# taz.de -- Wahlen in Uruguay: Linke verliert absolute Mehrheit | |
> Seit fast 15 Jahren regiert in Uruguay die Frente Amplio. Am Sonntag | |
> verlor sie die Mehrheit im Parlament. Ihr Kandidat muss in die Stichwahl. | |
Bild: Die Anhängerinnen von Daniel Martínez sind begeistert, auch wenn ihr Ka… | |
BERLIN taz | Das seit drei Legislaturperioden in Uruguay regierende | |
Linksbündnis Frente Amplio (FA) hat bei den Wahlen am Sonntag die absolute | |
Mehrheit verloren. Ihr Präsidentschaftskandidat, der bisherige | |
Bürgermeister der Hauptstadt Montevideo, Daniel Martínez, muss sich am 24. | |
November einer Stichwahl gegen den zweitplatzierten Luis Lacalle Pou | |
stellen, den Kandidaten der konservativen Partido Nacional (PN). Auf | |
Martínez entfielen 38,6 Prozent der Stimmen, auf Lacalle Pou 28,22 Prozent. | |
Auch in beiden Kammern des Parlaments verliert die FA ihre Mehrheit. Von 30 | |
Senatoren wird sie noch 13 stellen, von 99 Abgeordneten 41. Damit bleibt | |
sie zwar in beiden Kammern stärkste Fraktion. Die Mehrheit aber stellen die | |
Senatoren und Abgeordneten der drei konservativen Parteien PN (10 | |
Senatoren, 31 Abgeordnete), Partido Colorado (4 und 13) und die neue | |
rechtskonservative Gruppierung Cabildo Abierto (3 und 11). | |
Noch am Wahlabend rief der zweitplatzierte Luis Lacalle Pou zu einer | |
breiten Koalition gegen die FA für die Stichwahl auf. Eine neue Regierung | |
werde keine der PN sein, sondern eine Regierung vieler Farben. Die FA sei | |
im Parlament isoliert, das sei „fruchtbarer Boden für Vereinbarungen“ der | |
anderen, sagte er. | |
Eine Verfassungsänderung zum Thema innere Sicherheit, die unter anderem die | |
Bildung einer Nationalgarde unter Einbeziehung des Militärs und damit | |
dessen Einsatz im Innern vorgesehen hätte, fand bei einem ebenfalls am | |
Sonntag abgehaltenen Referendum keine Mehrheit. 46,1 Prozent der | |
Uruguayer*innen stimmten für den PN-Senator Jorge Larrañaga eingebrachten | |
Entwurf. | |
## Innere Sicherheit als Schwachstelle | |
Noch in der vergangenen Woche hatte es eine [1][Großdemonstration] in | |
Montevideo gegen die geplante Reform gegeben. Der brutale Militäreinsatz | |
gegen die Proteste in Chile in den vergangenen Tagen mobilisierte auch hier | |
viele junge Leute gegen die Verfassungsänderung. | |
Allerdings hatte das Thema der inneren Sicherheit durchaus den Wahlkampf | |
bestimmt und offenbar auch die FA an einer Schwachstelle getroffen. Zwar | |
lehnte sie die konservative Rhetorik der „harten Hand“ ab, konnte aber zu | |
wenig mit einem eigenen Konzept punkten. | |
Auch der Initiator des Referendums, PN-Senator Jorge Larrañaga, freute sich | |
trotz der Ablehnung, mit seinem Entwurf das Thema hoch auf die Agenda | |
gesetzt und damit zum relativen Erfolg gegen die FA beigetragen zu haben. | |
Selbst wenn es FA-Kandidat Daniel Martínez schaffen sollte, in den nächsten | |
Wochen bis zur Stichwahl noch den Trend zu drehen und trotz der | |
Unterstützung der ausgeschiedenen konservativen Kandidaten für Lacalle Pou | |
doch noch die Stichwahl zu gewinnen, bedeutet der Wahltag einen Bruch mit | |
den letzten Jahren uruguayischer Politik. Ohne parlamentarische Mehrheit | |
ist keine Reformpolitik zu machen. | |
Die zwei Regierungszeiten des noch amtierenden Präsidenten [2][Tabaré | |
Vazquez] und die eine von [3][José „Pepe“ Mujíca], Urgestein der | |
kommunistischen Guerillabewegung Tupamaro, haben Uruguay verändert. Das | |
kleine Land zwischen Argentinien und Brasilien ist das am wenigsten | |
ungleiche der Region und gemessen am Pro-Kopf-Einkommen auch das | |
wohlhabendste. Uruguay erlebt – trotz oder wegen einer ausgesprochen | |
arbeitnehmerfreundlichen Politik – die längste Wachstumsphase seiner | |
Geschichte. | |
Die Kritik der Rechten, etwa an steigender Staatsverschuldung, verfing | |
gerade im Angesicht der Wirtschaftskrise im benachbarten Argentinien nach | |
vier Jahren neoliberaler Macri-Regierung denn auch kaum bei den | |
Wähler*innen. | |
Zudem sind in der Regierungszeit der FA zahlreiche gesellschaftspolitische | |
Reformen durchgesetzt worden: Am bekanntesten ist sicherlich die | |
[4][staatliche Regulierung von Cannabis], von Anbau über den Verkauf bis | |
zum Konsum, aber auch die gleichgeschlechtliche Ehe, [5][LGBTQ-Rechte] und | |
anderes mehr fallen in die Regierungszeit. | |
28 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://ladiaria.com.uy/articulo/2019/10/la-articulacion-nacional-no-a-la-r… | |
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Uruguay/!5027323 | |
[3] /Praesidentschaftswahl-in-Uruguay/!5030176 | |
[4] /Cannabis-Politik-in-Uruguay/!5247058 | |
[5] /Neues-Trans-Gesetz-in-Uruguay/!5545493 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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werden. |