
bekanntlich oft anders kommt, als man denkt, ergibt sich beim Wahlverhalten | |
von Menschen, die keinen eindeutig deutschen Hintergrund haben, | |
mittlerweile ein überraschendes Bild. So bevorzugen Migrant*innen derzeit | |
zwei Parteien, die sich nicht in jedem Fall als sonderlich | |
migrationsfreundlich präsentiert haben: CDU und CSU. So hat es das jüngste | |
[1][Integrationsbarometer] ergeben. | |
Danach sprechen sich über 43 Prozent der Befragten für eine der beiden | |
Unionsparteien aus. Die SPD landet mit 25 Prozent auf Platz 2, es folgen | |
die Linke und die Grünen mit jeweils rund 10 Prozent. Die FDP ist mit einem | |
Zuspruch von knapp über 5 Prozent weniger beliebt. | |
Warum ist das so? | |
Darüber kann nur spekuliert werden. Der Sachverständigenrat deutscher | |
Stiftung für Integration und Migration, der die Studie erstellt hat, | |
erfasst zwar die Daten, wertet sie aber nicht aus. Eine mögliche Erklärung | |
könnte in einem kleinen, aber einprägsamen Satz liegen: „Wir schaffen das�… | |
Gesagt im Sommer 2015 von Kanzlerin Angela Merkel. Der Satz ist | |
wirkmächtig, bis heute: Deutschland nimmt Geflüchtete auf, behandelt sie | |
weitgehend gut, schließt keine Grenzen. So sehen das viele Geflüchtete | |
immer noch. Für sie ist und bleibt Merkel eine Heldin. | |
Der Satz ist zudem global nachhaltig. Selbst in Ländern wie Dschibuti, | |
Indien, Myanmar und Kambodscha, die in der deutschen Presselandschaft nicht | |
täglich präsent sind, hat „Wir schaffen das“ ein Bild von Deutschland als | |
das migrationsfreundlichste Land auf der Welt produziert. | |
## Normalisierungseffekt: Wir leben ein gewöhnliches Leben | |
Vielen der Zugezogenen – wie vielen Deutschen übrigens auch – sind die | |
hiesig politische Lage und das deutsche Parteiensystem nicht bis in den | |
letzten Winkelzug vertraut. Das aber wissen sie: Den Satz hat Merkel | |
gesagt, Merkel ist in der CDU, also ist die CDU prima. Dass die Union | |
mitnichten migrationsfreundlich, sondern eher migrationskritisch ist, dass | |
Deutschland de facto die Grenzen dicht gemacht hat und durch den kürzlich | |
wieder eingesetzten Familiennachzug für subsidiär geschützte Geflüchtete | |
weit weniger Angehörige nach Deutschland kommen als gedacht, übersehen die | |
jüngst Zugezogenen vielfach. | |
Unabhängig davon darf davon ausgegangen werden, dass Parteienvorlieben | |
nicht nur unter Deutschen wechseln, sondern ebenso unter Menschen mit | |
Migrationshintergrund. So haben die schon länger hier lebenden | |
türkischstämmigen Menschen, die die größte Gruppe der Zuwander*innen | |
ausmachen, jahrzehntelang mehrheitlich sozialdemokratisch gewählt. Dass sie | |
jetzt verstärkt auf die Union umschwenken, kann man einerseits als | |
Normalisierungseffekt lesen: Wir sind in Deutschland – mehr oder weniger – | |
angekommen, wir leben hier ein gewöhnliches Leben, warum sollten wir nicht | |
so wählen wie die meisten Deutschen? Andererseits schwindet die Bindung der | |
Menschen mit türkischen Hintergrund an die SPD bereits seit 15 Jahren, die | |
Sozialdemokrat*innen können ihre Politik auch Menschen mit türkischem | |
Hintergrund nicht mehr klar genug vermitteln. | |
Möglicherweise handelt es sich beim migrantischen Zuspruch zur Union aber | |
auch nur um einen kurzzeitigen Schwenk. Migrationsexpert*innen jedenfalls | |
sprechen nicht von neuen manifesten politischen Orientierungen, sondern | |
eher von „erodierenden Bindungen“. Und die können auch wieder festgezurrt | |
werden. | |
29 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.svr-migration.de/barometer/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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Mesut Özil | |
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